Milchsäure

[257] Milchsäure (Acidum lacticum). C6H5O5 + HO, nach Andern C6H4O4 + 2HO auch C12H10O10 + 2HO, chemische Zeichen od.[257] L, eine organische Säure, welche sich nicht nur beim Sauerwerden der Milch, sondern auch bei anderen Zersetzungsproducten vegetabilischer Substanzen, sowie im thierischen Organismus bildet. Sie entsteht bei der Gährung von Kohlenhydraten, bes. des Milchzuckers, Dextrins, Krümelzuckers u. Stärkemehls, weshalb man eine besondere Milchsäuregährung unterschieden hat (s. Gährung b); sie findet sich im Sauerkraut, in den sauren Gurken, in der Lohe (sogen. Nancysäure), in der Fleischflüssigkeit, im Magensaft u. anderen thierischen Flüssigkeiten. Man gewinnt die M. am besten nach der von Bensch angegebenen Methode: 6 Theile Rohrzucker, 1/16 Theil Weinsteinsäure, 8 Theile saure Milch, 1/2 Theil alter Käse u. 3 Theile geschlämmte Kreide werden mit 26 Theilen Wasser zusammengerührt u. mehrere Tage lang einer Temperatur von 32° ausgesetzt; nach etwa 10 Tagen hat sich ein steifer Brei von milchsaurem Kalk gebildet, dieser wird unter Zusatz von 1/16 Theil Kalk in 20 Theilen siedend heißem Wasser aufgelöst, heiß filtrirt u. etwas abgedampft; nach einigen Tagen haben sich körnige Krystalle von milchsaurem Kalk abgeschieden, dieser wird mit kaltem Wasser angerührt, ausgepreßt u. in seinem doppelten Gewicht kochenden Wasser gelöst, dann setzt man auf je 1 Pfund des Salzes 31/2 Unzen Schwefelsäure zu, kocht das Filtrat mit kohlensaurem Zinkoxyd (auf je 1 Pfund der angewandten Schwefelsäure 13/8 Pfund kohlensaures Zinkoxyd), filtrirt kochend u. zerlegt das sich aus dem Filtrat in Krystallen anschießende milchsaure Zinkoxyd mit Schwefelwasserstoff, nachdem man es vorher durch Waschen mit kaltem Wasser von anhängender Schwefelsäure befreit hat. Läßt man die obige Mischung länger als 10 Tage od. bei einer höheren Temperatur stehen, so bildet sich statt M. Buttersäure unter Entwickelung von Kohlensäure. Künstlich läßt sich die M. durch Einwirkung von salpetriger Säure auf Alanin erzeugen. Die reine M. bildet eine farblose Flüssigkeit ohne Geruch aber stark sauren Geschmack, von 1,215 spec. Gew., sie krystallisirt auch in der Kälte nicht, zieht an der Luft Wasser an, löst sich in Wasser, Alkohol u. Äther, verliert bei 120° alles Wasser u. geht in wasserfreie M. (Milchsäureanhydrit) über; noch weiter bis 250° erhitzt sublimirt Lactid u. es destilliren Aceton u. Lacton, C5H2O2. Die M. ist wahrscheinlich eine gepaarte Verbindung von Aldehyd u. Ameisensäure. Das Amid der M ist das Lactamid (s.d.). In den Milchsauren Salzen unterscheidet sich die M., welche aus der Fleischflüssigkeit dargestellt worden ist von der durch Gährung gewonnenen; einzelne Salze haben nämlich je nach dieser verschiedenen Abstammung verschiedenen Wassergehalt, verschiedene Löslichkeit etc. Daher hat man die M. aus der Fleischflüssigkeit als a Milchsäure (a , Paramilchsäure, Fleischmilchsäure) von der durch Gährung von Zucker erhaltenen b Milchsäure (b , gewöhnliche M.) unterschieden. Die Constitution u. Basicität der M. ist noch nicht genügend erforscht, vielleicht ist die a M. einbasisch, die b M. zweibasisch. Die meisten milchsauren Salze sind in kaltem Wasser u. in Alkohol schwer löslich, in heißem Wasser lösen sich alle, viele können bis 150°, einige bis 200° ohne Zersetzung erhitzt werden; die milchsauren Alkalien sind nicht krystallisirbar. Milchsaures Äthyloxyd, (Milchsäureäther), farblose dünne Flüssigkeit, wird erhalten durch Destillation von milchsaurem Kalk mit ätherschwefelsaurem Kali. Milchsaures Eisenoxydul erhält man durch Zerlegen von milchsaurem Baryt mit Eisenvitriol, krystallisirt in großen hellgelben od. weißen Nadeln, löst sich leicht in heißem Wasser, die Lösungen färben sich an der Luft braun. Milchsaurer Kalk, weiße harte Körner, das Salz der a M., löst sich in 12,4 Theilen, das der b M., in 9 Theilen kaltem Wasser. Milchsaures Kobaltoxydul bildet pfirsichblüthrothe Krystalle. Milchsaures Kupferoxyd, das Kupfersalz der a M. krystallisirt in harten hellblauen Körnern, löst sich in 1,9 Theilen kaltem u. 1,2 Theilen heißem Wasser, leicht in Alkohol; das Salz der b M. bildet große Krystalle von dunkelblauer od. grünlicher Farbe, löst sich in 6 Theilen kaltem u. 2 Theilen heißem Wasser. Milchsaure Magnesia, krystallisirt in farblosen Prismen. Milchsaures Manganoxydul bildet farblose od. blaß amethystfarbene glänzende Krystalle. Milchsaures Quecksilberoxydul, rothe, schwer lösliche Krystalle, wird beim Kochen zersetzt. Basischmilchsaures Quecksilberoxyd, farblose, glänzende, schwer lösliche Prismen. Milchsaures Silberoxyd, krystallisirt in seidenglänzenden Nadeln, welche am Lichte schwarz werden, beim Kochen färbt sich die Lösung blau u. scheidet braune Flocken aus. Milchsaures Zinkoxyd, das Salz der a Mkrystallisirt in dünnen weißen Nadeln, löst sich leicht in Alkohol, das der b M. bildet stark glänzende Krystallkrusten, ist in Alkohol fast unlöslich. Milchsaures Zinnoxyd, ein amorphes, in Wasser kaum lösliches, in Alkohol unlösliches Pulver.

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Pierer's Universal-Lexikon, Band 11. Altenburg 1860, S. 257-258.
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