[403] Sachsenspiegel (»Spiegel der Sachsen«), das älteste der deutschen Rechtsbücher des Mittelalters (s. Deutsches Recht), eine private Aufzeichnung, entstanden zwischen 1198 und 1235. Der S. enthält in zwei Teilen eine Darstellung des sächsischen Land- und Lehnrechts, wobei das Sachsenland das ganze nördliche Deutschland von der Oder bis zur fränkischen und friesischen Grenze umfaßt, sowie nebenher des den deutschen Stämmen gemeinsamen Rechts. Verfasser des Sachsenspiegels ist der sächsische Schöffe und Ritter Eike von Repgow (s. d.). Der S. ist ursprünglich in lateinischer Sprache verfaßt, aber vom Verfasser selbst auf Veranlassung des Grafen Hoyer von Falkenstein ins Deutsche (niedersächsische Mundart) übertragen. Der ursprüngliche lateinische Text ist für das Landrechtsbuch verloren, für das Lehnrechtsbuch wahrscheinlich in dem Auctor vetus de beneficiis erhalten. Quellen des Sachsenspiegels sind sächsisches Gewohnheitsrecht, einige Rechtsgesetze und Urteile des kaiserlichen Gerichts, während dem römischen und kanonischen Rechte kein Einfluß gegönnt ist. Der Stoff gehörte zunächst dem Privatrecht, dann dem Straf-, Prozeß- und Staatsrecht an, ein festes System fehlt. Seit dem 14. Jahrh. ist der S. verschiedentlich glossiert worden. 1374 wurden durch die Bulle Salvator humani generis des Papstes Gregor XI. 14 Artikel des Sachsenspiegels als unvereinbar mit den Lehren der Kirche verurteilt (articuli reprobati). Früh ist der S. über sein Vaterland hinaus im ganzen Norden, Westen und Osten verbreitet worden; es gibt von ihm drei verschiedene Rückübersetzungen ins Lateinische, ferner eine niederländische und eine polnische. Der S. ist die Grundlage des Mitte des 13. Jahrh. entstandenen Deutschenspiegels (s. d.) oder Spiegels der deutschen Leute und dadurch indirekt Quelle des Schwabenspiegels (s. d.). An den S. schließen sich an: der Richtsteig Landrechts und der Richtsteig Lehnrechts, systematische Darstellungen des gerichtlichen Verfahrens, ersterer aus der Mitte, letzterer aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrh., das Rechtsbuch nach Distinktionen oder der vermehrte S. aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrh. und das Sächsische Weichbild, Darstellung des in den sächsischen Städten geltenden Rechts, endlich die Rechtsbücher des Nic. Wurms: »Die Blume von Magdeburg«, »Die Blume des Sachsenspiegels« und das »Liegnitzer Stadtrechtsbuch«. Von neuern Ausgaben des Sachsenspiegels sind hervorzuheben die von Homeyer (Berl. 1827;[403] 2. Ausg., mit dem Lehnrecht, 183544, 3 Bde.; 3. Ausg. des 1. Teils 1861), Weiske (Leipz. 1840; neu bearbeitet von R. von Hildebrand, 8. Aufl., das. 1905) und Sachße (mit hochdeutscher Übersetzung, Heidelb. 1848). Vgl. Homeyer, Die Stellung des Sachsenspiegels zum Schwabenspiegel (Berl. 1853); Ficker, Über die Entstehungszeit des Sachsenspiegels (Innsbr. 1859); Steffenhagen, Die Entwickelung der Landrechtsglosse des Sachsenspiegels (Wien 1881 bis 1887, 9 Hefte); v. Zallinger, Die Schöffenbarfreien des Sachsenspiegels (Innsbr. 1887); Friese, Das Strafrecht des Sachsenspiegels (Bresl. 1898); Röthe, Die Reimvorreden des Sachsenspiegels (Berl. 1899); »Die Dresdener Bilderhandschrift des Sachsenspiegels« (hrsg. von Amira, Bd. 1, Leipz. 1902; Faksimile in 184 Lichtdrucktafeln).