[354] Fliegen, selbständige Bewegung der Thiere in der Atmosphäre auf große Strecken. Besonders ist das Vermögen dazu Vögeln u. dem größeren Theile der Insecten durch eigene Flugorgane (Flügel) verliehen. Das F. der Vögel wird durch ihren ganzen Körperbau begünstigt, welcher so typisch ist, daß Niemand einen Vogel mit irgend einem andern Wirbelthiere verwechseln wird. Nächst der allgemeinen Gestalt, an welcher der kleine Kopf, lange bewegliche Hals, die zu besonderer Breite entwickelte Brust u. der von hier aus nach hinten sich rasch verjüngende Leib, sowie der Umstand charakteristisch ist, daß. die vorderen Gliedmaßen, die Flügel, mit Ausnahme der nur laufenden Laufvögel u. der nur schwimmenden Fettgänse, größer ausgebildet erscheinen, als die hinteren, bedarf insbesondere zunächst das Knochengerüst einer näheren Betrachtung, um die Fertigkeit der Vögel zu f. zu beurtheilen u. zu er erklären. Da die Bewegung durch die wenig Widerstand leistende Luft eine weit kräftigere Anstrengung der hierzu bestimmten Organe, mithin breitere u. größere Muskeln an denselben erfordert, so müssen auch die jenigen Knochen breiter sein, welche diesen Muskeln als Anheftungspunkt dienen; daher der große Umfang des Brustbeins, dessen Oberfläche noch durch den in seiner Mitte aufgesetzten Kamm beträchtlich vergrößert wird. Am weitesten tritt dieser Kamm bei dem flugfertigen Falken hervor, während er beim Strauß ganz fehlt. Die doppelte Verbindung der Schulterknochen mit dem Rumpfe durch die zum sogenannten Gabelbein verbundenen Schlüsselbeine u. durch die geraden, sogenannten unteren Schlüsselbeine, gestattet kräftige Bewegungen der Flügel, welche in der völlig starren Wirbelsäule einen sicheren Widerhalt finden. Auch hier bildet der Strauß eine Ausnahme, indem er die Säule des Rückenwirbels seitlich zu krümmen vermag; allen übrigen Vögeln ist aberder Mangel an Beweglichkeit des Rumpfes durch die große Beweglichkeit des Halses u. Kopfes ersetzt. Sehr abweichend von den entsprechenden Organen der Säugthiere ist der Bau der vorderen Gliedmaßen; der Unterarm entbehrt fast völlig der Fähigkeit, sich um seine Achse zu drehen; die Handwurzelknochen, nur in der Zahl zwei vorhanden, tragen, neben einem kurzen Daumen u. einem unbedeutenden Stummel an Stelle des kleinen Fingers, nur Einen Mittelhandknochen mit einem zweigliederigen langen Finger. An diesem sitzt die Reihe der Schwingfedern erster Ordnung, immer in der Zahl zehn, am Unterarm die hinteren Schwingfedern, am Daumen der Eckflügel. Das Verhältniß der Länge der Schwingfedern erster Ordnung unter einander, sowie zu den übrigen Schwingfedern u. zum ganzen Körper, entscheidet über den Grad der Fertigkeit zum F. Lang zugespitzte Flügel befähigen zum raschen geradlinigen Dahinschießen, wie bei den Schwalben u. Falken; große abgerundete Flügel zum Emporsteigen, wie beim Condor; kleinere abgerundete Flügel zum leichten Umlenken, wie bei den Sperlingsarten; noch mehr verhältnißmäßig kleiner abgerundete Flügel erweisen sich zum anhaltenden F. untauglich, wie bei den meisten Hühnerarten, unter denen nur die Wachtel in Folge ihrer längeren vorderen Schwingfedern weite Reisen zu machen vermag. Ferner verursachen harte Schwingfedern ein klatschendes Geräusch beim F., wie bei den Rebhühnern, während die Eulen vermöge ihrer weichen, am Umfange sein gebarteten Federn geräuschlos f. Für die Änderung der Richtung beim F. scheint die Größe u. Gestalt der Steuerfedern noch von Bedeutung zu sein, obwohl mitunter auch Vögel mit verhältnißmäßig sehr kleinem Schwanze, wie die Reiher, ausgezeichnet f. Endlich unterstützt noch die besondere Einrichtung der Lungen bei den Vögeln die Fähigkeit zum F. in hohem Grade. Bei ihnen sind die Lungen nicht geschlossen, sondern sie haben Öffnungen, durch welche die Luft in häutige Säcke des Unterleibes, sowie