Sonntagsschulen

[613] Sonntagsschulen, dem Wortlaut nach Schulen, in denen am Sonntag unterrichtet wird, wie z. B. vielfach in Fortbildungsschulen (s. d.). Vorzugsweise nach Sprachgebrauch Anstalten, an denen die Jugend des niedern Volkes durch freiwillige Lehrer und Lehrerinnen der gebildeten Stände im religiösen Interesse unterrichtet wird. Solche Schulen gründete schon der Erzbischof Karl Borromeo von Mailand (gest. 1584), und andre hervorragende Männer der katholischen Kirche, namentlich J. B. de La Salle, Stifter des Vereins der christlichen Schulbrüder (gest. 1719), folgten ihm darin. Doch blieben ihre Bestrebungen vereinzelt. Dagegen erwachte im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts in England und Schottland begeisterter Eifer für die Gründung von S., der nach und nach in alle Länder der angelsächsischen Zunge, besonders nach Nordamerika, sich verbreitet hat. Nach einigen sollen die ersten englischen S. von den Töchtern des Geistlichen More in Hanham bei Bristol, namentlich von der auch als Schriftstellerin bekannten Hannah More, gegen 1780 eingerichtet worden sein. Gewöhnlich wird Robert Raikes, ein reicher Buchdrucker in Gloucester (geb. 1735, gest. 1811), als erster Gründer der S. genannt. Er gründete 1781 (1784?) eine Sunday School in seiner Vaterstadt und gab die Anregung zu der von William Fox gestifteten London Sunday School Society (1785), die in kurzer Zeit außerordentliche Erfolge aufzuweisen hatte. In Deutschland entstand 1791 eine Sonntagsschule in München; 1799 gründete Professor Müchler in Berlin eine solche für Knaben, 1800 der jüdische Menschenfreund Samuel Levi eine solche für Mädchen. S., in denen nach englischem Vorbilde das religiöse Moment besonders gepflegt ward, entstanden 1825 in Hamburg durch Oncken und Rautenberg, 1834 in Bremen durch Treviranus, 1835 in Berlin durch Kuntze. Durch die Fortschritte der Volksschule einer-, das Aufkommen der Innern Mission unter Wichern anderseits wurden die deutschen S. immer mehr auf religiösen Unterricht beschränkt. Sie nahmen daher Wesen und teilweise Namen der Kinder- oder Jugendgottesdienste an (s. Kindergottesdienst). Der Unterricht vollzieht sich meist unter Leitung eines Geistlichen durch freiwillige, von ihm instruierte Helfer und Helferinnen in kleinern Gruppen. Der Eifer für die S. nahm in evangelisch-kirchlichen Kreisen seit 1864 lebhaften Aufschwung durch Albert Woodruff aus Brooklyn sowie seine deutsch-amerikanischen Freunde Bröckelmann (Heidelberg) und Professor Schaff (New York), nachdem schon 1857 die Versammlung der Evangelischen Allianz in Berlin auf diese bezeichnende Form englischer Kirchlichkeit von neuem die Aufmerksamkeit gerichtet hatte. An S. aller Art waren 1900 in Deutschland etwa 1800 mit mehr als 20,000 Helfern und (zumeist) Helferinnen bei fast 500,000 Kindern vorhanden. Reicher noch ist die Sache der S. in den Ländern englischer Zunge, reich auch in den Niederlanden, Skandinavien etc. entwickelt. Vgl. H. Clay Trumbull, Lectures on the sunday school (Philad. 1888); Reinhard, Zur Geschichte der S. und Kindergottesdienste in Deutschland (Berl. 1888); Achelis, Lehrbuch der praktischen Theologie (2. Aufl., Leipz. 1898, 2 Bde.). Zeitschriften: »Sunday School Times« (hrsg. von Trumbull, Philad.); »Sunday School Chronicle« (Lond.); »Monatsschrift für Innere Mission« (hrsg. von Schäfer, Gütersl.); »Sonntagsschulfreund« (Berl.); »Der Kindergottesdienst« (Brem.); »Sonntagsschul-Magazin« (das.) u. a.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 18. Leipzig 1909, S. 613.
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