Messe [1]

[656] Messe (lat. Missa), ursprünglich der Teil des christlichen Gottesdienstes, in dem der Priester das Offizium oder die Konsekration der A bendmahlssubstanzen vornahm. Da schon seit Ende des 2. Jahrh. das Abendmahl zu den Mysterien des christlichen Glaubens gehörte, durften daran nur die Gläubigen oder Getauften teilnehmen, während alle andern Zuschauer sowie die Büßenden und Katechumenen vorher mit den Worten: »Ite, missa est« (missa, spätlat. statt missio, resp. dimissio), d. h. »Geht, die Versammlung ist entlassen«, aufgefordert wurden, sich zu entfernen. Dieselbe Aufforderung erging am Schlusse der Feier auch an die Gläubigen. Von dieser Formel erhielt in der Folge der ganze Gottesdienst den Namen Missa, und zwar nannte man den ersten Teil Missa catechumenorum, den zweiten Missa fidelium. In der katholischen Kirche ist die M. oder das heil. Meßopfer, in dem der Priester Brot und Wein in den Leib und das Blut Christi verwandelt und dem himmlischen Vater darbringt, wesentlich das nämliche Opfer wie das Kreuzopfer und als eucharistisches Opfer der Mittelpunkt des ganzen katholischen Lebens und Kultus. Man unterscheidet Privatmessen (missae privatae) oder stille Messen, die ein Priester privatim ohne besondere Feierlichkeit darbringt, und öffentliche oder feierliche (missa publica, cantata, solemnis), die mit Gesang, auch mehreren Ministranten, Leviten und Assistenz abgehalten werden, und für die auch die Bezeichnungen Amt, Hochamt, Levitenamt vorhanden sind. Für Messen, die nicht aus besonderer Pflicht, wie z. B. Pfarrmesse, Stiftmesse, zu zelebrieren sind, erhält der Priester gewöhnlich ein Handgeld (stipendium), daher Manualmessen, wozu gewöhnlich die Votivmessen (s. unten) gehören. Der Ausbildung der Meßzeremonien lag namentlich der Papst Gregor d. Gr. (590–604) ob, von dem auch die Bestimmung herrührt, daß die M. nur in lateinischer Sprache gehalten werden darf. Der ganze Akt aber hat seinen Mittelpunkt in der Opferhandlung und wird nur von hier aus verständlich. Ihm dient schon die sogen. Vorbereitung (paraskeuastika), d. h. die Reinigung des Priesters und die Weihung des Altars. Sie vollzieht sich so, daß der Priester und der Meßdiener wechselweise den 43. (nach römischer Zählung 42.) Psalm hersagen. Dann folgt des Priesters und der Ministranten Schuldbekenntnis (das sogen. Confiteor) und Bitte um Vergebung. Jetzt beginnt der der Missa catechumenorum entsprechende erste Hauptteil mit dem Eingang (introitus), bestehend aus einigen Bibelsprüchen, meist den Psalmen entnommen, nach denen einzelne Sonntage im Kirchenjahr ihre Namen tragen, wie Esto mihi, Invocavit, Reminiscere, Oculi, Laetare, Judica, Quasimodogeniti, Misericordias. Jubilate, Cantate. Exaudi. Sofort folgt das Kyrie eleïson und das Gloria in excelsis. Gleichfalls nach dem Kirchenjahr oder dem zu feiernden Fest wechselt der Inhalt des Hauptgebetes, der sogen. Kollekte, worauf die Schriftlesung folgt; und zwar wird die Epistel auf der linken, das Evangelium auf der rechten Seite des Altars verlesen. An ersteres schließt sich das Halleluja, unter Umständen die Sequenz, an letzteres das Credo an. Der zweite Hauptteil, die alte Missa fidelium, besteht aus Offertorium, Konsekration und Kommunion. Im Offertorium oder der Opferung segnet der Priester unter bestimmten Gebeten um Annahme des darzubringenden Opfers (oblatio) Brot und Wein, worauf die Händewaschung, das Stillgebet (Sekret) und die Präfation (s. d.) mit dem Sanktus folgt. Die Konsekration (s. d.) bringt die eigentliche Wandlung der Elemente (Transsubstantiation) mit sich, so daß der geopferte Christus nach seinem Fleisch und Blut jetzt erst als gegenwärtig erscheint. Die sechs Gebete vor, bei und nach der Konsekration heißen der Kanon und bilden den Hauptteil der M., der stets unverändert bleibt. Das Vaterunser und die nachfolgende Brechung des Brotes vermitteln den Übergang zur Kommunion (s. Abendmahl). Den Schluß bilden noch einige Gebete, das Ite missa est, der priesterliche Segen und der Anfang des Johannisevangeliums (»letztes Evangelium«). Die Kleidung des Priesters (Meßgewand, Näheres darüber s. Klerus) bei der M. wechselt in verschiedenen