Bretonische Sprache

[403] Bretonische Sprache und Literatur, Das Bretonische (franz. bas breton), auch Aremorisch genannt, in der Niederbretagne bildet zusammen mit dem »Welsh« in Wales und dem im 18. Jahrh. ausgestorbenen »Cornish« in Cornwallis die britannische Gruppe der keltischen Sprachen. Die bretonische Sprache ist kein Überrest aus der gallischen Zeit, sondern wurde von keltischen Auswanderern aus England, die vor den Angelsachsen flüchteten, im 4.–6. Jahrh. nach Frankreich verpflanzt. Heutzutage wird die bretonische Sprache in den Departements Finistère, Cotes-du-Nord und Morbihan noch etwa von 1.240,000 Menschen gesprochen, wovon aber über 1/2 Million auch Französisch verstehen; sie zerfällt in mehrere Dialekte. Eine grammatische und lexikalische Darstellung des Dialekts von Léon lieferte Le Gonidec (3. Aufl., St.-Brieuc 1847–50), ein gutes Handwörterbuch Troude (Brest 1869–76), ein »Vocabulaire vieux-breton« Loth (Par. 1884). Viele auf die b. S. u. L. bezügliche Artikel enthalten die beiden Pariser Zeitschriften »Revue Celtique« und »Mémoires de la Société de linguistique«.[403]

Die ältesten Überreste der bretonischen Literatur gehören schon dem frühern Mittelalter an, bestehen aber ausschließlich in Glossen zu lateinischen Dichtern, Grammatikern u. dgl. Gleichzeitig müssen sich auch die aus England mitgebrachten Sagen lebendig erhalten haben, namentlich der Sagenkreis vom König Artur und seiner Tafelrunde, welchen dann die französischen Trouvères übernahmen und im Geiste des mittelalterlichen Rittertums umbildeten. Doch ist von dieser altbretonischen Poesie nichts bis auf die Gegenwart gekommen, und die mittelbretonischen Dichtungen gehen vielmehr ihrerseits auf französische Vorbilder zurück. Dieselben behandeln teils geistliche Stoffe, wie die beiden Mysterien: »Vie de Sainte Nonne« (Ausg. von Le Gonidec, Par. 1837) und »Jésus« (Ausg. von La Villemarqué, 2. Aufl., das. 1866), teils beziehen sie sich auf die weltliche Sage und Geschichte. Die Pariser Nationalbibliothek besitzt eine Sammlung von 100 Handschriften solcher Stücke, die z. T. erst in neuester Zeit abgefaßt oder umgedichtet wurden und noch jetzt hier und da in der Bretagne zur Ausführung gelangen. Auch die in neuerer Zeit viel beachteten Volkslieder, Märchen und Legenden atmen noch ganz den Geist des christlichen Mittelalters, dagegen enthalten sie keine Überreste aus der altkeltischen Epoche. Sammlungen bretonischer Volkslieder etc. gaben heraus La Villemarqué in »Barzas Breis« (6. Aufl., Par. 1867; deutsch von Moritz Hartmann und Pfau: »Bretonische Volkslieder«, Köln 1859), zuverlässiger aber Luzel in »Gwerziou Breiz-Izel« (Par. 1868–74, 2 Bde.), »Contes bretons« (Quimperlé 1870), »Veillées bretonnes« (Par. 1879), »Soniou Breiz-Izel« (das. 1890, 2 Bde.) und Quellien in »Chansons et danses des Bretons« (das. 1889). Vgl. ferner die Zeitschrift »Mélusine« und Rousse, La poésie bretonne an XIX. siècle (Par. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 403-404.
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