Administrativjustiz

[138] Administrativjustiz, in neuester Zeit Name für den Theil der behördlichen Thätigkeit, bei welcher es sich nicht allein um Entscheidung privatrechtlicher Fragen, sondern zugleich um ein öffentliches Interesse handelt. Daher administrativ-contentiöse Sachen, besonders in Frankreich solche Privatrechtsstreitigkeiten, mit denen sich ein specielles Interesse des Staates (z.B. bei Gewerbsstreitigkeiten, Lieferungsirrungen etc.) verbindet. Indessen stehen diese Begriffe ebenso wenig fest, als die Entscheidung darüber, welche einzelne Arten von Sachen darnach unter den Begriff der A. einzurangiren seien. Die ganze Frage hat erst dadurch eine größere praktische Bedeutung gewonnen, daß man neuerdings mehr bemüht gewesen ist, die früher meist in denselben Behörden vereinigten Geschäfte der Justiz u. Verwaltung unter verschiedene Behörden zu vertheilen, wobei man natürlich wegen der innigen Berührung beider auch auf Angelegenheiten stieß, für deren Unterordnung weder der Gesichtspunkt der Justiz noch der der Verwaltung völlig ausreichte. Doch giebt es der Theorie nach eine eigentliche A. nicht. Beide Gesichtspunkte, die Entscheidung über bestehende Privatrechte u. ein Verwaltungsinteresse, können wohl in einer Sache zusammentreffen; allein dies kann nicht hindern, daß die Sache einerseits justizmäßig entschieden wird, andererseits aber daneben, insoweit dies nothwendig ist, im Interesse der Verwaltung besondere Anordnungen eintreten, die letzteren dürfen aber keinesfalls dazu führen, daß das Recht gebeugt u. die Entscheidung nicht nach den Gesetzen, sondern nur nach Zweckmäßigkeitsrücksichten gegeben werde. Selbst wo nach der besonderen Behördenorganisation wirkliche Justizgeschäfte den Verwaltungsbeamten übertragen sind, läßt sich von einer A. im eigentlichen Sinne als einer besondern Art der Justiz nicht sprechen; vielmehr ist der Verwaltungsbeamte mindestens nach den in Deutschland über die Unabhängigkeit der Gerichte u. das Verbot der Cabinetsjustiz geltenden Grundsätzen gehalten, bei seiner Entscheidung sich doch nur nach den Regeln der Justiz zu richten u. insoweit nicht als Organ der Polizei od. eines sonstigen Verwaltungszweiges, sondern als Richter zu agiren. Ist es zweifelhaft, ob eine Sache als Verwaltungs- od. Justizsache zu betrachten sei. so entsteht ein Competenzconflict, über welchen meist gemischte Behörden nach besondern Competenzordnungen zu entscheiden haben (s. u. Competenz). Vgl. Rudhardt, Über die Verwaltung der Justiz durch die administrativen Behörden, Würzb. 1817; Weiler, Über Verwaltung u. Justiz, Mannh. 1826; Pfizer, Über die Grenzen zwischen Verwaltungs- u. Civiljustiz, Stuttg. 1828; Ebenderf., Prüfung der neuesten Einwendungen gegen die Verwaltungsjustiz, Stuttg. 1833; Funke, Die Verwaltung in ihrem Verhältniß zur Justiz, Zwickau 1838.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 1. Altenburg 1857, S. 138.
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