[18] Abdampfen (Verdampfen, Abrauchen, Einengen, Verdunsten, Evaporieren), die Verflüchtigung eines Lösungsmittels, um eine konzentriertere Lösung oder den gelösten Körper in fester Form zu erhalten. Aus wässerigen Lösungen verdunstet das Wasser beim Stehen an freier Luft um so langsamer, je kleiner die Oberfläche der Lösung, je feuchter die Luft, je niedriger die Temperatur ist, und je unvollständiger die an der Oberfläche der Lösung gebildeten Wasserdämpfe durch Luftzug fortgeschafft werden. Man gießt daher, um die Verdunstung zu beschleunigen, die Lösung in flache Gefäße oder breitet sie, wie in den Salzgärten, in denen Meerwasser verdunstet, über sehr große Flächen aus. Auch erbaut man gegen den herrschenden Wind gerichtete Wände aus Dorngestrüpp (Gradierwerke) und läßt die zu verdunstende Lösung über diese Wände herabrinnen. Sie befeuchtet hierbei alle Zweige, erhält also eine sehr große Oberfläche, und der Wind, der die Wand durchweht, führt die gebildeten Dämpfe sehr schnell fort. Soll eine Flüssigkeit unter einer Glocke in einem Gefäß verdunsten, so saugt man mit Hilfe eines Aspirators einen Strom durch Chlorcalcium getrockneter Luft über den Flüssigkeitsspiegel hinweg. Stellt man mit der Flüssigkeit eine Schale mit konzentrierter Schwefelsäure oder mit Chlorcalcium unter die Glocke, so werden die gebildeten Dämpfe von den genannten hygroskopischen Substanzen sofort absorbiert werden (Fig. 1). Wesentlich beschleunigt wird die Verdunstung in einem solchen Exsikkator, wenn man die Luft unter der Glocke mit Hilfe einer Luftpumpe möglichst stark verdünnt.
Weitaus in den meisten Fällen verdampft man Lösungen bei erhöhter Temperatur, indem man sie in offenen Pfannen oder Kesseln durch eine unter diesen befindliche Feuerung erhitzt (Verdampfen mit Unterfeuer).
Eine für viele Zwecke geeignete Konstruktion dieser Art, die Bootpfanne, zeigt Fig. 2. Große Vorzüge bietet die Heizung mit gespanntem Dampf, den man in einen Mantel leitet, der den untern Teil der Pfanne umgibt, oder in ein Schlangenrohr, das in die Pfanne gelegt wird. Wetzels Verdampfpfanne (Fig. 3) besteht aus einer halbzylindrischen Pfanne mit Dampfmantel, in der ein aus Dampfleitungsröhren gebildeter zylindrischer Körper rotiert, auf dessen in der Luft befindlichen heißen Röhren die Verdampfung sehr schnell verläuft. Selbstverständlich muß man bei allen Verdampfpfannen für gute Ableitung der Dämpfe sorgen. Beschleunigt wird das Verdampfen nicht siedender Flüssigkeiten durch Rühren mit der Hand oder mittels eines Rührwerkes. Wo die Berührung mit heißen Feuerungsgasen nicht nachteilig ist, werden letztere direkt über die zu verdampfende Flüssigkeit in Flammöfen oder Pfannen hinweggeleitet (Verdampfen mit Oberfeuer).
Um gröbere Verunreinigung der Flüssigkeit zu vermeiden, wendet man Generatorgase an. Erträgt die zu verdampfende Flüssigkeit nicht die Siedetemperatur, oder soll das Anbrennen oder Spritzen vermieden werden, so erhitzt man sie meist in Bädern, besonders im Wasser- oder Dampfbad (s. Bad).