in alle übrigen Theile des Körpers, sogar in die zelligen Knochen, eindringen u. dadurch den ganzen Körper specifisch leichter machen kann. Nur beim Strauß sind die Armknochen nicht lufthaltig, während bei ihm in den Oberschenkelknochen große Luftzellen sich finden. Aus den genannten Einrichtungen geht bei vielen Vögeln eine ungemeine Flugfertigkeit hervor; Schwalben erreichen von uns aus in 56 Tagen den Senegal, Brieftauben legen in einer Stunde bis zu 10 geographische Meilen zurück; Heinrichs II. Jagdfalke entfloh in 24 Stunden von Fontainebleau bis Malta (210 Ml.), u. Fregattvögel trifft man auf der See 250 Ml. von jedem Lande. Die Wendungen im Fluge macht der Vogel mit Leichtigkeit durch [354] Ungleichheit des Flügelschlags u. Veränderung der Richtung des Kopfes u. des Schwanzes. Der horizontale Flug ist nie ein gerader, sondern immer mehr od. weniger ein wellenförmiger, indem der Vogel sich, unter Senkung, durch neue Flügelschläge wieder einen Aufschwung gibt. Viele Vögel, wie Spechte, f. nicht anders als ruckweise. Das scheinbare Schweben der Raubvögel auf einer Stelle wird durch kreisförmiges Drehen bewirkt, in welchem sie wohl stundenlang ausharren, während sie mit weit ausgebreitetem Flügel u. Schwanz eine große Luftschicht unter sich haben. Beim Niederfliegen überläßt sich ein Vogel meist seiner Schwere, indem er sich nur die Seitenrichtung gibt; doch beschleunigen Stoßvögel auch ihr Fallen, welches sonst durch ausgebreitete Flügel gemäßigt wird, durch Aufwärtsschlagen der Flügel u. Niedersenken des Kopfes. Das F. der Insecten ist fast noch verschiedenartiger als das der Vögel. Häufig überschlagen sie sich u. flattern in stetem Umkehren. Durch die Schnelligkeit der Flügelbewegung erhalten sie ihren zum Theil relativ sehr schwerfälligen Körper (wie z.B. die Hornissen) schwebend; um deswillen ist auch bei vielen mit dem F. immer ein summendes Geräusch verbunden. Das F. der Vierfüßler, welche vogelartig f. (der Fledermäuse), geschieht durch eigne weit ausgestreckte Flughäute zwischen den Zehen der Vorderfüße u. zwischen den letzteren u. den Hinterfüßen. Anderen Gattungen, welche wohl auch als fliegende bezeichnet werden, dient ihre Flughaut mehr zum weiten Sprung, indem sie ausgespannt ihren Fall mäßigt. Fliegende Fische bewegen sich durch ihre zu Flügeln ausgebildeten Flossen, s. Fliegfische. Auch von Menschen ist der Versuch, sich mittelst künstlicher Flügel (Flugmaschinen) in die Luft zu erheben, oft gemacht worden. Schon die Fabel von Dädalos u. Ikaros bezeugt, wie alt die Idee zu f. ist. Später versuchten Mehrere das F. allein sämmtlich ohne glücklichen Erfolg. Meist waren es durch eine fixe Idee befangene Leute, die den Versuch mit dem Leben od. mit zerbrochenen Gliedern büßten, wie Giambatt. Dante im 15. Jahrh. Von dieser Art waren die Fliegversuche Meerweins aus Karlsruhe 1782 in Gießen u. des Schneiders Berblinger in Ulm; auch der Rector Wilhelm in Roßleben redete dem F. immer das Wort u. schrieb viel darüber. Am weitesten kam der Uhrmacher Degen in Wien, welcher mittelst Flügel von 10 Fuß Länge u. 9 Fuß Breite sein Gewichtum 78 Pfund erleichterte, so daß er sich unter Anwendung eines über eine Rolle geführten Gegengewichts durch 34 Schläge bis zu 50 Fuß erhob. Er ließ sich auch durch einen Luftballon bis zu 105 Klaftern erheben, machte sich dann los u. flog ganz allmälig wieder herab. Immer wird es sehr schwierig, wenn auch nicht unmöglich sein, eine genügende Vorrichtung zum F. zu erfinden, weil, außer der eigenen Schwere, auch noch die der großen Flügel zu überwinden ist, weil dem Menschen die großen Muskeln an der Brust u. den Armen u. die vortheilhaften Ansätze dafür ganz fehlen, u. der ganze Bau des Menschen, wie man aus dem oben beschriebenen Baue des Vogels einsieht, ihm das Durchschneiden der Luft erschwert.