Carpzov

[776] Carpzov, Name einer im Gebiete der juristischen und theologischen Wissenschaft ausgezeichneten, die einstige Allianz beider Wissenschaften und ihre Früchte typisch vertretenden Familie, die ursprünglich aus Spanien (Carpezana) stammte, aber schon 1282 im Besitz des brandenburgischen Gutes C. unweit Tremmen war. Stammvater der Gelehrten dieses Namens in Deutschland ist Simon C., um die Mitte des 16. Jahrh. Bürgermeister in der Neustadt Brandenburg. Sein Sohn Joachimv. C. zeichnete sich im Dreißigjährigen Krieg aus und starb als Generalfeldzeugmeister des Königs von Dänemark 1628 in Glückstadt. Dessen Bruder Benedikt C., geb. 22. Okt. 1565 in Brandenburg, seit 1595 Professor der Rechte zu Wittenberg, starb 26. Nov. 1624. Sein Sohn Benedikt C., geb. 27. Mai 1595 in Wittenberg, wurde 1645 Professor der Rechte in Leipzig, 1653 kursächsischer Geheimrat in Dresden, von wo er jedoch später wieder nach Leipzig zurückkehrte; starb 30. Aug. 1666. C. hat (nach dem »Thesaurus rer. publ.«, IV, 816) bei 20,000 Todesurteilen, meist in Hexenprozessen, mitgewirkt. Dabei rühmte er sich, die Bibel 53 mal ganz durchgelesen zu haben. Seine Schriften haben einst[776] einen außerordentlichen Einfluß auf die Rechtspflege ausgeübt. Zugleich ist er durch seine »Jurisprudentia ecclesiastica« (Leipz. 1649) ein Hauptbegründer des Episkopalsystems geworden. Sein Bruder Johann Benedikt C., geb. 22. Juni 1607 in Rochlitz, seit 1633 Pastor in Meuselwitz, starb als Professor der Theologie 22. Okt. 1657 in Leipzig. Er begründete die Disziplin der Symbolik durch sein nachgelassenes Werk »Isagoge in libros ecclesiarum Lutheranarum symbolicos etc.« (Leipz. 1665). Drei seiner Söhne machten sich einen Namen: Johann Benedikt C., Theolog und Orientalist, geb. 24. April 1639 in Leipzig, ward 1662 Prediger daselbst, 1668 Professor der orientalischen Sprachen und seit 1684 der Theologie, starb 23. März 1699, machte sich durch seinen Kampf gegen die Pietisten und hauptsächlich dadurch bekannt, daß er die Collegia philobiblica unterdrückte; August Benedikt C., geb. 2. Nov. 1644 in Leipzig, starb daselbst als Professor der Rechte 4. März 1708, schrieb über Zivilrecht; Samuel Benedikt C., Theolog, geb. 17. Jan. 1647 in Leipzig, ward 1671 Professor der Dichtkunst in Wittenberg, 1674 Hofprediger, 1692 Oberhofprediger zu Dresden; starb daselbst 31. Aug. 1707. Sein Sohn Johann Gottlieb C., der gelehrteste unter den Theologen aus dieser Familie, geb. 20. Sept. 1679 in Dresden, besuchte als Reiseprediger des polnisch-sächsischen Gesandten England und Holland, wurde 1719 Professor der orientalischen Sprachen in Leipzig, 1730 Superintendent zu Lübeck; starb 7. April 1767. Gegen Richard Simon und Clericus schrieb er als Anwalt der Inspiration seine »Introductio in libros canonicos bibliorum Veteris Testamenti omnes« (Leipz. 1721) und »Critica sacra Veteris Testamenti« (das. 1728). – Friedrich Benedikt C., Enkel des Oberhofpredigers Samuel Benedikt C. und Sohn des 1739 als Kreisamtmann zu Wittenberg verstorbenen Johann Benedikt C., geb. 21. Okt. 1702 in Zittau, starb als Professor des Natur- und Völkerrechts 1744 in Wittenberg. – Johann Benedikt C., Sohn des gleichnamigen, 1670 gebornen Leipziger Hospitalpredigers und außerordentlichen Professors der hebräischen Sprache und Enkel des 1699 verstorbenen Professors der Theologie, Joh. Benedikt C., geb. 20. Mai 1720 in Leipzig, wurde 1747 Professor der Philosophie daselbst, 1748 Professor der griechischen Sprache und 1749 auch der Theologie zu Helmstedt, 1759 Abt zu Königslutter; starb 28. April 1803, nachdem er die angeerbte Orthodoxie und lateinische Gelehrsamkeit der Vorfahren bis ins 19. Jahrhundert herein erhalten hatte.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1905, S. 776-777.
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