Weinsteuer

[488] Weinsteuer ist eine indirekte Steuer vom Wein- (und Obstwein-) Konsum. Dieselbe ist leicht auf dem Wege der Verzollung in Ländern zu erheben, die keinen Wein bauen. Dagegen ist die Besteuerung der heimischen Erzeugung deswegen mit großen Schwierigkeiten verbunden, weil der Wein ein Produkt zahlreicher landwirtschaftlicher Kleinbetriebe ist, weil die Weinproduktion jährlich nach Menge und Beschaffenheit sehr schwankt und die Qualität sich oft erst nach Jahren entwickelt, und weil der Handel sehr zersplittert ist. Deshalb hat man es mit verschiedenen Erhebungsformen versucht. 1) Die Produktionssteuer. Sie richtet sich nach der Größe der bebauten Fläche (Arealsteuer), läßt dann allerdings auch Qualität und jährliche Ertragsschwankung unberücksichtigt, oder sie trifft mit Klassifikation der Weinberge und mit Kelterzwang, bez. Anmeldepflicht unter nachfolgender Kontrolle der Vorräte das wirkliche Mosterzeugnis. Diese Moststeuer ist schwankend im Ertrag, kann namentlich in schlechten Jahren zu einer schweren Belastung des Weinbauern führen und gestattet keine Berücksichtigung der durch die Kellerbehandlung bewirkten Veränderungen sowie der Abgänge. Auch als Materialsteuer nach dem Maß oder Gewicht der mr Weinbereitung bestimmten Trauben- oder Obstmengen kommt die Produktionssteuer vor, läßt aber auch als solche die verschiedene Qualität unberücksichtigt. Diese Produktionssteuern begünstigen den Kunstwein und machen die Rückvergütung der Steuer bet späterer Ausfuhr sehr schwierig. 2) Die Zirkulations-,[488] bez. Handelssteuern. Zunächst kann die W. an den Verkehr sich derart anknüpfen, daß sie beim Verbringen von Ort zu Ort (Transportsteuer) erhoben wird und zwar entweder vom Versen der als Versandsteuer vor Beginn des Transports oder vom Empfänger als Einlagesteuer vor der Verbringung in den Keller, wobei, um mehrmalige Besteuerung zu verhüten, die Einlagerungen bei Weinbauern und Großhändlern freigelassen werden können. Die Transportsteuer trifft auch den Kunstwein, führt aber bei wiederholter Versendung und Einkellerung zu mehrfacher Besteuerung und macht, zumal wenn letztere durch Zulassung von Ausnahmen vermieden werden soll, ausgedehnte, kostspielige und lästige Kontrollen nötig. Vereinfacht wird die W., wenn sie sich auf den in Städte eingehenden Wein beschränkt; doch widerspricht eine solche (für Kommunalsteuern brauchbare) Eingangssteuer dem Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung. Ferner tritt die W. auf in der Form der Handelsbesteuerung vom Kleinverkauf besonders in Wirtshäusern, während Großhandel und Privatbezug steuerfrei gelassen werden. Die Besteuerung kann dann in der Art erfolgen, daß jeweilig der Kellerbestand sowie Zu- und Abgang unter Kellerkontrolle ermittelt werden. Werden dabei die Verkaufspreise berücksichtigt, so kann die Steuer sich eng an die Qualität anschließen. Sie zwingt dann zu keinem langdauernden Vorschuß, gestattet die Anwendung von Abfindungen (Abonnement, Akkord), gewährt der Staatskasse eine stetige Einnahme, und ihre Kontrolle beschränkt sich auf eine kleinere Zahl von Personen. Eine andre Form der Handelsbesteuerung sind die Lizenzen, die, wenn sie im Interesse der Einfachheit in gleichen Sätzen erhoben werden, wenig ergiebig sind. Soll die Besteuerung eine gleichmäßigere