[23] Fichtenharz, dem Namen nach das Harz der Fichte oder Rottanne (Picea excelsa Link), tatsächlich aber ein Harzprodukt verschiedener Abstammung und Gewinnung. Das aus den Stamm- und Astwunden mehrerer Nadelhölzer (Coniferae) ausfließende Sekret heißt Terpentin (s.d.), der eine Lösung des Koniferenharzes in Terpentinöl darstellt. Dieses Koniferenharz ist nun das eigentliche Fichten-, Roh- oder gemeine Harz (Resina pini, Resina communis). Es kann infolge natürlicher Verdunstung des Terpentinöles während des Terpentinausflusses als Kruste an den Wundrändern (auch zwischen Holz und Rinde) zurückbleiben oder es wird bei der Darstellung des Terpentinöls als Rückstand erhalten. Demnach begreift man unter Fichtenharz zweierlei: 1. ein Sammelprodukt, das natürliche Fichtenharz, und 2. die künstlich aus Terpentin bezw. aus natürlichem Fichtenharz dargestellten Rohprodukte [1][6].
1. Das natürliche Fichtenharz. Von den europäischen Koniferen sind es die französische Strandkiefer (Pinus maritima Poir., P. pinaster Sol.), die gemeine Fichte, die österreichische Schwarzföhre (Pinus laricio Poir.), und die gemeine Föhre (Pinus silvestris L.), die Fichtenharz liefern. Amerikanische Harzbäume sind Pinus australis Michx., P. taeda L., P. ponderosa Dougl. Das der Strandkiefer, die in den »Pignadas« zwischen Bayonne und Bordeaux in ausgedehnten Forsten gezogen wird, entflammende Harz wird Gallipot genannt; was ferne von den Wunden abgescharrt oder vom Boden aufgelesen wird, ist selbstverständlich mehr oder weniger verunreinigt und wird als Barras bezeichnet [2]. Oesterle [5] gibt keinen Unterschied zwischen Barras und Gallipot an. Nach seiner Darstellung wird »im Februar an derjenigen Stelle des Stammes, an der die Verwundung, die Carre (Quarre), angebracht werden soll, mit einem scharfen Instrumente (Pousse, Barrasquite, Sarc) die Rinde bis auf eine dünne Schicht entfernt«. Vom März bis Oktober wird nun in bestimmten Zwischenräumen die Carre nach oben vergrößert; ein Teil des Ausflusses gelangt als dicke Flüssigkeit (= Terpentin) in den am unteren Ende der Carre befestigten Topf, ein andrer Teil »trocknet auf dem Wege ein und bedeckt die Carre mit einer gelblichweißen Kruste, dem Barras oder Gallipot«. Im Juni und September wird dieses gesammelt, indem man am Fuße des Baumes ein Tuch ausbreitet und den Barras mit einem breiten Eisenhaken abkratzt. Gegenwärtig sucht man die Bildung von Gallipot und Barras, als der viel weniger wertvollen Produkte, durch rationellere Gewinnung des Terpentins möglichst zu verhindern. Gallipot ist ein vollständig kristallinisches, zerreibliches, hellbraunes oder gelbes, mitunter fettglänzendes Harz. Ein ähnliches Produkt ist das Scharrharz, das in Niederösterreich von der Schwarzföhre gewonnen wird, und das Weißföhrenharz, das hauptsächlich in den Karpathen (Galizien) gesammelt wird. In Finnland, im Schwarzwald, im Schweizer Jura und in den Ostalpen (Salzburg) wird die Fichte (Picea excelsa) geharzt. Das an den Rissen sich ansammelnde Rohharz ist durch seine allerdings ziemlich rasch sich verlierende pfirsichblütrote Farbe ausgezeichnet. (Eine von dem Verfasser bei Radstadt in Salzburg gesammelte Probe behielt, sorgfältig aufbewahrt, über ein Jahr[23] ihre charakteristische Färbung.) Von demselben Baume stammt auch das in manchen Gegenden Böhmens, z.B. um Karlsbad, gesammelte Wurzelpech, das zwischen Rinde und Holz dicker Wurzeläste schwefelgelbe Platten bildet [1]; ferner der Waldweihrauch, weißliche, gelbliche oder rötliche kleine, ziemlich weiche Körner, die vom Boden aufgelesen werden und sich auch reichlich in den Bauten der Waldameisen vorfinden; sie stellen wohl natürliche Tropfen vor. Im allgemeinen bildet das natürliche Fichtenharz harte, brüchige oder noch etwas weiche, gelbliche bis rotbraune halbdurchsichtige oder durchscheinende Körner und Klumpen, oft von stalaktitischer Form; es besitzt einen terpentinartigen Geruch und bitteren Geschmack [3]. Die mikroskopische Untersuchung zeigt, daß das Harz aus einer homogenen Grundmasse besteht, in der zahlreiche wetzsteinförmige Kristalle der Abietinsäure enthalten sind.
