Krankheitskennzeichen

[593] Krankheitskennzeichen bei Haustieren. Da die Tiere eine Störung ihres Wohlbefindens und den Ort dieser Störung nicht zu erkennen geben können, so[593] muß eine solche aus gewissen allgemeinen Merkmalen geschlossen werden, die sich einerseits bei allen akuten, anderseits bei langdauernden schleichenden Erkrankungen zu zeigen pflegen. Bei akuten Erkrankungen besteht in der Regel Fieber, d. h. Erhöhung der Körpertemperatur, die bei Tieren mit dem Thermometer im Mastdarm gemessen wird. Die normale Temperatur beträgt bei Pferden 37,5–38,5, bei Rindern 38–39,5, bei Schweinen und Schafen 38,5–40, bei Hunden 37,5–39° in Ruhe und nicht zu warmem Stall, abends 0,5° mehr als morgens, ebenso bei jungen Tieren etwas mehr. Die Atmung wird bei vielen akuten und chronischen Erkrankungen beschleunigt. Die normale Zahl der Atemzüge beträgt in der Minute bei Pferden 10–12, bei erwachsenen Rindern 12–15, bei den kleinern Tieren 15–20. Der Puls (Herzschlag) ist bei akuten Krankheiten beschleunigt. Bei gefunden Haustieren weist der Puls in der Minute folgende Zahl von Schlägen auf: Pferde 35–40, Füllen jedoch 50–70; Ochsen 40–50, Kühe 70 bis 80, Jährlinge über 100; erwachsene Schafe und Schweine 60–90, Hunde (nach Größe) 70–120. Man fühlt den Puls an der Arterie, die um den untern Rand des Unterkiefers herum auf die Wange tritt oder an der Innenfläche des Unterarmes, dicht unter dem Leibe (namentlich bei kleinen Tieren), bei Pferden auch an der Außenseite des Hinterfußes unter dem Sprunggelenk. Das dem Laien auffälligste K. ist die Verminderung des Appetits. Wenn ein Pferd sein gewohntes Futter nicht voll ver;ehrt, deutet dies stets auf eine, vielleicht nur vorübergehende, Gesundheitsstörung. Ebenso zeigt dauernd verminderter oder wechselnder Appetit ein chronisches Unwohlsein an. Bei Tieren mit regem Temperament, also Pferden und Hunden, kann man aus träger, schläferiger Haltung, mattem Gang, mangelnder Aufmerksamkeit auf die Umgebung auf Krankheit schließen. Der Blick (matt, stier, traurig) verrät dem Kenner ebenso eine Erkrankung, wie er im gesunden Zustande die Stimmung, auch die bösen Absichten und überhaupt den Charakter des Tieres offenbart. Selbst die träge Kuh zeigt oft ein inneres Leiden (Tuberkulose) im Blick. Bei Schweinen ist es meist ein K., wenn sie sich ins Stroh verkriechen. Ganz besonders aber sind Haut, Haar und sichtbare Schleimhäute zu beachten. Beim gesunden Tier ist die Haut am Rumpf äußerst elastisch, verschieblich und in Falten abhebbar; bei guten gemästeten Tieren fühlt sie sich an, als ob sie auf Öl schwämme. Das Haar liegt glatt an und ist glänzend, ein wenig fettig. Bei chronischen Erkrankungen wird die Ernährung der Haut beeinträchtigt. Die Elastizität des Unterhautgewebes geht verloren, die Haut liegt fest am Körper und fühlt sich hart an (Harthäutigkeit). Infolge verminderter Absonderung der Hautdrüsen werden die Haare etc. trocken, glanzlos, struppig; sie stehen aufgebürstet. Aus gleichem Grunde ist bei Hunden (auch Schweinen) und Rindern der haarlose, stets feuchte Nasenspiegel bei akuten und chronischen Krankheiten trocken. An Stelle der beim Menschen viel verratenden Gesichtsfarbe tritt bei den Tieren die Färbung der sichtbaren Schleimhäute der Nase und der Augenlider, die normal rosa, bei chronischer Ernährungsstörung, namentlich charakteristisch bei Wurmkrankheiten (s. d.) der Schafe, blaß (Bleichsucht), bei schweren akuten Krankheiten rot, bläulich, gelblich (an den Augenlidern auch geschwollen) ist. Die Mund- und Zungenschleimhaut ist bei den Tieren mit einer so dicken, teilweise hornigen Zelldecke versehen, daß ihre Färbung nichts anzeigt; nur auf der sehr zarten, weichen Zunge des Hundes zeigt ein weißer pelziger Belag dasselbe an wie beim Menschen.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 593-594.
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