Alărich

[253] Alărich, 1) A. I., Häuptling der Westgoten, (angeblich) aus dem Geschlechte der Balten, geboren jenseit der Donau um 370 n. Chr., gest. 410, arianischer Christ, führte die Westgoten im Winter 395 durch Thrakien gegen Konstantinopel, dann durch den Engpaß von Thermopylä nach Griechenland. Athen wurde geplündert, Korinth verbrannt und die Peloponnes verwüstet. Der Oberfeldherr des weströmischen Reiches, Stilicho, nötigte ihn endlich, indem er bei Korinth landete und ihn nach Arkadien und Elis drängte, zum Rückzug nach Epirus. Daraufhin ernannte der oströmische Kaiser Arcadius 396 A. zum Statthalter von Illyrien (magister militum per Illyricum). Am 18. Nov. 401 fiel A. in Oberitalien ein, belagerte Aquileja, machte Ende Februar 402 bereits die Umgebung von Mailand unsicher, belagerte vergeblich Ravenna und erlitt bei Hasta eine Schlappe. Von Stilichos Unterfeldherrn Saulus wurde A. 6. April 402 (Ostersonntag) bei Pollentia und kurz danach bei Verona geschlagen, worauf er über die Julischen Alpen nach Illyrien entkam. Zur Ausführung seiner illyrischen Pläne gegen Byzanz zog Stilicho 405 A. durch Überlassung von Illyrien auf seine Seite; 407 erzwang sich A. von Noricum aus eine Zahlung von 31/2 Mill. Mk. Als der Hof zu Ravenna jedoch nach Stilichos Ermordung (23. Aug. 408) andre Saiten auszog, brach A., dem es hauptsächlich um die Anerkennung der reich dotierten Würde eines Magister militum zu tun war, von neuem in Italien ein und zog im Winter 408 vor Rom; durch ungeheure Kontributionen erkaufte die belagerte Stadt Schonung. Als sich aber die mit Kaiser Honorius angeknüpften Unterhandlungen zerschlugen, erschien A. 409 wieder vor Rom, dem er durch Einnahme Ostias die Zufuhr abschnitt, und setzte den bisher heidnischen, nunmehr arianischen Stadtpräfekten Priscus Attalus als Gegenkaiser ein; dieser ernannte A. zum Magister utriusque militiae und dessen Schwager Ataulf (s. d.) zum Comes domesticorum equitum. Als aber A. mit Attalus bald zerfiel, entthronte er ihn (Sommer 410), verhandelte ergebnislos mit Honorius und erschien schließlich zum drittenmal vor Rom; die Tore der Stadt wurden in der Nacht des 14. Aug. durch Sklaven der frommen Proba geöffnet, und die Goten drangen ein; nun erfolgte eine dreitägige, von Brand und Mord begleitete Plünderung.[253] A. zog dann nach Kampanien, verwüstete Nola und ging nach Unteritalien, von wo aus er Sizilien und Afrika erobern wollte. Unter Vorbereitungen zu diesem Zug starb er 410 in Consentia (Cosenza); der Sage nach bestatteten ihn die Goten im Bette des abgeleiteten Flusses Busento. Sein Nachfolger als König der Westgoten war Ataulf. Vgl. Köpke, Die Anfänge des Königtums bei den Goten (Berl. 1859); Simonis, Versuch einer Geschichte des A. (Götting. 1858); Riegel, A. der Balte (Offenburg 1871); Eicken, Der Kampf der Westgoten und Römer unter A. (Leipz. 1876); R. Keller, Stilicho (Berl. 1884).

2) A. II., Sohn Eurichs und der Ragnachild, 485 bis 507 König des westgotischen Reiches, wurde, obwohl er den 486 nach Toulouse geflüchteten römischen Statthalter Syagrius dem Frankenkönig Chlodwig ausgeliefert hatte und seine katholischen Untertanen unter anderm durch die Lex Romana Visigothorum vom 2. Febr. 506 (»Breviarium Alarici«; galt noch lange in Südfrankreich) zu gewinnen bemüht war, 507 von diesem angegriffen und bei Vouglé in der Nähe von Poitiers besiegt und getötet. Mit seinem und der ostgotischen Königstochter Thiudigotho Sohn Amalarich, für den bis 526 sein Großvater Theoderich d. Gr. regierte, und der dann durch seine Vermählung mit Chlodwigs Tochter Chlotchildis die Einmischung der katholischen Franken unter Childebert heraufbeschwor (Schlacht bei Narbonne), erlosch 531 (zu Barcelona) das Geschlecht der Balten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 253-254.
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