Straußvögel

[111] Straußvögel (Kurzflügler, Ratitae, Brevipennes, hierzu Tafel »Straußvögel I und II«), eine der Hauptgruppen der Vögel mit einem Brustbein, das nicht, wie bei den andern Vögeln, einen hohen Knochenkamm zum Ansatz der Flugmuskeln hat, sondern flach bleibt. Die Flügel sind verkümmert und können höchstens zur Beschleunigung des Laufes dienen. Der ganze Knochenbau weicht wesentlich von dem der fliegenden Vögel ab: so sind die Knochen nicht hohl und voll Luft, sondern fest und schwer (namentlich sind die Hinterbeine sehr massiv); die Schädelknochen bleiben in der Jugend noch lange voneinander getrennt; die Teile des Schultergürtels verwachsen zu einem einzigen Knochen; die Schlüsselbeine sind rückgebildet, alles Eigentümlichkeiten, die mit dem Rückgang des Flugvermögens zusammenhängen. Der Oberarm ist entweder lang, wie bei den Straußen im[111] engern Sinn, oder sehr kurz oder ganz verkümmert. Die Zahl der Zehen wechselt zwischen zwei und vier und dient zur Unterscheidung der einzelnen Gruppen der S. Der Schnabel ist stets flach, meist auch kurz. Die Zunge ist sehr klein. Ein Kropf fehlt meistens: der Magen ist außerordentlich muskulös und derb (»Straußenmagen«); die Gallenblase fehlt bei einigen Arten, ebenso der untere Kehlkopf wie die Bürzeldrüse. Im männlichen Geschlecht sind die Begattungsorgane zum Teil sehr gut entwickelt (s. Vögel). Dem Gefieder fehlen die Schwung- und Steuerfedern; die Federn selbstzunterscheiden sich von den gewöhnlichen Vogelfedern dadurch, daß die Strahlen nicht zusammenhängen, sondern lockere Büschel bilden; sie sind daher weich wie Flaumfedern. Die Konturfedern haben bisweilen ein oder zwei Afterschäfte von gleicher Größe mit dem Hauptschaft. Manche Stellen an Kopf, Hals und Brust bleiben nackt. – Die S. sind meist ansehnliche Tiere und haben namentlich unter den Fossilen riesige Vertreter. Im Lauf übertreffen einige die besten Renner unter den Säugetieren. Sie bewohnen meist Steppen und Ebenen der Tropen und nähren sich von Pflanzen; bei vielen Arten lebt ein Männchen mit mehreren Weibchen zusammen. Die zuweilen sehr großen Eier werden vorzugsweise vom Männchen bebrütet. In der Gegenwart fehlen die S. in Europa, waren jedoch einst vorhanden, wie die Funde in England dartun. Zurzeit ist die Gruppe im Aussterben begriffen und hat sogar in historischer Zeit sich wesentlich vermindert (s. unten). Sie umfaßt nur noch fünf Gattungen mit etwa 20 Arten, zu denen noch fast ebensoviele jüngst ausgestorbene hinzukommen. Wohl als schwimmender Strauß ist der in der Kreide von Kansas aufgefundene Hesperornis zu betrachten, dessen Schnabel aber mit Zähnen besetzt war. Abgesehen von ihm teilt man die S. in sechs Familien, die man aber auch neuerdings als nicht zusammengehörig betrachtet, sondern bei andern Gruppen der Vögel unterbringt (z. B. die Familien 3 und 4 bei den Hühnervögeln); die Vertreter dieser Ansicht halten also die S. nicht für eine einheitliche Gruppe und leiten sie von Vögeln ab, die fliegen konnten. Die sechs Familien sind:


1) Äpyornithiden (Aepyornithidae) mit der Gattung Aepyornis. Bewohnten Madagaskar, wo man im Alluvium Teile des Skeletts und die enormen Eier (achtmal größer als Straußeneier) gefunden hat. A. maximus ist vielleicht der Vogel Rok der Sage.

2). Palapterygiden (Palapterygidae) mit zwei Gattungen. Füße dreizehig, Flügel sehr verkümmert. Lebten auf Neuseeland.

3) Moas oder Dinornithiden (Dinornithidae) mit zwei Gattungen. Füße zweizehig, Flügel fehlten wahrscheinlich ganz. Lebten auf Neuseeland zum Teil noch mit Menschen zusammen und leben in kleinern Arten dort vielleicht auch jetzt noch. Hierher Dinornis giganteus (s. Tafel »Diluvium I«, Fig. 4) oder Moa.

4) Kiwis oder Schnepfenstrauße (Apterygidae). Schnabel sehr lang, Nasenlöcher an seiner Spitze, Flügel und Schwanz nicht hervortretend, Beine sehr stark, Füße vierzehig. Hierher die Gattung Apteryx (Kiwi) von Neuseeland.

5) Kasuare (Casuaridae). Schnabel ziemlich lang, hoch, Schwanz nicht hervortretend, Hals kurz, Füße dreizehig. Hierher die Gattungen Casuarius (Kasuar, Tafel II, Fig. 2, Australien und benachbarte Inseln) und Dromaeus (Emu, Tafel II, Fig. 1, Australien).

6) Strauße (Struthionidae). Schnabel breit, flach, Hals und Läufe sehr lang, Flügel zum Teil verkümmert, Füße drei- oder zweizehig. Hierher die Gattungen Rhea (amerikanischer oder dreizehiger Strauß, oder Nandu, Tafel I, Fig. 2, Südamerika) und Struthio (afrikanischer oder zweizehiger Strauß, Tafel I, Fig. 1, Afrika, Arabien, Syrien).


Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 19. Leipzig 1909, S. 111-112.
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