[729] Section, 1) (Sectio cadaveris, Leichenöffnung). I. Gerichtlich medicinische u. legale S. Sie ist der Haupttheil u. Schlußstein einer vollständigen Obduction (s.d.) u. sollte nie unterlassen werden, wenn hinsichtlich der Todesursachen eines plötzlich, od. in Folge von Gewaltthätigkeiten Verstorbenen, od. eines todt Gefundenen die mindesten Zweifel obwalten, weil aus den Ergebnissen derselben hauptsächlich die Motive zur Beurtheilung eines vermutheten od. wirklich begangenen Verbrechens sich entnehmen lassen. Der Apparat zu einer S. besteht in mehren theils geraden, theils bauchigen Scalpellen, einem Knorpelmesser, einer Scheere, einer Pincette, einer Kopfsäge, einer kleineren Säge zum Durchschneiden der Rippen etc., einem Meisel (Elevatorium) zum Lossprengen der Hirnschale, einer Spritze, Sonden, Mensurglas u. Mensuren zum Bestimmen der Menge vorgefundener Flüssigkeiten, Wage u. Gewichte, Zollstab, Tasterzirkel, Muskelhaken, Schwämmen, krummen Nadeln u. feiner Bindfaden. In der Regal sollen stets alle drei Cavitäten des Körpers geöffnet werden. Gewöhnlich, wenn nicht Gründe vorhanden sind bedeutende Verletzungen od. wichtige Abnormitäten in einer anderen Cavität, welche dann zuerst geöffnet wird, vorauszusetzen, wird mit dem Kopf begonnen. Das technische Verfahren hierbei ist im Allgemeinen Folgendes: nachdem der völlig entkleidete Leichnam auf einer Tafel od. einem tischhohen Gerüste, so daß ihm das volle Tageslicht gehörig beleuchtet, auf den Rücken gelegt u. die äußere Besichtigung (s. Obduction) vollendet ist, wird a) der Kopf durch ein unter den Nacken gelegtes passendes Holzstück etwas erhöht u., nachdem die Haare abgeschoren worden, die Kopfschwarte durch zwei sich kreuzende Schnitte, von der Nasenwurzel bis zum Hinterhauptshöcker, u. einem Ohre zum anderen getrennt, u. die gebildeten vier Lappen nebst den unterliegenden oberen Partien der Schläfemuskeln von dem Knochen lospräparirt u. nach unten zurückgeschlagen. Hierauf wird, mittelst eines mit Kohle geschwärzten Fadens, eine Kreislinie um die blosgelegte Hirnschale gezogen, auf dieser mittelst der Kopfsäge die Hirnschale durchschnitten, u. mit einem Meisel od. Elevatorium letztere vollends getrennt u. abgehoben. Mittelst eines Scalpells od. Holzsonde öffnet man zu beiden Seiten längs des sichelförmigen Blutbehälters die harte Hirnhaut von vorn nach hinten, ebenso von einer Seite zur anderen, in vier Lappen, welche zurückgeschlagen werden. Hierauf öffnet man den Blutbehälter, bemerkt die Menge des in ihm enthaltenen Blutes, trennt ihn an der Crista des Siebbeins u. legt ihn nach hinten zurück. Nachdem[729] die Oberfläche des Gehirnes betrachtet worden, trägt man die Halbkugeln des großen Gehirnes durch horizontale Schnitte bis auf die Höhe des Hirnbalkens ab, untersucht die Gehirnhöhlen u. die in u. bei denselben gelegenen Organe, dann das große Gehirn von vorn nach hinten in die Höhe hebend, u. die von demselben ausgehenden Nerven, sowie nach hinten, Blutgefäße, das Gehirnzelt u. das verlängerte Mark zerschneidend das kleine Gehirn u. hebt es aus dem Schädel hervor, welches durch verticale Schnitte zu zerlegen u. so wie die Grundfläche des Gehirnes genau zu betrachten ist. Andere empfehlen, gleich Anfangs