[84] Ackerkulte (Feldkulte), bei allen Ackerbau treibenden Völkern verbreitete religiöse oder abergläubische Gebräuche, die das Gedeihen der Feldfrucht sichern sollen. In Gegenden ohne Regenzeiten, Überschwemmungen etc. handelt es sich meist um die Verehrung einer Erdgöttin, welche die Saaten beschützt, und der Himmelsgötter, die ihr Wachstum begünstigen. Die[84] Griechen verehrten in der Demeter (Ceres der Römer) und ihrem Günstling Triptolemos die Bringer und Schützer des Ackerbaues, in der Persephone (Proserpina der Römer) die Ackerfrucht selbst, die zur Unterwelt hinabsteigt, um wieder neu emporzukommen. Die Römer verehrten nicht nur eine ganze Schar von Göttern und Göttinnen, die jeden einzelnen Wachstumsschritt des Getreides zu beschützen hatten, eine Seja für das begrabene Korn, eine Segetia für die Keimung, einen Nodotus für die Knotenbildung, eine Volutina und Patella für die Knospen- und Spelzenbildung, eine Lacturcia für die Samenbildung etc., sondern man suchte auch dem Getreide feindliche Gottheiten, wie die Rostgöttin Robigo, durch Opfer an bestimmten Tagen zu versöhnen. Die Priesterschaft (Arvalische Brüder, s. d.) suchte durch feierliche Umzüge und Weihen das Gedeihen der Feldfrucht zu sichern. Von diesen Umzügen haben sich bis jetzt deutliche Spuren in der Einsegnung der Felder und Feldfrüchte, in den Umgängen des Maikönigs (s. Maifest), in den Bittgängen zur Zeit der Dürre und Trockenheit, in den Zeremonien zur Fruchtbarmachung der Fel der und Weinberge (s. Sonnenkultus) und in der Einsegnung der Alpen (Alpenweihe) erhalten. Verschiedene dieser Gebräuche bei uns gehen auf das deutsche Heidentum zurück, in dem Thor, Freyr und verschiedene Göttinnen als Beschützer des Ackerbaues verehrt wurden und der Nerthus (Hertha) ähnliche Umzüge gewidmet waren. Auch Oster- und Johannisfeuer hatten deutliche Beziehung auf die Fruchtbarmachung der Felder und Beschützung der Haustiere. Nächstdem glauben Naturvölker, daß das Leben der Kulturpflanzen durch eine Art Dämon personifiziert werde. So verehrten die alten Peruaner eine Maismutter und eine Kartoffelmutter, denen sich bei uns eine Kornmutter oder Roggenmuhme an die Seite stellt, die im Felde schützend umgehen und in Peru wie im alten Deutschland bei der Ernte durch Puppen aus Mais- oder Roggenstroh dargestellt wurden. Diesen schützenden Gottheiten stellten sich feindliche entgegen, so der böse Feind der Bibel (Matth. 13,25), der Lolch (in Skandinavien »Lokis Hafer«) unter das Getreide sät, in Rom der Dornengott (Deus spiniensis) und die Robigo, die Disteln und Brand schickten, und bei den germanischen Stämmen der Roggenhund oder Roggenwolf, Bilwitz, Bilmes-, Binsen- oder Bilsenschnitter, Tauschlepper etc. Den Roggenwolf sehen die Landleute im Getreide gehen, wenn es im Winde Wellen schlägt und die Halme niedergeworfen werden, ihm schreibt man auch die Entstehung des Mutterkorns (Wolfszähne) zu. Der Bilwitz mäht mittels kleiner, an den Zehen befestigter Sicheln die besten Halme weg, und der Tauschlepper nimmt den Feldern in der trocknen Jahreszeit den Tau. Vgl. die Schriften von W. Mannhardt: Wald- und Feldkulte (Berl. 187577, 2 Bde.), Roggenwolf und Roggenhund (2. Aufl., Danzig 1866), Die Korndämonen (Berl. 1868), Mythologische Forschungen (Straßb. 1884); Pfannenschmid, Germanische Erntefeste (Hannov. 1878); Jahn, Die deutschen Opfergebräuche bei Ackerbau und Viehzucht (Bresl. 1884).