Firnisersatzmittel [2]

[227] Firnisersatzmittel. – Das hauptsächlichst verwendete Bindemittel für Körperfarben jeder Art, um Anstrichfarben herzustellen, war bisher stets Leinölfirnis, d.h. durch Behandlung mit verschiedenen Metallverbindungen in 12, höchstens 24 Stunden trocknend gemachtes Leinöl. Die mit diesem Material hergestellten Anstriche haben sich allseits am bellen bewährt, finden auch ausgedehnte Anwendung, sind aber mitunter zu hoch im Preise, so daß man nach Ersatzmitteln Umschau gehalten hat.

Schon Vorjahren hat man sogenannte Verschnittfirnisse hergestellt, d.h. guten Leinölfirnis mit wohlfeileren pflanzlichen Oelen, mit Harz- und Mineralölen in bestimmten Verhältnissen vermengt und Anstrichöle erhalten, die naturgemäß hinter den reinen Leinölfirnissen zurückstehen mußten. Auch andere trocknende Oele hatte man herangezogen, wie Hanföl, Sonnenblumenöl, Safloröl, Zeder(Zirbel)nußöl, sofern ihr Preis entsprach. In Amerika soll Maisöl vielfach bei der Herstellung von Oelfarben dienen, und es wird demselben nachgerühmt, daß es gegenüber den Leinölfirnisfarben sogar Vorzüge aufweisen soll. Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß man in Europa beispielsweise Leindotteröl recht gut als Mischöl für Leinölfirnisse verwenden kann, denn selbst ziemlich große Mengen desselben setzen die Trockenfähigkeit eines gut trocknenden Leinölfirnisses nicht wesentlich herab. Auch stehen Trane der Meersäugetiere zu Gebote, die sich da und dort bewährt haben, aber es muß betont werden, daß Mischungen von Leinölfirnis mit irgendwelchen Oelen nicht den Namen Ersatzmittel verdienen, sie sind einfach verfälschte Leinölfirnisse. Man sollte die Bezeichnung ... ersatz überhaupt ausmerzen und an dessen Stelle für minderwertige, verschnittene und verfälschte Produkte einfach die Bezeichnung »Anstrichöl oder Farbenöl« setzen; da wird niemand irregeführt, und es steht jedermann frei, ein Erzeugnis auf den Markt zu bringen, dessen Zusammensetzung in keiner Weise eingeschränkt ist. Man hat sich vielfach bemüht, aus Kolophonium und trocknenden und nicht trocknenden vegetabilischen Harz- und Mineralölen, Tranen u.s.w. Anstrichöle darzustellen, die aber stets die gleichen Fehler aufweisen: sie trocknen zwar verhältnismäßig gut, lassen sich aber zumeist mit Körperfarben, die freies Zink- oder Bleioxyd enthalten, nicht zu brauchbaren Anstrichfarben vermischen, und sie verlieren schon nach verhältnismäßig kurzer Zeit unter dem[227] Einfluß der Atmosphärilien ihren Glanz und die Widerstandsfähigkeit. Mit dem fühlbar gewordenen Mangel an Kolophonium aber trat an dessen Stelle das Kumaronharz, und bei fehlenden anderen Oelen löste man dieses nur in flüchtigen Lösungsmitteln, erhielt also eine einfache Harzlösung, die schlecht trocknete und keinerlei Beständigkeit gegen die Einflüsse der Atmosphärilien aufweisen konnte. Nach dem derzeitigen Stande kann mit voller Sicherheit angeführt werden, daß es zurzeit noch keine brauchbaren Ersatzmittel für Leinölfirnisse gibt und wohl auch nie geben wird, wenn es nicht gelingt, synthetische Produkte zu erfinden, die vegetabilische Oele voll und ganz zu ersetzen vermögen. Die Ansprüche, die an ein brauchbares Farben- oder Anstrichöl zu stellen sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Konsistenz wie Leinölfirnis, durch angemessene Mengen Verdünnungsmittel leicht zu erfüllen; 2. möglichst helle Färbung, abhängig von dem verwendeten Harz, der Temperatur, dem Trockenmittel und der Färbung des beigegebenen Oeles; 3. absolute Klarheit, von der richtigen Verkochung der Bestandteile abhängig; 4. leichte Streichbarkeit, bedingt durch die Konsistenz und die Art des Verdünnungsmittels; 5. entsprechend schnelles Trocknen, über welches Anhaltspunkte fehlen, und das durch Anstrichproben auf Glas erprobt werden muß; 6. Vermeidung eines allzu unangenehmen Geruches, der sich dadurch regeln läßt, daß man an Stelle verschiedener Steinkohlenteer-, Braunkohlenteer- und Petroleumkohlenwasserstoffe Kienöl verwendet; 7. Haltbarkeit der Flüssigkeiten durch Monate, 8. Haltbarkeit der Anstrichöle in Vermischung mit Bleiweiß, Bleimennige und Zinkweiß, und endlich 9. genügende Widerstandsfähigkeit gegen die Atmosphärilien, derart, daß die Schichten sich nicht nach Ablauf von 6 Wochen als weißes Mehl mit dem Finger abreiben lassen.

Andés.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1920., S. 227-228.
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