das ganze Gehirn kunstmäßig heraus zu nehmen, wo es sich dann allerdings auf einem flachen Teller bequemer untersuchen läßt. Nach Entfernung des Gehirnes ist noch die Grundfläche des Schädels nach Abtrennung der harten Hirnhaut zu besichtigen. b) Bei Eröffnung der Brusthöhle. Nachdem die äußeren Bedeckungen, längs der Schlüsselbeine bis auf das Brustbein, längs diesem bis zum schwertförmigen Knorpel, u. von hier zu beiden Seiten längs den Rippenknorpeln bis zur vierten falschen Rippe durchschnitten, Haut u. Muskeln von dem Brustbeine u. dem vorderen Theile der Rippen lospräparirt u. nach beiden Seiten zurückgelegt sind, werden die Knorpel der Schlüsselbeine u. die Rippenknorpel zunächst den Rippen durchschnitten, das Brustbein nach oben od. unten zurückgelegt, auch die Rippen mehre Zoll weiter nach hinten durchsägt u. nach außen umgebogen, u. so die vordere Wand der Brusthöhle größtentheils entfernt. Es wird der Herzbeutel geöffnet, die Menge des in ihm enthaltenen Serums mit einer Spitze ausgezogen u. gemessen, dann das Herz nach seinen verschiedenen Cavitäten geöffnet, die Beschaffenheit seiner Substanz, so wie die Quantität u. Qualiät des in ihnen enthaltenen Blutes, auch etwaige Abnormitäten bemerkt. So sind auch die Lungen, hinsichtlich etwaiger Verwachsungen, Knoten u. sonstiger krankhafter Erscheinungen genau zu untersuchen. Es ist dann die linke Lunge, nachdem das in die Brusthöhle ergossene Blut entfernt worden, nach rechts zu ziehen, um die großen Blutgefäße u. Nerven im hinteren Mittelfell, welches jetzt zu öffnen ist, zu betrachten. Nöthigen Falls ist auch das Herz nebst den Lungen ganz hinweg zu nehmen. c) Die Eröffnung der Unterleibshöhle geschieht indem der über das Sternum verlaufende Schnitt, links um den Nabel herumgehend, bis zu der Schooßbeinvereinigung fortgesetzt, von der Nabelgegend aus zwei Schnitte nach den Lendengegenden geführt u. die gebildeten Lappen zurückgelegt werden. Nach Betrachtung der Netze werden die Gedärme, da wo sie unter dem Quergrimmdarmgekröse hervorkommen, vorgezogen, allmälig fortschreitend bis zur Grimmdarmklappe durchgefühlt, das Gekröse hinsichtlich seiner Gefäße u. Drüsen untersucht, endlich dieser Theil des Darmkanals oben u. unten doppelt unterbunden, zwischen den Ligaturen durchschnitten, u. nachdem das Gekröse am hinteren Ende durchschnitten worden, herausgenommen. Auf gleiche Weise kann mit dem dicken Darm nach Unterbindung des Mastdarmes verfahren werden. Es ist nun die Leber nebst der Gallenblase u. der Pfortader, die Milz u. das Pankreas, das Duodenum u. der Magen genau zu untersuchen. Soll letzter zu specieller Untersuchung herausgenommen werden; so durchschneidet man das Aufhängeband der Leber, zieht die Speiseröhre etwas herab u. unterbindet diese, auch den Zwölffingerdarm unterhalb des Pylorus u. trennt dann den Magen aus seinen Verbindungen. Bei Verdacht einer Vergiftung ist der Inhalt des Magens u. Zwölffingerdarmes, diese Eingeweide selbst, auch wohl ein größeres Stück des Darmkanals, nebst der Leber, in gerichtlich zu versiegelnden Gefäßen für eine fernere chemische Untersuchung aufzubewahren. Nun sind noch die großen Blutgefäße, die Nieren nebst den Harnleitern, die Harnblase u. beim weiblichen Leichnam