Befeuchtung der Luft [1]

[653] Befeuchtung der Luft, Erhöhung ihrer Feuchtigkeit (s.d.).

Für die Erzeugung gewisser Industrieprodukte, insbesondere in der Textilindustrie, ist ein bestimmter Feuchtigkeitsgehalt der Luft vorteilhaft, z.B. soll die relative Feuchtigkeit bei Wollspinnereien 70–75%, bei Baumwollspinnereien 50–70% (je nachdem ein wenig oder stark gezwirnter Faden versponnen wird), bei Webereien 70–80% betragen. Ferner ist der Feuchtigkeitsgehalt der Luft auch auf den Gesundheitszustand des Menschen von Einfluß, und es wird daher bei Heizungs- und Lüftungsanlagen (s. Heizung und Lüftung geschlossener Räume) die Erzeugung zu trockener oder zu feuchter Luft zu vermeiden sein. Der für die Gesundheit zuträglichste Feuchtigkeitsgrad ist wissenschaftlich noch nicht festgestellt; im allgemeinen wird erfahrungsgemäß ein Feuchtigkeitsgehalt von 50–60% im Winter, von 60–70% im Sommer den Anforderungen entsprechen. Da der Wassergehalt der atmosphärischen Luft stark wechselt, so ist häufig in den genannten Fällen eine besondere Befeuchtung notwendig, insbesondere dann, wenn die Luft in den Arbeits- oder Aufenthaltsräumen stark erwärmt oder behufs Lüftung im Winter erhitzte Außenluft in die Räume eingeführt wird, denn infolge Erwärmung sinkt der relative Feuchtigkeitsgrad; so z.B. enthält Luft von 0° in gesättigtem Zustande 4,9 g Wasser, bei 80% relativem Feuchtigkeitsgehalt also 3,9g; wird diese Luft auf 20° erwärmt, so sinkt der Feuchtigkeitsgrad auf 22,7%, da gesättigte Luft von 20° 17,2 g Wasser enthält; dieser maximale Feuchtigkeitsgrad beträgt bei –20° 1,06, bei –10° 2,3, bei +10° 9,4, bei 30° 30,2, bei 40° 51,0, bei 60° 87,7g. Der Wassergehalt der Luft wird durch Hygrometer oder Psychrometer (s. Feuchtigkeitsmesser) bestimmt. Ein sicheres, leicht regulierbares, aber meist zu umständliches Mittel zur Erzielung eines bestimmten Feuchtigkeitsgehalts in einem Raum besteht darin, daß die von außen entnommene Luft bei der durch Rechnung bestimmbaren Temperatur mit Wasser gesättigt und dann auf die Temperatur des Raumes erwärmt wird. Die gewöhnlichen Mittel der Luftbefeuchtung bestehen in Einrichtungen zur Verdunstung und Zerstäubung von Wasser oder zur Dampfzuführung. Die Wasserverdunstung erfolgt in einfacher Weise durch Aufteilung flacher, offener, mit Wasser gefüllter Schalen in den Räumen oder in den zur Erwärmung der Luft angeordneten Heizkammern; behufs Regulierung der Verdunstung werden die Gefäße mit nach oben sich erweiterndem Querschnitt hergestellt, und durch Veränderung der Wasserhöhe wird die Verdunstungsfläche geändert. Auch Apparate, bei welchen Streifen aus Gewebe oder Löschkarton über einem Wassergefäß aufgehängt werden und aus diesem Wasser anfangen, um es an die vorbeistreichende Luft abzugeben, werden zur Befeuchtung der Luft von Zimmern, Arbeitsräumen u. dergl. verwendet. Zur Verstärkung der Verdunstung wird auch das Wasser durch eingelegte Dampfröhren erhitzt. Für die Abgabe großer Wassermengen eignen sich besser Einrichtungen, bei welchen ein Luftstrom an benetzten Flächen vorbei oder durch diese geführt wird, z.B. benetzte Gewebefilter, benetzte Tücher, die in den Räumen selbst aufgehängt werden, Lattenwerk oder durchbrochene, aus übereinander gestellten Mauersteinen gebildete Pfeiler, die berieselt werden (Einrichtungen von ten Brink und von Mehl). Eine Befeuchtung der Luft an benetzten Flächen findet auch statt an dem von Schmid und Köchlin angegebenen Apparat, der vielfach in elsässischen Spinnereien und Webereien benutzt wird; in einem unter der Decke des Arbeitsraumes aufgehängten Gehäuse saugt ein von der Fabriktransmission getriebenes Schraubenradgebläse einen Luftstrom durch einen aus zahlreichen Längsstäben gebildeten, langsam in Drehung versetzten Korb, gegen dessen Stäbe aus einem in der Achse angebrachten, mit seinen Löchern versehenen Rohr Wasser spritzt. Bei andern Befeuchtungseinrichtungen wird die Luft durch Wasserschleier oder Wasserschichten getrieben. Häufig finden [653] Zerstäubungsvorrichtungen (s.d.) Anwendung, bei denen das Wasser in sehr seine Tröpschen aufgelöst wird, mit denen die Luft in innige Berührung gelangt. Manchmal wird die Befeuchtung von Luft auch durch zugeführten Dampf bewirkt, wobei zur Milderung des beim Ausströmen desselben aus einer gelochten Röhre entstehenden Geräusches diese mit Drahtgewebe mehrfach umwickelt oder in ein mit Kies, Glaskugeln, kleinen Steinen gefülltes Gefäß gelegt wird; dieses Verfahren ist nur anwendbar, wenn die damit verbundene Erwärmung der Luft nicht unzulässig ist.


Literatur: Rietschel, Leitfaden zum Berechnen und Entwerfen von Lüftungs- und Heizungsanlagen, 3. Aufl., Berlin 1902, S. 5, 6, 33; Albrecht, Handbuch der prakt. Gewerbehygiene, 2. Teil, 4. Abschn.: Heizung und Lüftung der Arbeitsräume, von Hartmann, Berlin 1894, S. 373.

Hartmann.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 653-654.
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