Kupferschmiedekunst

[839] Kupferschmiedekunst. Das Hämmern von Kupfer zu Gefäßen, Waffen, Reliefs, Figuren, wurde schon von den Assyrern, später in größerer Vollendung von den Griechen betrieben. In Rom gehörten die Kupferschmiede zu den ältesten Zünften, die bis in die Königszeit hinausreichten. Doch wurde das reine Kupfer im allgemeinen Gebrauch bald durch Legierungen verdrängt. Im christlichen Mittelalter wurden Kelche, Ciborien, Peristerien, Vortrag-, Altar- und Reliquienkreuze, Hostienbüchsen, Reliquienbehälter in Form von Köpfen, Büsten, Händen, Füßen etc., Relieffiguren zum Schmuck von Tragaltären, Tabernakeln, Monstranzen oder Ostensorien, Bischofsstabkrümmen und andre Geräte und Gegenstände für den kirchlichen Gebrauch aus starkem Kupferblech getrieben, das meist vergoldet wurde. Man hämmerte das Kupfer auch über Holzkernen, denen man die beabsichtigte Gestalt gegeben hatte. Eine wichtige Rolle spielte das Kupfer bei der Technik des Grubenschmelzes. Auch bei emaillierten Geräten wurden die sichtbaren Kupferteile vergoldet. In der Renaissancezeit, die den Erzguß und die Edelschmiedekunst bevorzugte, wurde die K. in den Hintergrund gedrängt und auf die Anfertigung von Gefäßen und Geräten für den bürgerlichen Gebrauch beschränkt. Einen großen Ruf im Mittelalter hatten die Kupferschmiede der belgischen Stadt Dinant, die nicht nur gewöhnliche Gebrauchsgegenstände, sondern auch mit Reliefs verzierte Teller, Figuren, Leuchter, Kandelaber, Chorpulte für Kirchen und andre Kirchengeräte u. dgl. aus Kupfer- und Messingblech hämmerten (Dinanderies). Ende des 17. Jahrh. kam man, um den teuern Bronzeguß zu vermeiden, auf den Gedanken, Kolossalstatuen aus Kupferplatten herzustellen, die über einem Holzmodell geschlagen und dann vernietet wurden. Das erste Beispiel dieser Technik ist das von Cerano modellierte, 1697 von Falconi aus Lugano und Gianella aus Pavia ausgeführte, 24 m hohe Standbild des heil. Carlo Borromeo bei Arona, bei dem jedoch Kopf, Hände und Füße aus Bronze gegossen sind. Ganz aus Kupfer getrieben sind dagegen der 10 m hohe Herkules auf Wilhelmshöhe bei Kassel (1717 von O. Ph. Küper gefertigt), das Reiterdenkmal Augusts des Starken in Dresden (1731–36 von Ludwig Wiedemann ausgeführt) und die nach Schadows Entwurf über einem von Wohler geschnitzten Holzmodell von Jury in Kupfer getriebene Viktoria mit dem Viergespann auf dem Brandenburger Tor in Berlin. Im 19. Jahrhundert wurde dieser Zweig der K. durch G. Howaldt (s. d.) wieder belebt und vervollkommt. Von neuern in Kupfer getriebenen Bildwerken sind die Brunonia mit dem Viergespann auf dem Schloß und die Reiterdenkmäler der Herzoge Karl Wilhelm und Friedrich Wilhelm, sämtlich in Braunschweig (von Howaldt), die Arminiusstatue Bandels auf der Grotenburg im Teutoburger Wald, die figürlichen und ornamentalen Teile an dem von Stöckhardt entworfenen Monumentalbrunnen in Erfurt (von Howaldt), die reitende Germania auf dem Reichstagsgebäude in Berlin (nach R. Begas von Seitz in München) und die Berolina auf dem Alexanderplatz in Berlin (nach Hundrieser, s. Tafel »Berliner Denkmäler I«, Fig. 4) die hervorragendsten. Neben Howaldt und Seitz haben sich in neuerer Zeit besonders Martin u. Piltzing und Peters in Berlin im Treiben in Kupfer hervorgetan. Die Belebung der Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance hat[839] auch der K. wieder höhere Aufgaben gestellt, indem Wasch- und Kühlgefäße, Vasen, Jardinieren u. dgl. in Kupfer getrieben und reich ornamentiert werden. In südlichen Ländern wird das Kupfer auch zu Wärmpfannen (Braseros, s. d.) verwendet, wie das Kupfer überhaupt im Orient seine alte Bedeutung behalten hat. In Indien, Persien und den Donauländern werden noch heute Gefäße in Kupfer getrieben und zur Verhütung des Oxydierens des Kupfers verzinnt. An den Außenseiten werden die Gefäße (Kannen, Schalen, Becken, Schüsseln, Lampen u. dgl.) mit Gravierungen verziert, so daß der kupferfarbene Untergrund zu dem hellgrauen Überzug einen wirksamen Kontrast bildet. Eine ebenso wichtige Rolle spielt das Kupfer bei den ostasiatischen Emailarbeiten. Zu Statuen, Leuchtern, Tempelgeräten, Gongs, Spiegeln u. dgl. wird in China, Japan und Hinterindien eine Legierung verwendet, deren Hauptbestandteil Kupfer bildet. Vgl. Höhne u. Rösling, Handbuch der Kupferschmiede (3. Ausg., Weim. 1893); Delon, Le cuivre et le bronze (Par. 1877); Bucher, Geschichte der technischen Künste, Bd. 3 (Stuttg. 1886); Martin, Ältere Kupferarbeiten aus dem Orient (74 Lichtdrucktafeln, Stockh. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 11. Leipzig 1907, S. 839-840.
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