Fliegen [2]

[692] Fliegen, Insektenordnung, soviel wie Zweiflügler (Diptera), dann eine Gruppe (Brachycera) dieser Ordnung und in noch engerm Sinne die arten- und formreichste Familie dieser Gruppe (Muscidae), überwiegend nützliche Tiere mit dreigliederigen Fühlern, deren Endglied gewöhnlich zusammengedrückt ist, meist mit fleischigen Endlippen versehenem Rüssel, ungegliederten Tastern und häufig stark entwickelten, die Schwinger überdachenden Flügelschuppen. Die Larven, die teils parasitisch in andern Tieren, besonders Schmetterlingsraupen, teils in faulenden tierischen und pflanzlichen Stoffen leben und diese schnell beseitigen, sind walzig, die Puppen tonnen- oder eiförmig. Die Larven mancher Arten entwickeln sich äußerst schnell und werden z. T. schon als solche geboren. Daher sind viele Arten in sehr großer Individuenzahl und vom ersten Frühjahr bis spät in den Herbst anzutreffen. Man kennt allein in Europa über 250 Gattungen, von denen die wichtigsten sind: Raupenfliege (Tachina), Stechfliege (Stomoxys), Fliege (Musca), Fleischfliege (Sarcophaga), Blumenfliege (Anthomyia), Dungfliege (Scatophaga), Bohrfliege (Trypeta), Halmfliege (Chlorops), Buckelfliege (Phora). Die Schmeißfliege (Fleischfliege, Sarcophaga carnaria L.), 10–14 mm lang, Kopf glänzend gelblich, Hinterleib schwarz gewürfelt, Taster schwarz, Flügeladern braunschwarz, ist lebendig gebärend; die Larven nähren sich von faulenden tierischen Stoffen. Die Leichenfliege (S. mortuorum L.) mit rotgelben Tastern, Kopf und Fühler rotgelb, Hinterleib glänzend stahlblau, legt die Eier vorzugsweise an Aas, an menschliche Leichname (Leichenwürmer). Die Stechfliege (Wadenstecher, Stomoxys calcitrans L.), 6 mm lang, grau, Hinterleib schwarz gefleckt, Taster gelb, Rüssel wagerecht vorstehend, sticht Menschen und Vieh; im August und September auch in Zimmern. Die Larve lebt im Mist. Bei der Gattung Musca L. ist der Kopf kurz und breit, das Gesicht nicht hervortretend, das Endglied der Fühler langgestreckt, der Hinterleib kurz eiförmig; die Augen stoßen beim Männchen zusammen. Die Gattung ist durch zahlreiche Arten in allen Erdteilen (in Deutschland 45 Arten) vertreten. Die Stubenfliege (M. domestica L.), mit aschgrauem, schwarz gestreiftem Rückenschild und schwarz gewürfeltem, an der Unterseite braungelbem Hinterleib, fast über die ganze Erde verbreitet; die blaue Schmeißfliege (Brechfliege, Brummer, Aas-, Fleischfliege, M. [Calliphora] vomitoria L., s. Tafel »Zweiflügler«, Fig. 1), bis 13 mm lang, mit graustriemigem Rückenschild, schwarzen, rothaarigen Backen und lebhaft stahlblauem Hinterleib; die Goldfliege (M. [Lucilia] Caesar L.), glänzend smaragdgrün, mit schwarzen Beinen und silberweißem Gesicht. Besonders die beiden ersten Arten sind ungemein fruchtbar. Die Stubenfliege legt die fast walzenförmigen Eier in Klümpchen von 60–70 Stück an Mist, verdorbenes Brot, auch an Fleisch, tote Tiere etc., und nach zwölf Stunden kriecht die Larve aus. Die Schmeißfliege legt ihre etwas gebogenen Eier, gleichfalls in Häuschen von 20–100 Stück, besonders an Fleisch, auch an alten Käse und Aas. Nach 24 Stunden kriechen die weißen, kegelförmigen, hinten gestutzten, augenlosen Larven aus, arbeiten sich schnell in die von ihnen bewohnten Gegenstände hinein und durchwühlen sie, wobei der von ihnen ausgesonderte flüssige Unrat die Fäulnis zu befördern scheint. Die Larven (Maden) gelangen bisweilen mit Fleisch lebend in den Magen des Menschen und werden dann durch Erbrechen entleert. Nach 8–14 Tagen verpuppen sie sich, am liebsten in der Erde, und nach weitern 14 Tagen schlüpft die Fliege aus. Die letzte Generation im Jahr überwintert im Puppenzustand. Im Herbst gehen zahlreiche F. durch einen Pilz (Empusa, s.d.) zugrunde. Vögel und Spinnen sind ihre Hauptfeinde. In den Zimmern schützt man sich gegen F. durch Vorsetzfenster von Gaze, mit klebrigen Stoffen überzogene Stöcke, Abkochung von Quassienholz (Fliegenholz), die, mit etwas Zucker vermischt, die F. in Menge herbeilockt, aber nur betäubt, und durch Fliegenpapier (s.d.). Die F. verlassen Räume, in denen trockne Kürbisblätter auf glühende Kohlen geworfen wurden. Man hängt auch ein Büschel von Beifußstengeln an der Zimmerdecke auf und zieht abends, wenn die F. sich darin gesammelt haben, einen Sack von unten über den Büschel. Fliegenlarven kommen gelegentlich als Parasiten beim Menschen vor. Larven der Fleischfliege (Sarcophila carnaria), der Wohlfartfliege (S. Wohlfarti), der Aasfliege (Calliphora vomitoria), der Stubenfliege (Musca domestica) wurden in eiterigen Wunden und Geschwüren, bei Ekzemen, auf der eiternden Schleimhaut der Nase, im Gehörgang, in der Scheide gefunden. Auch im Magen und Darm können sich Fliegenlarven entwickeln und unter Umständen zu schweren geschwürigen Prozessen im Darm führen. Vgl. Peiper, Fliegenlarven als gelegentliche Parasiten des Menschen (Berl. 1900). über die F. als Überträger von Krankheiten s. Insekten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 6. Leipzig 1906, S. 692.
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