[172] Obduction (v. lat.), die gesetzmäßige Untersuchung eines Körperzustandes, od. auch sonst eines Stoffes, dessen Ausmittelung die Grundlage einer rechtlichen Entscheidung ist, von beglaubigten Sachverständigen u. nach gesetzlichen Formen bewirkt; kommt bes. in criminalrechtlichen Fällen in Betracht, wo ärztliche Individuen von richterlichen Behörden aufgefordert werden, dieselbe zu bewirken. Sie kann an Lebenden Statt haben, z.B. in Untersuchung von, auf gewaltthätige Weise Verwundeten, od. bei Nothzucht; bes. aber unterliegt die O. den bisher bei gewaltsamem Tode strengen legalen Vorschriften. Ihr Zweck ist dann, den Thatbestand einer gewaltsamen Tödtung an der Leiche (als Corpus delicti) außer Zweifel zu stellen. Meist wird hierzu Folgendes erfordert: a) die competente Behörde requirirt einen für medicinisch-legale Fälle (als Physikus od. Gerichtsarzt) bestellten Arzt nebst dergleichen Wundarzt, in Ermangelung dieser aber einen sonstigen zur Praxis berechtigten Arzt u. Wundarzt; beide werden in letzterem Falle vor der O. zu selbiger bes. vereidet; in besonderen Fällen wird auch wohl ein approbirter Geburtshelfer, od. auch, wo es, wie bei Vergiftungen, auf chemische Untersuchungen ankommt, ein Apotheker mit zur Untersuchung gezogen. b) Die O. geschieht von den gedachten Personen (als Obducenten) in Gegenwart des requirirenden Richters u. eines gerichtlichen Protokollanten, auch wohl zweier Schöppen, als Zeugen. c) Der O. geht die Recognition des zu obducirenden Gegenstandes, also hier der Leiche, womöglich bei Tageslicht, voraus; dabei muß Vorkehrung getroffen worden sein, daß dieselbe in dem Zustand, in welchem sie zuerst gefunden wurde, so viel als möglich unverändert geblieben ist. d) Die O. ist zunächst eine äußere u. besteht in der vollständigen Untersuchung der, nach Wegnahme der Kleider od. Hüllen, blosgelegten Leiche, in wiefern an derselben Verletzungen auch schon im Äußeren wahrzunehmen, od. solche Veränderungen an ihr vorgegangen sind, die entweder auf die Zeit, welche seit dem Ableben verflossen ist, od. sonst auf etwas in Frage Gestelltes, Bezug haben kann. In vielen Fällen, wenn Zeit u. Umstände zu sehr auf die Leiche eingewirkt haben, beschränkt sich auch wohl die ganze O. blos auf die äußere Untersuchung; e) Nun folgt die Section. Für diese selbst ist es Erforderniß, daß zunächst der Körpertheil, auf dessen Verletzung die Obducenten durch die äußere Besichtigung zunächst geleitet werden, sorgfältigst untersucht werde. Die Öffnung der drei großen Körperhöhlen (der Hirnschale, der Brust- u. der Bauchhöhle) u. die Untersuchung der Hauptorgane darf nicht übergangen werden. In Vergiftungsfällen werden, wenn noch Rückstände des Giftes selbst aufgefunden werden, diese noch sämmtliche den Gift enthaltenden Theile, z.B. der Verdauungsapparat nebst seinem Inhalt, aus dem Körper genommen, u. sogleich untersucht, od. in ein Gefäß gethan, gerichtlich versiegelt u. später unter Anwendung erforderlicher Reagentien untersucht. f) Während der O. selbst wird durch eine Gerichtsperson ein Obductionsprotokoll aufgenommen, wofür die Obducenten die Data an die Hand geben, indem sie zugleich, insofern die gefundene Widernatürlichkeit offen vorliegt, die Gerichtspersonen u. Zeugen darauf aufmerksam machen. Meist bewirkt der Gerichtswundarzt die Section, u. der Gerichtsarzt leitet sie insofern, daß er die Theile bestimmt, welche zunächst zur Untersuchung gezogen werden sollen. Von dem Gerichtsarzt geht auch zunächst die Anzeige des Ergebnisses der Section, in wiefern es auf die Ausmittelung des Thatbestandes Bezug hat, aus u. nach Beendigung der Section gibt er sein Gutachten über den Bezug, welchen die gefundenen Verletzungen u. Widernatürlichkeiten auf den erfolgten Tod gehabt haben, zum Protokoll, vgl. Letalität. g) Außerdem aber gibt der obducirende Arzt später einen schriftlichen Obductionsbericht von ihm u. dem obducirenden Wundarzt unterzeichnet, mit einem, nach Befinden, durch mehr od. minder ausführliche Gründe unterstützten Resultate des Leichenbefundes, in wiefern derselbe zur Ausmittelung des Thatbestandes ausreichend, od. nicht ausreichend erscheint, zu den Acten.