Carpzov

[709] Carpzov, gelehrte Familie, spanischen Ursprungs (Carpezano), verließ wegen Religionsverfolgungen im 16. Jahrh. Spanien. Merkwürdig: 1) Simon, Stammvater dieser Familie in Deutschland, war um 1550 Bürgermeister der Neustadt Brandenburg. 2) (Carpezan, auch Carpensonius), Joachim, Sohn des Vorigen, geb. in Brandenburg, trat 1618 als Offizier in Dienste des Grafen von Mansfeld, wohnte der Belagerung der Stadt Pilsen bei, wurde 1620 von den Kaiserlichen gefangen, machte dann Mansfelds Feldzüge in Deutschland u. den Niederlanden mit, begleitete ihn nach Siebenbürgen zu Bethlen Gabor, übernahm nach dessen Abreise nach Venedig den Oberbefehl über die Truppen, führte sie durch den Jablonkapaß nach Schlesien u. bemächtigte sich Kosels, das ihm aber die Osterreicher wieder entrissen. Hierauf ging er zum König Christian IV. von Dänemark, der ihn zum Generalfeldzeugmeister ernannte, u. st. 1628 in Glückstadt. 3) Benedict, Bruder des Vor., geb. 1565 in Brandenburg, war Professor der Rechte in Wittenberg, 1602–23 Kanzler u. nachher Appellationsrath in Dresden; er st., nach Wittenberg zurückgekehrt, 1624 daselbst 4) Benedict, Sohn des Vor., geb. 27. Mai 1595 in Wittenberg, wurde 1620 Assessor des Schöppenstuhls in Leipzig, 1636 Assessor im dasigen Oberhofgericht, 1639 Rath u. 1644 Hofrath in Dresden, kehrte aber bald als Professor der Rechte nach Leipzig zurück, ging 1653 als geheimer [709] Rath abermals nach Dresden, nahm aber 1661 wieder in Leipzig seine alte Stelle im Schöppenstuhl ein u. st. 30. Aug. 1666. Er galt als der größte Rechtsgelehrte seiner Zeit. Er schr. u.a.: Practica nova rerum criminal., Wittenb. 1635, Fol., 7. A. Lpz. 1739; von Böhmer, Frkf. 1758, 5 Bde.; De capitulatione Caesarea, Erf. 1623; Decisiones illustres Saxoniae, Lpz. 1646, Fol., n. A. 1733; Jurisprudentia eccles., Hanau 1652, n. A., Dresd. 1723, Fol.; Responsa jur. elector., Lpz. 1646, Fol., u. Aufl. 1709; Processus jur. saxonici, Jena 1657, Fol., u. Aufl. 1708; Definitiones forenses, Lpz. 1668, Fol., u. Aufl. als Jurisprudentia forensis rom. sax., von Mylius, 1721; Disputationes jurid., ebd. 1710; Repertorium operum omn., von Moller, ebd. 1676. 5) Joh. Ben., Bruder des Vorigen, geb. 1607 in Rochlitz, war seit 1633 Pastor in Meuselwitz, wurde dann Archidiakonus u. Professor der Theologie in Leipzig u. st. 1657. Er schr.: De Ninivitarum poenitentia, Lpz. 1640; Introductio in theologiam judaicam; Systema theologiae, Lpz. 1653, 2 Bde. u.a.m. 6) Joh. Ben., Sohn des Vorigen, geb. 1639 in Leipzig, wo er Professor der Theologie u. Orientalischen Sprachen u. Pastor an der Thomaskirche war, u. st. 1699; er war Gegner der Pietisten, unterdrückte die Collegia philobiblica u. vertrieb Francke, Anton u. Schude aus Leipzig, eiferte auch gegen Spener. Er war berühmt als Orientalist u. schr. u.a.: Collegium rabbinico-biblicum in libellum Ruth, 1703; gab Raymund Martins Pugio fidei (Lpz. 1687), Lightfoots Horae talmudicae u. Schickhards Jus regium Hebraeorum (1674) heraus. 7) Samuel Ben., Bruder des Vorigen, geb. 1647, studirte in Leipzig u. Wittenberg Theologie, wurde 1670 Professor der Poetik an letzterem Orte, 1674 Hofprediger u. 1692 Oberhofprediger in Dresden u. st. 1707. Er war, wie sein Bruder, ein Gegner Speners, u. schr. u.a.: Examen novae praxeos orthodoxam fidem discernendi et amplectendi a. J. Masenio propositae, Wittenb. 1677. 8) Joh. Ben., Neffe des Vorigen, geb. 1675 in Dresden, war Kreisamtmann in Wittenberg u. st. 1739. Er gab heraus: Neueröffneter Ehrentempel merkwürdiger Antiquitäten des Markgrafthums Oberlausitz, Bautzen 1719; 9) Joh. Gottl., Sohn von C. 7), geb. 1679 in Dresden, wurde 1702 Reiseprediger des kursächsischen Gesandten Bose, mit dem er England u. Holland durchreiste, 1704 Diakonus in Dresden, 1708 an der Thomaskirche in Leipzig, 1713 außerordentlicher Professor der Theologie, 1719 Professor der Hebräischen Sprache u. ging 1730 als Superintendent nach Lübeck, wo er 7. April 1767 st. Er schr.: Introductio in libros canon. Vet. Test., Lpz. 1721, 3. A. 1757; Critica sacra Vet. Test., ebd. 1728, 3 Thle. (englisch 1729); Apparatus historico-criticus antiquitatum Codicis sacri et gentis Hebraeae, ebd. 1748. 10) Joh. Benedict, Bruder des Vorigen, geb. 1720 in Leipzig, wurde 1747 Professor der Philosophie daselbst, 1748 der Poesie u. griechischen Sprache in Helmstädt, 1749 auch Professor der Theologie u. 1759 Abt zu Königslutter, u. st. 1803. Er schr.: Observ. philos. in Palaephatum, Musaeum et Achillem Tatium, Lpz. 1743; De Saxone Grammatico, ebd. 1762; Liber doctrinalis theologiae purioris, Braunschweig 1768; Epistolarum catholicarum Septenarius gr. (mit lat. Übersetzung u. Commentar), Halle 1790; u. gab die Todtengespräche Lucians, Helmst. 1773 u.a. heraus.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 3. Altenburg 1857, S. 709-710.
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