Apponyi

[637] Apponyi (spr. -nji), altes ungar. Adelsgeschlecht, führte ursprünglich den Namen »Péch« und nannte sich seit Ende des 14. Jahrh. A. nach der damals erworbenen Herrschaft Appony im Neutraer Komitat. Freiherr Lazar von A. wurde 1739 in den erblichen Grafenstand erhoben. Von geschichtlicher Bedeutung sind: 1) Anton Georg, Graf, geb. 4. Dez. 1751, gest. 17. Mai 1817, trat in den Staatsdienst, wurde Obergespan des Tolnaer Komitats und machte sich namentlich durch die Begründung der Apponyischen Bibliothek verdient, die fast 50,000 Bände (darunter viele Aldinen) zählt und 1827 von Wien nach Preßburg, später nach dem Kastell Kis Appony (Neutraer Komitat) gebracht wurde. – Sein ältester Sohn, Anton, geb. 7. Dez. 1782, gest. 17. Okt. 1852, war Botschafter in London, Rom, Paris (bis 1849).

2) Georg, Graf, der zweite Sohn Anton Georgs, geb. 29. Dez. 1808, gest. 1. März 1899 auf seinem Gut Eberhard bei Preßburg, war Konzipist, dann Sekretär der ungarischen Hofkanzlei. Seit 1843 trat er als Politiker in den Vordergrund. Als Hofkanzler und schon seit 1844 Führer der konservativ-aristokratischen Partei, bekämpfte A. alle national-ungarischen Reformbestrebungen und erregte durch sein System der Komitatsadministratoren einen gewaltigen Sturm. Trotzdem siegte die Opposition in den Wahlen, und als A. nun sich selbst an die Reformen heranwagte, begegnete er allgemeinem Mißtrauen. Die Februarrevolution machte allem ein Ende. Er wurde seines Postens enthoben, lebte fortan zurückgezogen, bis er 1859 als lebenslängliches Mitglied in den verstärkten Reichsrat zu Wien berufen ward. Hier verfocht er die Selbständigkeit Ungarns und ward bald ein einflußreicher Führer der nationalen konservativen Partei. Am 20. Okt. 1860 zum Judex curiae ernannt, präsidierte er den Konferenzen zur Reorganisation der ungarischen Rechtspflege. Als bevollmächtigter Kommissar eröffnete er 6. April 1861 den Landtag in Ofen und führte das Präsidium im Oberhaus. Nach Auflösung des Landtags (21. Aug.) wirkte er noch im ausgleichfreundlichen Sinne fort; da aber sein Memorandum in Wien beiseite gelegt wurde, so legte er 1863 sein Amt nieder. Er nahm noch am Reichstage von 1865, später an den Sitzungen des Oberhauses teil.

3) Albert, Graf, ungar. Politiker, Sohn des vorigen, geb. 29. Mai 1846 in Wien, wurde im Jesuitenkollegium Kalksburg erzogen, studierte dann die Rechte in Wien und Pest, machte nach 1868 längere Reisen, namentlich in Deutschland und Frankreich, und wurde 1872 in das ungarische Abgeordnetenhaus gewählt, dem er mit einer Unterbrechung von 2 Jahren seit 1877 angehört. Hier zeichnete er sich bald durch eine ungewöhnliche Rednergabe aus: er ist heute unbestritten der vorzüglichste Sprecher und in jeder Beziehung eins der hervorragendsten Mitglieder des ungarischen Parlaments. Anfangs gehörte er der konservativen Partei des Barons P. Sennyey an, ging nach dessen Rücktritt zur vereinigten Opposition über und wurde 1878 der gefeierte Führer der sogen. Nationalpartei (s. d.), die insbesondere gelegentlich der Wehrgesetzdebatte (Anfang 1889) gegen das Kabinett Tisza einen rücksichtslosen Kampf führte. Dem Kabinett Szapáry (1890–92) gegenüber beobachtete A. anfänglich eine wohlwollende Neutralität und unterstützte dessen Vorlage behufs Verstaatlichung der Verwaltung. Die vom Kabinett Wekerle (1892 bis 1894) geplante Einführung der Zivilehe billigte er prinzipiell, verwarf aber deren obligatorische Form. Dem Ministerpräsidenten Bánffy gegenüber, der die Nationalpartei in den Wahlen (1896) stark schmälerte, trat A. gleichfalls heftig entgegen. Aber erst Ende 1898 kam es zur Obstruktion der zum Sturtze Bánffys sich vereinigenden Opposition. Als dann Bánffys Nachfolger, K. Széll, in seiner Programmrede »Recht, Gesetz und Gerechtigkeit« hochzuhalten versprach und sich für die Verwirklichung der mit der Opposition vereinbarten Bedingungen (insbes. für reine Wahlen) verbürgte, trat A. 2. März 1899 mit seiner Partei vertrauensvoll in die Regierungspartei ein. Seit der Fusion trat er seltener als Redner auf. Im Oktober 1901 wurde er abermals zum Deputierten und beim Beginn der Session zum Präsidenten des Reichstags gewählt. A. machte sich um die Friedensliga verdient, tat sich auch als Schriftsteller hervor und ist seit 1898 Mitglied der ungarischen Akademie. Von seinen Reichstagsreden sind 2 Bände (Budapest 1896) im Druck erschienen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1905, S. 637.
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