sein, so kann man sie auch als Repartitionssteuer auf eine Gruppe von Steuerpflichtigen auslegen, die sie dann bei Selbsteinschätzung unter sich verteilen. In Deutschland besteht keine Reichssteuer auf Wein. Ein dem Reichstag im November 1893 zugegangener Entwurf eines Weinsteuergesetzes (Versandsteuer) kam nur zur ersten Lesung. Nur der Schaumwein (s. Schaumweinsteuer) unterliegt der Besteuerung. Als Landessteuer besteht sie in Württemberg (neugeregelt durch Gesetz vom 4. Juli 1900) in Form einer Schanksteuer (Wirtschaftsabgabe, früher auch Umgeld genannt) mit 11 Proz. (daneben noch Lizenzabgaben und Gebühren für die Transportbezettelungen); in Baden (neugeregelt durch Gesetz vom 7. Juni 1892) in Form einer Weinakzise und eines Weinohmgeldes nach der Menge des zu besteuernden Weines, ausnahmsweise auch nach dem Gewichte der zur Weinbereitung bestimmten Trauben und Obstmengen (zurzeit Akzise pro Liter 3 Pf. beim Trauben-, 0,9 Pf. beim Obstwein, Ohmgeld 2, bez. 0,6 Pf.), sowie einer Steuer vom Kunstwein mit zurzeit 6 Mk. für 1 hl. Hessen hat seine aus einer Tranksteuer (allgemeine W.) und einer Zapfsteuer (vom Weinausschank) bestehende Steuer 1891 außer Hebung gesetzt und durch Gesetz vom 21. Juli 1900 aufgehoben. Preußen hatte 1820–65 eine Weinmoststeuer. Elsaß-Lothringen hat 1873 das französische System durch eine Versandsteuer mit ursprünglich 3 Mk. für 100 Lit. Traubenwein, seit 1880 mit 1,50 Mk. für 100 L. Trauben- und 0,80 Mk. für 100 L. Obstwein ersetzt, erhebt aber daneben noch Lizenzen der Wirte und Weinhändler; durch Gesetze von 1893 und 1895 ist die Steuer von Rosinenweinen auf 6 Mk. von 100 L. erhöht worden. Sehr ausgebildet und einträglich ist die Weinbesteuerung in Frankreich. Früher war sie sehr verwickelt, ist aber durch Gesetz vom 29. Dez. 1900 wesentlich vereinfacht worden. Die W. wird jetzt in Form einer Zirkulationssteuer (droit de circulation) mit 1,50 Fr. vom Hektoliter Wein, 0,80 Fr. vom Hektoliter Obstwein erhoben. Die Lizenzen wurden gleichfalls neu geregelt und werden von den Kleinverschleißern nach den Patentsteuerklassen mit Steuersätzen von 20–500 Fr., bez. mit einer einheitlichen Abgabe von 450 Fr., von Großhändlern je nach der Größe des Umsatzes mit 200,300 und 500 Fr. erhoben. Der Ertrag der W. betrug 1906: 52 Mill. Mk. England, das selbst keinen Weinbau hat, besteuert den Wein in Form des Weinzolles und durch Lizenzen vom Kleinverschleiß. Österreich-Ungarn erhebt die W. als Eingangsabgabe in geschlossenen Orten, in offenen durch Einlagesteuern (meist durch Abfindung). Italien hat eine Torsteuer und eine Steuer auf den Weinausschank, Spanien erhebt in Orten über 2000 Seelen ein Oktroi, in andern eine an den Meistbietenden verpachtete Schanksteuer. Vgl. Schall, Die W., in Schönbergs »Handbuch der politischen Ökonomie«, Bd. 3; Duprat, Rapport sur l'impôt des boissons (Par. 1881); Leydhecker, Die Besteuerung des Weines in Elsaß-Lothringen (in der »Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft«, 1877); v. Heckel, Wein und W., im »Handwörterbuch der Staatswissenschaften«, 2. Aufl., Bd. 7 (Jena 1901); Kittel, Die Besteuerung des Weines in Deutschland (Münch. 1895).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 20. Leipzig 1909, S. 488-489.
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