Krätze

[775] Krätze, 1) jeder überhaupt Bläschen od. Knötchen bildende Hautausschlag (falsche K.); dazu gehört auch die sogenannte Bäcker- od. Gewürzkrämerkrätze, die venerische K. (s. Syphilis), die eigentliche sogenannte falsche K. (Juckbläschen, Hauträude, Psydracia, Pseudopsora); die wahre K. (Milbenkrätze, Scabies, Psora) ist ein durch Ankriechen, Einbohren u. Vervielfältigung der Krätzmilbe erzeugtes Hautübel, welches daher sehr ansteckend (daher man früher von einem Krätzstoff, Krätzgift sprach) ist, denselben Menschen mehrmals befallen kann, ohne Fieber verläuft u. sich mehr durch die aus der Natur der Schmarotzermilbe hervorgehenden Eigenthümlichkeiten als durch die besondere Form des Ausschlags unterscheiden läßt. Der Krätzausschlag besteht aus einzelnen, auch truppweis stehenden, rothgesäumten, kegel- od. halbkugelförmigen Lymphbläschen (S. vesiculosa), die bisweilen auf der Stufe der Knötchenbildung (S. papulosa) stehen bleiben od. auch in wirkliche Eiterbläschen (Krätzpusteln, S. pustulosa) übergehen. Dazwischen bemerkt man die seinen, unter der Oberhaut hingehenden, geschlängelten Krätzmilbengänge von Linien- bis Zolllänge u. an deren Enden eine rundliche, dunkle Anschwellung, welche durch den Körper des Thieres selbst gebildet wird. Der Krätzausschlag findet sich bes. an zarteren, feuchteren Hautstellen, bes. an den Beugeflächen der Gliedmaßen, zuerst gewöhnlich an der Zwischenfläche der Finger u. Zehen, am Handgelenke, an der Knie- u. Ellenbogenbeuge, an den Genitalien, später auch an anderen Theilen, das Gesicht wird fast ohne Ausnahme verschont. Ein beständigen. höchst lästiges Symptom ist ein schon vor dem Ausbruch der Maschen bemerkliches Jucken, welches in der Bettwärme u. bei Erhitzungen unwiderstehlich zum Kratzen reizt. Die einzelnen Krätzbläschen schuppen sich, nachdem sie aufgekratzt worden sind, ganz trocken ab, indem sie sich mit kleinen schwarzen, aus geronnenem Blute entstehenden Schorfen bedecken (Trockene K., S. sicca), od. ergießen eine Feuchtigkeit u. bilden größere Schorfe (Feuchte K., S. humida) od. werden zu Geschwüren (Ulcera psorica). Den abgeheilten Bläschen folgen immer neue nach. Alleinige Ursache der K. ist die Krätzmilbe, daher die K. auch nur durch unmittelbare Berührung mit einer krätzkranken Person od. mit einem damit behafteten Thiere u. durch unmittelbares Übertragen der Milbe ansteckt. Manche Professionen (Gerber, Färber, Branntweinbrenner, Wäscherinnen, Braunkohlenwerkarbeiter etc.) werden selten von der K. befallen, Wollenarbeiter u. Schneider (daher Schneidercourage) um so häufiger daran leiden. Unreinlichkeit begünstigt die Ansteckung sehr, daher sie bei den ärmeren Volksklassen häufiger ist. Die Heilung der K. beruht auf Tödtung der Krätzmilben, dazu kommen Einreibungen von ätzenden Seifen u. Schwefelsalben in Anwendung, wobei innere Mittel jetzt fast ganz außer Gebrauch sind. Man hat verschiedene Methoden (Krätzkuren)[775] zur Heilung der K., so die Englische, nach welcher der Krätzkranke in einem Zimmer von 25–28° R. Luftwärme den ganzen entkleideten Körper mit grüner Seife abreibt u. in einem u. armen Bade sich reinigt, sodann 12 Stunden in wollene Decken gehüllt im Bette bleibt u. den Schweiß abwartet; darauf wird eine Schwefelsalbe mit verschiedenen Zusätzen eingerieben, der Kranke begibt sich zu Bett, wiederholt nach jedesmal 8 Stunden dasselbe 2–3mal u. beschließt die Kur mit einem Bade. Von den zur Krätzkur gebräuchlichen Krätzsalben ist außer jener Schwefelsalbe noch die Werlhofsche u. Zellersche zu nennen, welche Quecksilber enthalte. Die durch die Kur empfindlich gewordene Haut muß man eine Zeitlang schonen u, die zuweilen nach Krätzkuren eintretenden Krankheitserscheinungen (die man früher zurückgetriebene K. nannte) lassen sich auf Vernachlässigung jener Vorsicht zurückführen. Vgl. Bürger, Die K., Rathenow 1823; Wenzel, Die wahre K., 2. Ausg., Bamb. 1823; Pseufer, Beobachtungen über die K., Bamb. 1833; Gras, Recherches sur l'acarus, Par. 1834; Vezin, Über die K. u. ihre Behandlung nach der englischen Methode, 2. Aufl., Osnabrück 1836; Sonnenkalb, De scabie humano, Lpz. 1839; Gervais, Description de la gal etc., Par. 1841. 2) (Thierarzneikunde), so v.w. Egelkrankheit od. Rande; 3) K. der Bäume, so v.w. Baumkrätze, s.u. Flechten; 4) (Hüttenw. u. Metallarb.), so v.w. Gekrätz.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 775-776.
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