2. Künstlich hergestellte Rohprodukte [4]. Wird der gemeine Terpentin behufs Gewinnung des Terpentinöles mit Wasser der Destillation unterworfen, so bleibt eine gelbliche, gepulvert weiße, leicht zerbrechliche Masse, der gekochte Terpentin (Terebinthina cocta) zurück, der gewöhnlich in nahezu zylindrischen oder auch spindellförmigen, an der Oberfläche spiralig gefurchten und gestreiften, weißen oder gelben, stark seidenglänzenden, im Innern hell gelbbraunen Stücken verkauft wird; bei längerem Liegen wird er an der Oberfläche braun. Der gekochte Terpentin enthält nebst dem Harz noch Wasser und etwas Terpentinöl. Weißes Pech, Weißharz, Wasserharz (Pix alba, Résine hydraté) wird aus dem natürlichen Fichtenharz gewonnen, indem man dasselbe schmilzt, Wasser einrührt und hierauf zwischen Stroh oder in Hanfsäcken auspreßt; die hierdurch abgeschiedenen Verunreinigungen (»Harzkuchen«) dienen zur Gewinnung des Kienruß. Das weiße Pech kommt in unregelmäßigen Klumpen oder Scheiben vor, besitzt eine weißlichgelbe bis bräunliche Farbe, schwachen Terpentingeruch und ist durch einen großen Wassergehalt ausgezeichnet. Die wasserhaltigen Poren sind schon mit freiem Auge sichtbar. Beim Liegen an der Luft wird es an der Oberfläche braun, und die oberflächlichen Poren sind mit Luft gefüllt [1]. Gelbes Harz, gelbes Pech (Resina lutea, citrina, flava) ist ein Mittelding zwischen den zwei beschriebenen Sorten und dem Kolophonium. Läßt man nämlich den gekochten Terpentin bei seiner Darstellung längere Zeit unter starkem Umrühren mit Wasser erhitzen oder setzt man das weiße Harz längere Zeit einer höheren Temperatur aus, so erhält man eine hochgelbe bis gelbbräunliche Masse. Als Burgunderpech (Pix Burgundica) bezeichnet man das durch Ausschmelzen (ohne Wasser) und Kolieren des natürlichen Fichtenharzes gewonnene Produkt. Auch verschiedene Kunstprodukte, z. B Gemenge von Kolophonium, Palmöl oder andern Fetten und Wasser gehen unter diesem Namen [3], [4]. Echtes Burgunderpech ist blaßgelb bis gelbbraun, hart, brüchig, leicht zerreiblich, in der Oberfläche matt oder fettglänzend, muschelig brechend, terpentinartig riechend, leicht löslich in konzentrierter Essigsäure, in Aether und starkem Alkohol. Kolophonium (Colophonium, Geigenharz) wird aus dem Rohharz (Terpentin), aus gekochtem Terpentin oder aus natürlichem Fichtenharz hergestellt. Es bildet gegenwärtig das wichtigste Harzprodukt, das in größter Menge von Nordamerika in den Handel kommt. Daneben produzieren auch noch Frankreich, Rußland, Portugal, Spanien und Oesterreich Kolophonium. Das amerikanische Produkt stammt vorwaltend von Pinus australis Michx. (= P. palustris Müll.) und Pinus heterophylla Elb. und stellt nuß- bis faustgroße, wie Bernstein durchsichtige, oberflächlich weiß bestäubte Stücke dar, die in Aether, Alkohol, Methyl- und Amylalkohol, Benzol, Chloroform, Terpentinöl, Toluol, Schwefelkohlenstoff gänzlich löslich sind. Es besteht aus α, ß, γ-Abietinsäure (83%), ätherischem Oel (0,40,7%), Resen (56%) und Bitterstoff.
Fichtenharz ist ein wechselndes Gemenge von kristallisierbaren Harzsäuren mit Terpentinöl und Wasser. Seine Verwendung ist eine sehr vielseitige: zu Firnissen, Lacken, Kitten, zur Darstellung des vegetabilischen Harzleims für die Papierfabrikation, als Zusatz zu Maschinenschmieren und zur Erzeugung der Kohäsionsöle; die harzreichen Holzmassen (Pechgriffe) zur Erzeugung von Leuchtgas, Fluid, Pinolin, Teer u.s.w. [4], [8].
Literatur: [1] Wiesner, Rohstoffe des Pflanzenreiches, 2. Aufl., Leipzig 1873, Bd. 1, S. 220. [2] Flückiger, Pharmakognosie, 2. Aufl., Berlin 1883, S. 71. [3] Vogl, A., Kommentar, Wien 1892, Bd, 2, S. 455. [4] Thenius, G., Die Harze und ihre Produkte, deren Abdämmung, Gewinnung und Verwertung, Wien. [5] Oesterle, Harzindustrie im Südwesten von Frankreich, Bericht der Deutsch. Pharm. Gesellsch., Berlin 1901. [6] Tschirch, Die Harze und die Harzbehälter, Berlin 1900. [7] Tschirch u. Studer, Ueber das amerikanische Kolophonium, Archiv d. Pharm. 1903, Bd. 241, S. 496522. [8] Andres, Erwin, Die Fabrikation der Lacke, Firnisse und des Siegellackes, 3. Aufl., Wien.
T.F. Hanausek.
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