Männerhäuser

[233] Männerhäuser (Männerbünde), eine bei vielen Völkern und auf fast allen Kulturstufen vorkommende soziale Einrichtung, laut welcher sich gewisse Altersstufen der männlichen Bevölkerung, meist die unverheirateten mannbaren jungen Männer, in besondern Häusern dauernd oder nur bei Nacht absondern. Wo feste Wohnsitze noch nicht oder überhaupt nicht bestehen, wie bei den unsteten Australiern und Tasmaniern oder manchen Kaffern, findet sich eine den Männerhäusern analoge Einrichtung gleichwohl: hier tagen und nächtigen die jungen Männer abseits an besondern Lagerstätten. Bei Völkern mit festen Siedelungen kann das Männerhaus entweder auf die männliche Jugend beschränkt sein, mit der regelmäßig wiederkehrenden Maßgabe jedoch, daß die mannbaren jungen Mädchen zur Ausübung der freien Liebe ständigen Zutritt haben, oder aber, es verkehren auch die verheirateten Männer im Männerhaus, oder aber, es haben selbst Frauen und Kinder Zutritt. Die innere Entwickelung des Männerhauses gestaltet sich dabei sehr verschieden: entweder es bleibt für die Männerwelt reserviert; dann dient es als ständiges Versammlungshaus, wo Zechgelage und Schmausereien abgehalten werden, wo gespielt und getanit, wo aber auch gearbeitet wird. Oft wird es dabei zum Wacht-, Rat-, Gemeinde- oder Gerichtshause. Wird auf die Fernhaltung des weiblichen Geschlechts weniger Gewicht gelegt, dann entwickelt sich das Männerhaus leicht zum Koch- und Brauhaus, ja selbst zum Schwitz- und Badehaus. Wo einzelne Bevölkerungsgruppen sich, durch Reichtum oder edlere Geburt verbunden, als höhere Schicht zusammenfinden, wie oft in Melanesien, entwickelt sich das Männerhaus leicht zum Klub (s. d.). Ganz allgemein dient das Männerhaus dann als Fremdenherberge.

In den Gebieten höherer Kultur finden sich heute nur noch Spuren der M. In seiner typischen Form tritt es noch bei den Malaien und deren Verwandten und Nachbarn auf, doch ist es auch in Afrika und Amerika, in Teilen Indiens und Sibiriens noch im Schwange. Noch unberührt stellt es sich in den Küstengegenden Neuguineas dar, wo es, je nach der Gegend, Rumsram, Karewari, Alól, Balebal, Asa, Dschelum, Buambrambra, Lum heißt, meist prächtig ausgeführt und ausgeschmückt ist, aber hier und da in Geister-, Schlaf- und Versammlungshaus differenziert erscheint. Noch bunter ist das Bild in Britisch-Neuguinea, wo es wahre Provinzen mit bestimmten architektonischen und sozialen Formen der M. gibt; neben dem stark entwickelten Klubwesen findet es sich dann im Bismarck Archipel, auf den Salomonen, den Neuen Hebriden und andern Gruppen Melanesiens, ganz besonders kräftig entwickelt auf den Palau (Klöbbergöll) und den Karolinen, in früherer Zeit auch auf den Marianen. In Polynesien fehlt das Männerhaus nicht, aber es ist in seiner Bedeutung von dem Marae, dem Versammlungsplatz überwuchert worden. Vielgestaltig ist das Männerhaus auch in Indonesien: rein erscheint es noch bei den Batta auf Sumatra, als Fremdenhaus in Celebes; zum riesigen Langhans, in dem der ganze Stamm wohnt, ist es in Borneo geworden; auf Java ist es verschwunden. Auf dem asiatischen Festlande sind M auf gewisse Völker von Siam, Anam, Birma und Assam, dann auf einige drawidische Bergstämme (Oraon, Bhuiyar, Maler) beschränkt; die alten Arier scheinen es bei ihrer Einwanderung ins Pandschab ebenfalls noch gehabt zu haben. Im N. findet es sich bei den Irtysch-Ostjaken und den Ureinwohnern Kamtschatkas, im W. bei den Chewsuren. In Amerika sind M. nur noch lokal vorhanden: bei den Eskimo und den Pueblo, wo sie zugleich Schwitzhaus und Tempel sind, vor allem aber bei den Bororó in Südamerika, wo das Männerhaus den Mittelpunkt des ganzen Stammeslebens ausmacht. In Afrika ist das Männerhaus vor allen im W. verbreitet; es läuft zum Teil den Klubs und Geheimbünden parallel, ist anderseits oft von dem einen oder andern überwuchert worden. Im O. findet es sich vereinzelt bei den Wapokomo, den Wabondei, Wanyamwesi und einigen Stämmen westlich vom Nilquellgebiet. In Europa endlich ist das Männerhaus heute als Überlebsel nur noch in den Rätischen Alpen vertreten; in der Vergangenheit haben es die Griechen (Lesche), zweifellos auch andre Völker gehabt. Vgl. Schurtz, Altersklassen und Männerbünde (Berl. 1902).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 233.
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