Maurice

[465] Maurice, 1) (spr. morīß') Charles, genannt Chéri, Bühnenleiter, geb. 29. Mai 1805 zu Agen in Frankreich, gest. 27. Jan. 1896 in Hamburg, spielte schon in der Jugend mit Glück auf einem Liebhabertheater, siedelte 1824 mit seinem Vater nach Hamburg über und übernahm hier 1831 die Leitung einer Bühne, aus der nach dem großen Brand von 1842 das jetzige Thaliatheater hervorging (1843). 1847 übernahm M. die Direktion des Stadttheaters, die er erst mit Beison, dann mit Wurda bis 1854 führte, worauf er seine ganze Kraft wieder dem Thaliatheater widmete. Letzteres nahm besonders seit 1856 einen großen Aufschwung und hat sich durch sein treffliches Ensemble zu einer von allen Talenten gesuchten Musteranstalt herausgebildet. Von hier gingen die Goßmann, Seebach, Wolter und Dawison aus Wiener Burgtheater. Im Mai 1885 trat M. von der Öffentlichkeit zurück, die Leitung der Bühne seinem Sohn und bisherigen Mitdirektor Gustav (geb. 1836, gest. 23. Okt. 1893) überlassend. Nach dessen Tode führte er sie wieder bis 1. Juni 1894. Vgl. Ortmann, Fünfzig Jahre eines deutschen Theaterdirektors (Hamb. 1881).

2) (spr. maoriß) Frederick Denison, engl. Geistlicher, Sozialreformer und Schriftsteller, geb. 29. Aug. 1805 in Normanstown (Suffolk), gest. 1. April 1872 in Cambridge. Als Sohn eines unitarischen Predigers konnte er an der Universität Cambridge keinen Grad erlangen, wurde Redakteur an der 1827 neugegründeten Zeitschrift »Athenaeum«, studierte in Oxford Theologie und erhielt 1835 die Kaplanstelle an Guys Hospital in London. Daneben wurde er 1840 Professor der neuern Geschichte und der englischen Literatur, 1846 auch der Kirchengeschichte, an King's College, mußte jedoch infolge seiner freisinnigen »Theological Essays« (1853, 6. Aufl. 1904) seine Stelle niederlegen, während ihm seine Kaplanstelle in Lincoln's Inn belassen wurde. Der Fall wurde zu einem der Ausgangspunkte der freiern religiösen Bewegung in England. Mit Charles Kingsley (s. d.) und Arthur Stanley (s. d.) stand M. an der Spitze der sogen. Breitkirchlichen (s. Anglikanische Kirche, S. 522). 1860 erhielt er durch den persönlichen Einfluß der König in die Pfarre St. Peter in Vere-Street, wo er die gebildeten Freisinnig-Religiösen um sich versammelte. 1866 ernannte ihn die Universität Cambridge zum Professor der Moralphilosophie. Als das Haupt der »christlichen Sozialisten« war er für Förderung der Volksbildung (Stiftung des Working Men's College), für höhere Frauenerziehung (Queen's College), für Ausdehnung des Wahlrechts etc. tätig. Von seinen zahlreichen Werken seien, abgesehen von mehreren Predigtsammlungen, noch erwähnt: »History of moral and metaphysical philosophy« (1850 bis 1860); »The religions of the world« (5. Aufl. 1877); »Lectures on the ecclesiastical history of the I. and II. centuries« (1854); »The patriarchs and lawgivers of the Old Testament« (4. Ausg. 1892). Vgl. die von seinem Sohn, Major Frederick M., veröffentlichte Biographie: »Life of F. D. M.« (4. Aufl. 1885, 2 Bde.; deutsch von Sell, Darmst. 1885); Helene v. Dungern, Der Führer der christlich-sozialen Bewegung Englands von 1848–1866, Frederick Denison M. (Götting. 1900).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 465.
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