Mit großem Vorteil verdampft man Flüssigkeiten, die hohe Temperaturen oder die Einwirkung der Luft nicht ertragen, im luftverdünnten Raum. Die hierzu dienenden Vakuumapparate (Fig. 4) besitzen einen großen Hohlkörper a mit Dom b und Heizschlange c. Die aus dem Apparat entweichenden Wasserdämpfe gelangen durch das Rohr d in den Kondensator, wo sie durch kaltes Wasser, das aus dem ringsum durchlöcherten Rohr e einspritzt, verdichtet werden. Das gesamte Wasser wird durch eine [18] Luftpumpe, die mit dem Rohr f in Verbindung steht, fortgeschafft. Das Rohr g dient zur Füllung und h zur Entleerung des Apparats. Steigt bei zu lebhaftem Kochen die Flüssigkeit in den Kondensator über, so sammelt sie sich an dem äußern Rohr und kann bei i abgelassen werden.
Der aus einer verdampfenden Flüssigkeit sich entwickelnde Dampf entweicht gewöhnlich in die Luft; Rillieux schlug zuerst die Wiederbenutzung des Dampfes zum Verdampfen andrer Flüssigkeiten vor. Er konstruierte einen Apparat aus drei liegenden Zylindern, durch deren untere Hälfte Siederohre hindurchgingen.
In die Siederohre des ersten Zylinders wurde Dampf aus dem Dampfkessel geleitet, während der zweite und dritte Zylinder mit dem aus der im ersten Zylinder verdampfenden Flüssigkeit sich entwickelnden Dampf geheizt wurden. Eine Luftpumpe stellte ein Vakuum her, so daß der Siedepunkt der verdampfenden Flüssigkeit hinreichend erniedrigt wurde. Derartige Apparate fanden, wesentlich verbessert, seit 1850 besonders durch Tischbein und Robert in der Zuckerfabrikation Verbreitung. Bei Rittingers System ist eine Abdampfpfanne mit doppeltem Boden durch einen Deckel luftdicht verschlossen, und der über der Flüssigkeit befindliche Raum steht mit dem Raum im doppelten Boden durch Röhren in Verbindung, zwischen die eine doppelt wirkende Luftpumpe eingeschaltet ist.
Der ganze Apparat ist mit schlechten Wärmleitern umgeben und wird aus einem Dampfkessel mit Dampf gefüllt, bis die zu verdampfende Flüssigkeit die Temperatur dieses Dampfes angenommen hat. Dann treibt die Luftpumpe den Dampf aus dem Raum über der Flüssigkeit in den hohlen Boden, der Dampf über der Flüssigkeit wird also verdünnt, zwischen den Wänden des Doppelbodens erfolgt aber eine Verdichtung, und infolgedessen wird aus der Flüssigkeit lebhaft Dampf entwickelt, und ein Teil des im Doppelboden befindlichen Dampfes gibt seine gebundene Wärme durch den Pfannenboden an die Flüssigkeit ab und verdichtet sich dadurch zu Wasser. Die abgegebene Wärme aber dient zur weitern Entwickelung von Dampf aus der Flüssigkeit. Durch fortgesetzte Arbeit der Luftpumpe tritt ein gewisser Beharrungszustand ein, währenddessen sich ein konstanter Unterschied zwischen der Temperatur des im Bodenraum verdichteten Dampfes und jener der darüber befindlichen Flüssigkeit herstellt. Das diesem System zu Grunde liegende Prinzip ist durch Piccard weiter ausgebildet worden. Sollen beim A. die entweichenden Dämpfe wieder kondensiert werden, um das Lösungsmittel nicht verloren gehen zu lassen (bei alkoholischen, ätherischen Lösungen), so wird die Operation in Destillationsgefäßen ausgeführt, und das A. verwandelt sich in eine Destillation.
