Say [2]

[653] Say (spr. ßǟ), 1) Jean Baptiste, franz. Nationalökonom, geb. 5. Jan. 1767 in Lyon, gest. 15. Nov. 1832 in Paris, kam im Beginn der Revolution nach Paris, ward von Mirabeau bei der Redaktion des »Courrier de Provence« beschäftigt und 1792 Sekretär des Finanzministers Claviere. Nach dem 18. Brumaire zum Mitglied des Tribunals ernannt, ward er als oppositionell gesinnt von Bonaparte bald wieder daraus entfernt. Nach der ersten Restauration 1815 ward er Mitglied der Akademie der Wissenschaften, 1819 Professor der Economie industrielle am Conservatoire des arts et métiers und 1830 Professor der politischen Ökonomie am College de France. S. hat zuerst die Lehre von Adam Smith in Frankreich populär gemacht und namentlich die Theorie der Absatzwege (théorie des débouchés) ausgebildet, d.h. die Lehre, daß man nur so weit auf Absatz rechnen könne, als der Käufer mit eignen Erzeugnissen zu zahlen vermöge. Seine Hauptwerke sind: »Traité d'économie politique« (Par. 1803, 8. Aufl. 1876; deutsch von Morstadt, 3. Aufl., Heidelb. 1831–32, 3 Bde.); »Catéchisme d'économie politique« (1815, 6. Aufl. 1881; deutsch, 5. Aufl., Stuttg. 1827) und »Cours comptot. d'économie politique pratique« (1829, 6 Bde.; 3. Aufl. 1852, 2 Bde.; deutsch von Stirner, Leipz. 1845, 4 Bde.). Er schrieb ferner: »Aperçus des hommes et de la société« (1817; deutsch, Altenb. 1821); »De l'Angleterre et des Anglais« (3. Aufl. 1816); »De canaux de navigation dans l'état actuel de la France« (1818). Seinen Nachlaß gab sein Schwiegersohn Charles Comte u. d. T.: »Mélanges et correspondance d'économie politique« (Par. 1833) heraus. Vgl. A. Liesse, J. B. S. (Par. 1901).

2) Leon, franz. Staatsmann, Enkel des vorigen, geb. 6. Juni 1826 in Paris, gest. daselbst 30. April 1896, erhielt durch den Tod seines Schwiegervaters Bertin einen bedeutenden Anteil an der Leitung des »Journal des Débats«, war lange Zeit Direktor der Nordbahn und Mitarbeiter an mehreren volkswirtschaftlichen Journalen, in denen er die Finanzwirtschaft des Kaiserreichs bekämpfte, wurde im Februar 1871 in die Nationalversammlung, wo er zum linken Zentrum gehörte, gewählt und 5. Juni zum Seinepräfekten ernannt, um die Finanzen von Paris in Ordnung zu bringen. Hierauf verwaltete er 7. Dez. 1872 bis 24. Mai 1873, 10. März 1875 bis 16. Mai 1877 und 13. Dez. 1877 bis Ende 1879 das Finanzministerium und wurde 1880 zum Präsidenten des Senats erwählt. Nachdem er im Januar 1882 wieder als Finanzminister ins Kabinett Freycinet eingetreten, wurde er nach seinem Rücktritt (Juli 1882) nicht wieder zum Senatspräsidenten gewählt. 1889 wurde er wieder in die Deputiertenkammer gewählt, wo er an die Spitze der Freihändler trat; ebenso 1893. Seit 1886 war er Mitglied der Akademie. Er schrieb: »Histoire de la caisse d'escompte« (1848), »Rapport sur le payement de l'indemnité de guerre« (1874), »Les finances de la France« (1883), »Le socialisme d'Etat« (1884), »Les solutions démocratiques de la question des impôts« (1886, 2 Bde.), »Turgot« (1887, 3. Aufl. 1904), »David Hume« (1888), »Cobden« (1891), »Economie sociale« (2. Aufl. 1891), »Contre le socialisme« (1896) und gab mit Foyot und Lanjalley das »Dictionnaire des finances« (1883 bis 1894, 2 Bde.) sowie mit Chailley-Bert das »Nouveau dictionnaire d'économie politique« (1891–1892, 2 Bde.; 2. Ausg. mit Supplement 1904) heraus. Seine finanzpolitischen Reden und Artikel sind nach seinem Tode u. d. T.: »Les finances de la France sous la troisième république« (Par. 1893–1901, 4 Bde.) erschienen. Vgl. Michel, Léon S., sa vie et ses œuvres (Par. 1899); Picot, Léon S. (das. 1901).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 653.
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