Linoleum [1]

[168] Linoleum, Material zum Belegen von Fußböden und Verkleiden von Wänden (Linkrusta).

Es hat einen Vorläufer im Kamptulikon (s.d.), einem Gemenge von Kautschuk und gemahlenem Kork mit Kopalfirnis (Galloway 1844, Henry Purser, Preis pro Quadratmeter 5–6 ℳ.); 1863 wurde dem Engländer Frederick Walton ein Verfahren zur Herstellung einer im wesentlichen aus oxydiertem Leinöl, Korkmehl, Harz und Farbstoff bestehenden Masse patentiert, welche in Staines bei London im gleichen Jahre erstmals fabrikmäßig dargestellt worden ist. Es war dies die erste Linoleumfabrik. Mehrere weitere Fabrikationsverfahren tauchten späterhin auf; aber nur das Taylor-Pernacottesche konnte sich neben dem Waltonschen halten. Die Rohmaterialien zur Linoleumbereitung sind bei beiden Verfahren Leinöl, Korkmehl, Kopal und andre Harze, Erdfarbstoffe und Jute; sie unterscheiden sich nur durch die Art der Leinöloxydation: nach Walton dauert die Oxydation des Leinöls zu Linoxyn 5–6 Monate, nach Taylor nur wenige Stunden. Das erstere Verfahren liefert die bessere Ware und wird vorgezogen.

Zur Herstellung des Linoleums wird das Leinöl durch Behandeln mit konzentrierter Schwefelsäure in mit Blei ausgeschlagenen Bottichen, »raffiniert«; Pflanzenschleim und dergleichen Verunreinigungen werden durch die konzentrierte Schwefelsäure verkohlt und scheiden sich mit der Säure ab. Die Säure wird sodann abgelassen und das Leinöl gründlich mit Wasser gewaschen zur Entfernung jeglicher Spuren von Säure. Das raffinierte Leinöl wird gekocht und in Tanks verbracht, welche sich bei den Oxydierhäusern befinden. Die Oxydierhäuser sind große luftige, heizbare Schuppen mit großen Fenstern oder mit Glaswänden, in welchen bei großen Betrieben Tausende ca. 90 cm breite und gegen 7 m lange Baumwollbänder (Netze) eng nebeneinander aufgespannt sind. Ueber diese Gewebe läßt man alle 24 Stunden das gekochte Leinöl laufen. Es fließt langsam über die Bänder herunter und hat so Gelegenheit, sich unter dem Einfluß der Luft und des Lichts sowie einer Wärme von ca. 30° C. zu oxydieren. Die Leinölsäure (Linolsäure) C16H28O2 geht zunächst in Linoxynsäure C16H28O6 und dann in eine höhere Oxydationsstufe, in das Linoxyn C32H54O11, über. Die Oxydierhäuser sind von außen bedienbar eingerichtet, um die Arbeiter gegen die bei der Oxydation entstehenden giftigen und übelriechenden Gase und Dämpfe zu schützen (unter anderm bilden sich Kohlensäure, Ameisensäure und Essigsäure). Die Gewebe werden durch neue ersetzt, wenn die Linoxynschicht auf beiden Seiten etwa 3 cm dick geworden ist, ungefähr alle 5–6 Monate. Das Linoxyn, welches, so gewonnen, eine elastische Masse in Form von Platten darstellt, wird nun im sogenannten Zementierhaus gemahlen bezw. zerquetscht und in Dampftöpfen mit Kaurikopal, Gummikopal oder andern Harzen zusammengekocht und geschmolzen. Das Produkt, eine zähe braune Masse, nennt man Linoleumzement. Letzterer wird etwa zu gleichen Teilen mittels etagenförmig angeordneter geheizter Mischmaschinen mit Korkmehl und der gewünschten Farbe zusammengemischt. Das Produkt ist die fertige Linoleummasse. Helle Farbtöne erzielt man durch Zusatz von Holzmehl. Die Masse wird alsdann auf Jutegewebe aufgepreßt. Dies geschieht mittels verstellbarer bis auf etwa 150° erhitzten Walzen (Kalander); auf kleinen Walzen werden die so erzielten Platten verschiedener Dicke noch geglättet (Polierwalzen), mittels Kühlwalzen abgekühlt und die Unterseite durch Farbwalzen mit dem meist roten eintönigen Firnisanstrich versehen.

Das fertige Linoleum wird entweder einfarbig belassen (Unilinoleum) oder es werden Farbmuster daraufgedruckt. Das sogenannte Granitlinoleum wird für die hellen Sorten[168] unter Zusatz von Holzmehl durch Mischen von zwei verschieden gefärbten Linoleumzementen hergestellt. Beim Moirélinoleum der Hansawerke zu Delmenhorst [2] werden in die gekörnte Deckmasse längliche Adern aus anders gefärbter Masse eingestreut und dann gepreßt. Inlaidlinoleum ist ein durchmustertes Linoleum, d.h. die Muster gehen durch die ganze Linoleumschicht durch. Zur Herstellung von Inlaidlinoleum verwendet man verschiedenartigst gefärbte gepulverte Linoleummassen, welche auf die Jutebänder mit Hilfe von Schablonen von Hand aufgetragen und mit hydraulischen Pressen aufgepreßt werden. Zur Erhöhung der Haltbarkeit und zur Erzielung eines größeren Glanzes werden die Stücke in einer zweiten Presse einem noch größeren Druck ausgesetzt und alsdann in die Trockenräume verbracht.

Das Taylor-Pernacottesche Verfahren zur Herstellung des Linoxyns beruht auf der Eindickung des gekochten Leinöls durch Zugabe von oxydierenden Substanzen und Einblasen von Luft oder Sauerstoff unter Benutzung einfacher maschineller Mittel. Die Oxydation des Leinöls erfolgt in wenigen Stunden, das erzielte Produkt ist aber geringwertiger; es läßt sich auch mit größeren Mengen Korkmehl vermischen. Billiger, aber auch weniger haltbar.

Der Preis des Linoleums schwankt zwischen 3,50–6 ℳ. pro Quadratmeter belegte Bodenfläche. – Lincrusta-Walton heißt man die in neuester Zeit weitverbreitete gepreßte Linoleumtapete, die zum Schütze ihres Grundgewebes gegen Feuchtigkeit entweder mit einer Rückendecke aus Leinwand oder besonderer Deckmasse versehen wird. Man verwendet das Fabrikat besonders dort, wo ein Abwaschen der Tapeten aus hygienischen Gründen wünschenswert erscheint.

Von großen Linoleumfabriken bei uns seien genannt die Hansafabrik zu Delmenhorst, die Bayrischen Linoleumwerke in Maximiliansau und die Germaniawerke in Bietigheim, ferner die Linoleumwerke zu Köpenick und Rixdorf. Maschinelle Einrichtungen liefert Fried. Krupp, Grusonwerk, Magdeburg-Buckau.


Literatur: [1] Fischer, H., Geschichte, Eigenschaften und Fabrikation des Linoleums. Leipzig 1888. – [2] Limmer, Ueber Linoleum, seine Bereitung und Verwendung, Zeitschrift für angewandte Chemie 1907, S. 1349. – [3] Bareiß, Gewerbeblatt aus Württemberg 1906, S. 179; Andés, Die Fabrikation des Linoleums, Wien 1895; Kaufmann, Anleitung zur Darstellung und Behandlung von Linoleum, 2. Aufl., Würzburg 1902.

Bujard.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 6 Stuttgart, Leipzig 1908., S. 168-169.
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