In den Abdampfapparaten kann die Arbeit intermittierend oder kontinuierlich betrieben werden. Im ersten Falle füllt man die Gefäße mit Flüssigkeit und erhitzt, bis die gewünschte Konzentration erreicht ist, bisweilen unter wiederholtem Nachfüllen von Flüssigkeit, um zuletzt eine vollständige Füllung des Gefäßes mit konzentrierter Flüssigkeit zu erreichen. Bei kontinuierlichem Betrieb dagegen fließt beständig konzentrierte Flüssigkeit ab, während frische an einer möglichst entfernten Stelle des Gefäßes zugeleitet wird. Diese Methode ist besonders bei sehr großen Pfannen anwendbar, in denen man durch Anbringung von Scheidewänden den von der Flüssigkeit zurückzulegenden Weg möglichst verlängert. Bei Benutzung kleinerer Pfannen werden mehrere zu einer Batterie vereinigt und terrassenförmig aufgestellt. Die schwache Flüssigkeit tritt in die eine am Ende der Batterie gelegene Pfanne ein und gelangt aus einer in die andre Pfanne, bis sie, hinreichend konzentriert, am andern Ende der Batterie abfließt. Dabei befindet sich die Feuerung unter der stärksten, resp. niedrigsten Pfanne, so daß die Feuerungsgase die Pfanne mit der frischen Beschickung zuletzt bestreichen.
Das beim Gradieren benutzte Prinzip wird auch für höhere Temperatur verwertet. Man läßt die zu verdampfende Flüssigkeit in einem Turm über Koks. Steingutscherben od. dgl. herabrieseln, so daß sie eine große Oberfläche erhält, und leitet heiße Luft in den untern Teil des Turmes. Der aufsteigende Luftstrom kommt dann der Flüssigkeit entgegen, und es wird eine sehr energische Verdampfung erzielt (Glover-Turm der Schwefelsäurefabriken). In einem andern Apparat (Ungerers Turm) hängen mehrere hundert Drahtseile oder Ketten von der Decke vertikal herab, und während die Flüssigkeit an diesen herabrinnt, steigen die Feuerungsgase in dem Turm auf.
Die Abdampfgefäße bestehen aus Metall (Eisen, Kupfer, Zinn, Blei, Silber, Platin), Glas oder Ton. Sie müssen mehr flach als tief sein, um die Dampfbildung zu befördern, und möglichst dünnwandig behufs leichterer Übertragung der Wärme auf die Flüssigkeit. In dieser Hinsicht sind Metallgefäße vorzuziehen, doch werden die Metalle (mit Ausnahme der kostbareren) von vielen Flüssigkeiten angegriffen.[19] Die Feuerung muß möglichst vollständige Verbrennung des Heizmaterials und möglichst vollständige Übertragung der Wärme auf die Flüssigkeit gestatten. 1 qm Kesselfläche liefert, wenn das Wasser im Kochen erhalten wird, etwa 0,5 kg Dampf in der Minute. Erfahrungsgemäß verdichtet 1 qm dünnes Kupferblech etwa 1,5 kg Dampf in der Minute, wenn der Temperaturunterschied zu beiden Seiten des Bleches 50° beträgt. Soll 1 qm Heizfläche 0,5 kg Dampf in der Minute liefern, so muß also die Differenz 16,66° betragen und, da das siedende Wasser 100° besitzt, der Dampf in der Dampfschlange 116,66° heiß sein, was einem Druck von 1,7 Atmosphäre entspricht. Wollte man mit Dampf von nur 108° arbeiten, so müßte man die Oberfläche der Dampfschlange auf 2 qm bringen. Sehr häufig benutzt man zum Heizen der Abdampfpfannen die heißen Gase (Abhitze), die aus andern Feuerungen, Öfen etc., entweichen, und zum Heizen von Dampfschlangen den Dampf, der in der Dampfmaschine bereits Dienste geleistet hat. Vgl. Jelinek, Über Verdampfapparate und Verdampfstationen (Prag 188283, 2 Tle.); Hausbrand, Verdampfen, Kondensieren und Kühlen (2. Aufl., Berl. 1900).
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