Quevēdo y Villegas

[520] Quevēdo y Villegas (spr. kewēdo i wiljĕgas), Francisco de, span. Staatsmann, Gelehrter und Schriftsteller, geb. 26. Sept. 1580 in Madrid, gest. 8. Sept. 1645 in Villanueva de los Infantes, studierte in Alcalá de Henares, wo er sich früh den Grad eines Doktors der Theologie erwarb, daneben aber so ausgezeichnete Studien in klassischen und modernen Sprachen und Literaturen, in der Rechtswissenschaft und Mathematik machte, daß zu dem 21jährigen bereits Justus Lipsius[520] wie zu einem Gleichen u. voller Bewunderung sprach. Am Hofe Philipps III. machte die herrschende Sittenlosigkeit den scharfsinnigen Beobachter und originellen Denker zum Satiriker. 1601–05 entstanden seine ersten bittern »Träume« oder phantastischen »Visionen«, im Geist des Spötters Lucian, doch verkörpert in Gestalten, die an Dante und Hieronymus Bosch erinnern (»Der geschröpfte Scherge«, »Die Schweineställe des Pluto« und »Schädeltraum«). Durch diese und andre zog Q. die Aufmerksamkeit bedeutender und einflußreicher Männer auf sich, so insbes. des Herzogs von Osuna (s. d.), dessen Sekretär er 10 Jahre blieb, die Wissenschaft der Politik von Grund aus kennen lernend, in Venedig, Sizilien, Neapel und überall, wohin die Ereignisse den zum Vizekönig von Neapel ernannten Herzog führten. Nach dem Sturz Osunas (1620) wurde Q. als sein vertrauter Ratgeber zur Untersuchung gezogen und hatte Kerker und Verbannung nach seinem Herrensitz Torre de Juan Abad zu bestehen. Nach seiner Freilassung gelang es ihm jedoch, durch eine juvenalische Epistel über die Laster der Zeit den Herzog von Olivarez für sich einzunehmen. Am Hofe Philipps IV. ward er wie ein Orakel gefürchtet, bis er 1639 wegen der Urheberschaft verschiedener Pamphlete gegen seinen Gönner und gegen den König zu schwerer Kerkerstrafe verurteilt wurde. Erst der Sturz des Herzogs gab ihm 1643 die Freiheit wieder; aber seine Gesundheit war für immer zerrüttet. Am berühmtesten hat Q. sich durch seine satirischen und humoristischen Schriften gemacht, unter denen besonders zu bemerken sind: die »Cartas del Caballero de la Tenaza«, die bereits erwähnten genialen geistsprühenden »Traumgesichte«, zu denen weitere vier hinzugekommen waren, d. h. die »Sueños y discursos«, die fast in alle gebildeten Sprachen übersetzt und vielfach nachgeahmt wurden (vgl. Moscherosch), sowie die »Historia de la vida del Buscon llamado D. Pablos, ejemplo de vagamundos y espejo de tacaños« (gewöhnlich »Historia del Gran Tacaño« genannt), einer der vorzüglichsten der sogen. Schelmenromane (erste Ausg. 1627; neueste Madr. 1884; deutsch von Keil: »Geschichte des Erzschelms, genannt Don Paul«, Leipz. 1826; franz. von Germond de Lavigne als »D. Pablo de Ségovie«, Par. 1842 u. ö.). Auch sein Lehrgebäude staatsmännischer Weisheit, betitelt: »Politica de Dios y Gobierno de Christo«, ist beachtenswert. Zahlreiche gelehrte Werke sowie Übersetzungen kamen hinzu. In seinen Gedichten ist Q. ebenso originell wie in seinen Prosaschriften und hat sich fast in allen Gattungen versucht, in nationalen wie italienischen Weisen: auch hier sind die satirischen die besten. Sie erschienen in der Form eines Parnaß mit neun Musenhügeln (neue Ausgabe als »Nueve Musas«, Par. 1883). – Q. ist nächst Cervantes der bedeutendste spanische Prosaist des 17. Jahrh., unübertroffen als Polemiker und Satiriker. Er ist ein Meister der Sprache: den Modegeschmack der Zeit (s. Gongora y Argote) bekämpfte er, führte selbst aber in die Prosa eine neue Künstelei ein, den Konzeptismus, indem er gedankenreiche Sätze doppelsinnig gestaltete. Die ältern Ausgaben seiner gesammelten Werke sind meist inkorrekt und unkritisch. Sorgfältiger ist die von Antwerpen 1729, 4 Bde., und die von Madrid 1791–94, 11 Bde.; die beste und vollständigste war bisher die in der »Biblioteca de autores españoles« (1852–77; Band 23 und 48 mit den Prosawerken besorgt in vorzüglicher Weise von A. Fernández-Guerra, Band 69 mit den dichterischen Werken weniger gut von Florencio Janer). Doch wird die neue von Fernández-Guerra und Menendez y PelayoBibliófilos andaluces«, Sevilla 1897 ff.) sie bei weitem überholen. Eine Auswahl der Gedichte veröffentlichte Ochoa (Par. 1875); »Poesias picarescas inéditas« erschienen in Madrid 1884. Einzelausgaben des Schelmenromans, der »Traumgesichte«, der »Obras satiricas«, »Obras serias«, »Obras festivas« sowie der Dichtungen erscheinen fortwährend. Vgl. Baumstark, Don F. de Q. (Freiburg 1871); E. Mérimée, Essai sur la vie et les œuvres de Fr. de Q. (Par. 1886); C. Soler, Q., estudio psicologico (1899).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 16. Leipzig 1908, S. 520-521.
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