Bibergeil

[732] Bibergeil (Castoreum, Pharm.), die in 2, neben dem After des Bibers befindlichen Beuteln enthaltene Masse; die beiden Säcke, Bibergeilsäcke, liegen parallel neben einander unter der Haut, stehen nur mit den dünneren Enden ihres Ursprungs in Verbindung, münden hier beim männlichen Biber zwischen die Vorbaut des Penis u. beim weiblichen Biber in den Raum, wo die sehr kleine Clitoris liegt u. wo sich die Mündungen der Harnröhre[732] u. der Scheide beenden. Es kommen hauptsächliche durch ihre Güte verschiedene Sorten im Handel vor: a) das Moscowitische (Russische, Sibirische) B. kommt in ei- od. birnförmigen, etwas zusammengedrückten, außen ziemlich ebenen, dunkelbraunen, 3–31/2, Zoll langen, 11/2,-2 Zoll breiten, 3–8 Unzen schweren Beuteln vor-, die aus 4, bei vorsichtigem Einschneiden- von einander abzuziehenden Häuten bestehen, deren 3. von der seinen 4. überzogen, im Inneren des Beutels gleichsam Zellen bildet, in denen das. Anfangs salbenartige, später zu einer gelben, braunen, gefleckten, mehr od. weniger glänzenden, je nach dem Alter mehr od. weniger trockenen u. zerreiblichen Masse erhärtende B., enthalten ist. Durch das Austrocknen entsteht meist eine unregelmäßige Höhle. Das B. hat frisch od. angefeuchtet einen juchtenartigen Geruch, nach dessen Verschwinden erst der ihm eigenthümlich starke, den meisten Menschen widrige hervortritt Neuere Untersuchungen von Weber u. Lehmann haben gezeigt, daß das B. von der gefäßreichen Leberhaut der Vorhaut des Penis u. der Clitoris abgesondert wird, u. daß es also Smegna praeputii des Bibers ist. In Baiern (in den Flüssen Isar u. Ammer), Polen, Preußen u. Dänemark wird B. von gleicher Güte, doch in geringerer Menge gewonnen; b) das Amerikanische (Canadische, Englische) B. kommt bes. durch die, Englisch-nordamerikanischen Handelscompagnien über England zu uns, ist in viel kleineren, schmäleren, mehr in die Länge gezogenen, dunkelbraunen, mehr unebenen, runzeligen Beuteln enthalten, deren Häute sich nicht von einander trennen lassen, im frischen Zustande weich, orangegelb; getrocknet vom Gelben bis zum Bräunlichschwarzen nüancirt. Man hielt diese Sorte früher stets für verfälscht u. künstlich hergestellt, was sich aber neuerdings als unrichtig erwiesen hat. Das B. wird von Wasser wenig angegriffen, Weingeist zieht eine kräftige, dunkelbraune Tinctur aus (s. Bibergeiltinctur). Vorwaltende Bestandtheile sind: Ätherisches Bibergeilöl, gelblichweiß, schwerer als Wasser, durchdringend wie V. riechend; Bibergeilharz (Castoreumresinoid), bräunlich, schwach nach B. riechend, für sich fast geschmacklos, in Alkohol gelöst bitter u. scharf schmeckend, leicht in Alkohol, auch in fetten Ölen, Ammonium u. Ätzkaliflüssigkeit, concentrirter Essigsäure, nicht in absolutem Äther, ätherischen Ölen, Schwefel u. Salzsäure löslich, in der Wärme erweichend; Bibergeilfett (Castorin), weiß, körnig, bisweilen krystallinisch, zerreiblich, wachsartig, schwach nach B. riechend, in Wasser, Alkohol, ätherischen u. fetten Ölen in der Siedhitze löslich, beim Erkalten sich abscheidend; Gallensteinfett (s.d.), viel kohlensaurer Kalt u. andere organische u. unorganische Substanzen. Das Russische N. enthält weit mehr ätherisches Öl, Harz, Castorin u. Gallensteinfett als das Amerikanische, dieses weht kohlensauren Kalk u. andere unorganische Substanzen, weshalb das erstere vorzugsweise zu pharmaceutischem Gebrauch zu wählen ist. Außerdem enthält das B. Benzoesäure, Salicin u. phenylige Säure. Wöhler glaubt, daß letztere das ätherisirte Öl sei, welches Brandes u. Und. dem B. eigenthümlich, erklären, daß sie wahrscheinlich die medianischen Wirkungen begründe u. daß sie demnach das theuere B. zu ersetzen wohl im Stande sein könne; Andere sind der Ansicht, daß sie phenylige Säure nur durch das Räuchern in das B. gekommen sei. Das B. ist ein kräftiges, krampfstillendes, anthysterisches Mittel, das in Pulver od. Pillen zu 1–4 Gran auch in geistigem Auszug (s. Bibergeiltinctur) häufig angewendet wird. Falsches od. künstliches wird in den Hodenfäcken junger Ziegenböcke in den Handel gewacht u. ist. leicht daran zu erkennen, daß das silberglänzende Zellgewebe fehlt, welches das Innere der Säcke maschenartig füllt. Verfälscht das echte gewöhnlich mit Gummiharzen od. auch mit Blei, um das Gewicht zu vermehren.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 2. Altenburg 1857, S. 732-733.
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