Geselle

[715] Geselle (althochd. gisello, d. h. Saal-, Hausgenosse, dann Verbrüderter, Gefährte) ist der gelernte gewerbliche Lohnarbeiter (Gehilfe), insbes. im Handwerk, der seine Fachausbildung in der Lehre erlangte. Der Name G. ward in diesem Sinn in Deutschland erst üblich, als die Gewerbegehilfen, bis dahin Knechte genannt, im 15. Jahrh., vereinzelt auch schon im 14. Jahrh., nach dem Vorbild der Zünfte eigne genossenschaftliche Vereinigungen (Gesellenschaft, Gesellenbruderschaft, Gesellenladen) bildeten, die nicht mehr, wie die alten Bruderschaften, nur für religiöse und gesellige Bedürfnisse und für die Unterstützung von armen und kranken Knechten sorgten. Diese der französischen Compagnonnage (s.d.) ähnlichen Gesellenverbände gingen aus der gegen den Handwerkeraristokratismus gerichteten Gesellenbewegung hervor, indem sie mehr und mehr die kirchlichen Formen abstreiften und in fester Organisation mit besondern Statuten, Vorständen und Kassen, Erhebung von Beiträgen und Strafgeldern, eignen Herbergen und Gebräuchen, unter Wahrung von Ehre und Sitte des Gesellenstandes, durch genossenschaftliche Überwachung und Gerichtsbarkeit ihr Interesseben Meistern gegenüber zu vertreten suchten. Die Verbände verschiedener Städte schlossen sich zu Kartellverbänden mit Haupt- und Nebenladen zusammen, um bei Arbeitseinstellungen[715] und Verrufserklärungen einander zu unterstützen. Mit dem 17. Jahrh. gingen diese Verbände unter Lockerung der Disziplin ihrem Verfall entgegen, zumal als nach mehrfach vorgekommenen Gesellenaufständen nicht allein das städtische Regiment, sondern auch die Reichsgesetzgebung und später die Landesherrn den Ausartungen ernstlich zu steuern suchten. Bei der frühern strengen Scheidung des Gewerberechts nach Meistern, Gesellen und Lehrlingen war G. ein Rechtsbegriff. Die Arbeits- und Erwerbsverhältnisse der Gesellen waren durch besondere gesetzliche Bestimmungen geregelt und in den Zeiten gewerblicher Unfreiheit den mannigfachsten Beschränkungen unterworfen; überall war in der Regel eine bestimmte Lehrlingszeit und eine Gesellenprüfung vorgeschrieben. Erst wenn der Lehrling diese Prüfung bestanden hatte, wurde er »zum Gesellen gesprochen«; er hatte dann eine Zeitlang zu wandern und, um Meister zu werden, sich der Meisterprüfung zu unterziehen. Diese Beschränkungen sind nach Einführung der Gewerbefreiheit fortgefallen, in Deutschland allgemein erst nach der Gewerbeordnung von 1869, und das Wort G. ist kein Rechtsbegriff mehr. Rechtlich werden gelernte und ungelernte Arbeiter nicht mehr unterschieden. Ein Befähigungsnachweis wird, von einigen Ausnahmen abgesehen, für den Gewerbebetrieb nicht mehr verlangt, Arbeitgeber sind in der Wahl ihrer Arbeiter, diese in der Wahl der Arbeitgeber unbeschränkt. Allerdings können Innungen zur Förderung der gewerblichen und technischen Ausbildung der Gesellen geeignete Einrichtungen treffen, Gesellen- und Meisterprüfungen veranstalten und über die Prüfungen Zeugnisse ausstellen; doch ist damit kein gesetzlicher Zwang ausgesprochen. Die von den Innungsmitgliedern beschäftigten Gesellen nehmen an der Verwaltung der Innung und der Handwerkskammer nur insoweit teil, als dieses in dem Innungsstatut vorgesehen ist. S. Gesellenausschüsse. – Im Bergbauwesen heißen Gesellen die Teilhaber (Eigenlöhner) an einem gemeinschaftlichen sogen. Bau, sofern deren nicht über acht sind; der Bau einer solchen Gesellschaft heißt dann Gesellenbau, Gesellenzeche.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 7. Leipzig 1907, S. 715-716.
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