Naxos [1]

[475] Naxos (jetzt Naxiá, vulgär. Axiá), Insel im Ägäischen Meer, die landschaftlich schönste, höchste (Ozia 1003 m) und größte (423, nach andern 449 qkm) der Kykladen, mit (1896) 15,608 Einw. Die im Umriß, fünfeckig gestaltete und nur mit schlechten Häfen ausgestattete Insel ist ein mehrgipfeliges Gebirge, und zwar ein von Gneis und Glimmerschiefer umlagerter Granitstock, dessen höchste Erhebungen aus kristallinischem Kalk (Marmor) bestehen. Die Insel ist quellenreich und gut bewässert, in ihren untern Teilen fruchtbar und trefflich angebaut, während die Berge ausgedehnte Weideflächen für große Ziegenherden darbieten. Jahrestemperatur 18,7°, Januar 11,8°, Juli 25,5°, Regenhöhe 342 mm. Massenhaft wuchern die Agaven, die als lebende Hecken die Weinpflanzungen und Obstgärten voneinander trennen. N. erzeugt die besten griechischen Apfelsinen und als eine besondere Spezialität die in Griechenland sonst nicht in größerm Umfange gebaute Kartoffel. Ferner liefert es Weizen, Gerste, Tomaten, Wein, Öl, Mastix, von Mineralien Marmor und namentlich den wegen seiner Härte als Schleifmaterial hochgeschätzten Schmirgel, dessen Gewinnung (jährlich 5–6000 Ton. im Werte von 300–340,000 Frank) Staatsmonopol ist. Außer auf N. kommt Schmirgel auch auf den benachbarten Inseln vor; um aber die Preise nicht zu drücken, gestattet dieRegierung nur auf N. den Abbau. Die malerische, aber höchst schmutzige und verwahrloste Hauptstadt N. an der Nordwestküste hat ein von den Venezianern erbautes Schloß und einen von regelmäßigen Dampferlinien angelaufenen Hafen, ist Sitz des katholischen Erzbischofs der Kykladen und eines griechischen Erzbischofs. Ihre Einwohnerzahl (1879: 2029; 1896: 1766) hat nicht unerheblich abgenommen, so daß das Dorf Apiranthos mit 1982 Einw. heute der größte Ort der Insel ist. N. ist Hauptort der Eparchie N., die auch Paros und Antiparos umfaßt. Vgl. Philippson, Beiträge zur Kenntnis der griechischen Inselwelt (Ergänzungsheft zu »Petermanns Mitteilungen«, S. 71–82, Gotha 1901). – In der ältesten Zeit hieß die Insel von ihrer Gestalt Strongyle (die Abgerundete), auch Dia und Dionysias, und war wegen ihres Weinreichtums durch den Kultus und Mythus von Dionysos berühmt. Die Bewohner der Insel waren Karer, nach ihnen Jonier, die sie verdrängten und einen bald mächtig werdenden Staat gründeten. Infolge innerer Zwistigkeiten gerieten sie indes in Streit mit Peisistratos von Athen, der 536 Lygdamis, den Führer der oligarchischen Partei auf N., als Tyrannen einsetzte. Seine Herrschaft war die Blütezeit der Insel; er machte die benachbarten Inseln von sich abhängig, zum Teil indem er auf ihnen die Erhebung von Tyrannen beförderte, so auf Samos die des Polykrates. Mit Hilfe der Spartaner wurde er indes (um 525) vertrieben, aber auch die Aristokraten konnten sich nicht lange behaupten, obwohl sie die Perser zu Hilfe riefen (501), und mußten der Volkspartei weichen. Zum zweiten Perserzug mußte N. dem Xerxes vier Schiffe stellen, diese aber gingen in der Schlacht bei Salamis zu den Griechen über und befreiten dadurch ihre Insel von der persischen Oberherrschaft. Seitdem bildete sie ein Glied des attischen Seebundes, weigerte sich aber als der erste der verbündeten Staaten, der Bundespflicht nachzukommen, und wurde von Athen bezwungen (466) und als erobertes Land behandelt. Später war N. Mazedonien, in der Diadochenzeit Ägypten untertan, dann den Rhodiern, endlich den Römern. Im Mittelalter erhielt die Insel den Namen Naxia. Nach Errichtung des lateinischen Kaisertums in Konstantinopel eroberte sie 1207 der Venezianer Marco Sanudo nebst den andern Kykladen und wurde von dem lateinischen Kaiser Heinrich 1210 zum erblichen Herzog des Archipelagos, der sogen. Dodekanesos, mit N. als Sitz des Herzogtums erhoben. Als das Haus Sanudo 1362 ausstarb, erhielt der Gemahl der Tochter des letzten Herzogs, Johann dalle Carceri, Herr von Negroponte, das Herzogtum N. Auf dessen Geschlecht folgten die Crispi (1383–1566), auf diese der portugiesische Jude Jussuf-Nassy, dem das Herzogtum von dem Sultan Selim II. verliehen worden war (1566–79). Nach dessen Tode wurde es dem türkischen Reich einverleibt, zu dem es bis zur Erhebung Griechenlands gehört hat. Vgl. Curtius, Naxos (Berl. 1846); Dugit, De insula Naxo (Par. 1867).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 14. Leipzig 1908, S. 475.
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