Farben je nach den kirchlichen Zeiten und Festlichkeiten. Das Ritual und die Gesänge der M. sind in Meßbüchern oder Missalen (s. d.) enthalten und modifizieren sich nach den Zeiten und dem Gegenstand der Feier. Vom ständigen Gebrauch derselben bei der M. stammt der [656] Ausdruck »M. lesen«. Über Totenmessen (Totenamt, missa pro defunctis) bei Beerdigungen s. Requiem. Für Kinder, die unter sieben Jahren sterben, wird keine Trauermesse, sondern eine Dankmesse (Engelsmesse) gehalten. Da man frühzeitig Messen mit Fürbitten in besondern Anliegen und Gelübden verband, sie ferner auch gegen die elementaren Gewalten der Natur sowie gegen die Bosheiten der Menschen in Anspruch nahm, so entstanden neben den Fest- und Wochenmessen eine große Anzahl von sogen. Votivmessen. Dergleichen sind: die Braut- und Hochzeitsmessen, Seelenmessen für Verstorbene zur Erlösung aus dem Fegfeuer oder Linderung ihrer Pein, die Heilige Geist-M., die vor der Wahl zu einem kirchlichen Amt, beim Beginn einer großen Festlichkeit abgehalten wird. Eine weitere Art ist die ewige M., die für ewige Zeiten an gewissen Tagen im Jahr, gewöhnlich für Verstorbene gestiftet, gelesen wird, dann die Primizmesse, die erste M. des Neugeweihten. Der Priester muß zur Vornahme des Meßopfers nüchtern sein (jejunium naturale); er darf ohne besondere Erlaubnis an einem Tage nur eine M. lesen, nur am Weihnachtsfest (25. Dez.) sind ihm drei Messen erlaubt. Nach den bestimmten Stunden der Zelebration spricht man von Frühmesse, 10-Uhr-M., Mitternachtsmesse etc. Über die abweichende Entwickelung der M. in der griechischen Christenheit s. Griechische Kirche und Russische Kirche. Luthers Reformation richtete sich besonders gegen das Meßwesen; er schaffte die M. in ihrem Kern ab, d. h. den Wandlungs- und Opferbegriff. Im übrigen schloß sich selbst noch seine »Deutsche M.« von 1526 im Gegensatz zu den Calvinisten an die katholische M. an, deren Ritual er übrigens mit der größten Freiheit behandelte und namentlich kürzte. Der Konsekration folgt die Kommunion auf dem Fuß, und alles wird möglichst der Einfachheit der ursprünglichen Abendmahlsfeier genähert. Im protestantischen Gottesdienst hat sich von der M. nur das Kyrie und das Gloria gehalten. Vgl. Schwane, Die eucharistische Opferhandlung (Freib. 1889); Smend, Die evangelischen deutschen Messen bis zu Luthers deutscher M. (Götting. 1896); Renz, Die Geschichte des Meßopferbegriffs (Freising 1901–02, 2 Bde.); Franz, Die M. im deutschen Mittelalter (Freib. 1902); Gihr, Das heilige Meßopfer, dogmatisch, liturgisch und asketisch erklärt (8. Aufl., das. 1902); Drews, Zur Entstehungsgeschichte des Kanons in der römischen M. (Tübing. 1902); Baumstark, Liturgia romana (Rom 1904); Knauer, Unser Meßopfer (Mainz 1905).

Die Musik während der kirchlichen M. wird ebenfalls M. (Missa) genannt. Sie besteht aus den Intonationen des zelebrierenden Priesters, den Rezitationen des Subdiakons und Diakons und den Gesängen des Chors. Nur die feierliche M. (Missa solemnis) hat aber an Stelle der alten, unisonen, gregorianischen Melodien mehrstimmig gesetzte Kunstmusik und zwar nur für folgende Teile, deren Anfangsworte der Priester intoniert: Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei. Diese Sätze beginnen daher in den mehrstimmigen Bearbeitungen meist mit Textworten, die an die Intonation des Priesters anschließen, z. B. das Credo mit »Patrem omnipotentem«, das Gloria mit »Et in terra pax«, das Agnus mit »Qui tollis« etc. Die M. ist einer der Hauptvorwürfe der polyphonen a cappella-Setzweise des 15. u. 16. Jahrh., und wohl alle Meister jener Zeit haben Messen in größerer Zahl geschrieben (Dufay, Okeghem, Josquin Deprés, Haßler, Lasso, Palestrina etc.). Das 17. Jahrh. brachte den Orgelbaß (continuo), und allmählich gesellte sich überhaupt der M. die Instrumentalbegleitung. Messen mit Orchester komponierten: Seb. BachHohe M.« aus II moll), Jos. und Mich. Haydn, Mozart, Beethoven, Cherubini, Rossini, Fr. Schneider, Hauptmann, Liszt, Fr. Kiel, Alb. Becker, Anton Bruckner u. a. Vgl. Requiem.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 656-657.
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