die inneren Geschlechtstheile zu besichtigen. Sollten letztere eine besondere Untersuchung erfordern, so werden dieselben durch einen von Außen um die ganze untere Apertur des kleinen Beckens geführten Schnitt in ihrer Verbindung losgetrennt u. herausgenommen, nachdem ihre inneren Befestigungen gleichfalls zerschnitten sind. d) Machen besondere Umstände die genauere Untersuchung der Mundhöhle nöthig, so werden die beiden Backen von den Mundwirbeln nach hinten durchschnitten, am hinteren Ende der Schnitt nach unten bis zum Halse geführt, die untere Kinnlade an beiden Seiten durchsägt u. herabgezogen, od. wenn zugleich auch der Hals untersucht werden soll, ganz herausgeschnitten. e) Bei der Untersuchung des Halses wird ein Längsschnitt vom Kinn bis zum Brustbein geführt, die Haut nebst den breiten Halsmuskeln, ohne die äußeren Drosseladern zu verletzen, abpräparirt zurückgelegt. Die Drosseladern werden oben am Winkel der Kinnlade u. unten oberhalb der Mitte des Schlüsselbeines unterbunden u. zwischen den Ligaturen zerschnitten. Durch Lostrennung des Kopfnickers vom Brust- u. Schlüsselbein u. Abpräparirung von unten nach oben wird die Untersuchung der Carotis, der inneren Drosselvene, des hinter dieser liegenden sympathischen u. herumschweifenden Nerven eingeleitet. Die Luftröhre kann in ihren Knorpeln, nachdem die Schilddrüse entfernt ist, gespalten u. ihre innere Fläche besichtigt, die Speiseröhre nebst der Zunge herabgezogen, nach durchschnittenem Schlundkopf lospräparirt herausgenommen u. geöffnet werden. f) Die Eröffnung der Rückenmarkshöhle wird von außen od. von innen mittelst des Rhachitoms (s.d.) bewerkstelligt. Französische Ärzte befolgen eine andere Methode bei Öffnung der Brust- u. Bauchhöhle. Sie trennen mit zwei großen elliptischen, am oberen Theile des Brustbeines beginnend, auf jeder Seite, in einer krummen Linie bis zu Ende der vierten falschen Rippe, dann gerade bis zur Spina superior u. Anterior ossis ilei; u. von da in gekrümmter Richtung bis zur Schambeinverbindung verlaufenden, daselbst dem von der anderen Seite begegnenden Schnitten die Weichtheile, durchsägen dann das Brustbein u. die Rippen u. schlagen hierauf den gebildeten großen Lappen, indem sie denselben von seinen inneren Adhäsionen trennen, nach unten zurück. Eigenthümliche Rücksichten sind bei legalen S-en der Leichen neugeborener Kinder zu nehmen, wo es darauf ankömmt, über stattgefundene Lebensfähigkeit wirkliches, od. noch nicht begonnenes Leben u. die Todesursache ein begründetes Urtheil abzugeben, weshalb das hierbei einzuschlagende Verfahren vor obigem in mehreren Stücken wesentlich abweicht. Nachdem die Kindesleiche, nicht allein in Betracht der Länge, sondern auch hinsichtlich der Durchmesser[730] des Kopfes, der Brust, der Schultern, der Hüften gemessen, auch gewogen u. genau betrachtet worden, bes. hinsichtlich der Wölbung der Brust, wird der Kopf, indem man nach Durchschneidung u. Zurücklegung der äußeren Bedeckungen die noch häutigen Verbindungen der Schädelknochen mit der Schere trennt, die Knochen selbst zum Theil loslöst, zum Theil mit der Schere durchschneidet u. genau untersucht, geöffnet u. seine inneren Theile betrachtet. Hierauf öffnet man zuerst die Bauchhöhle, berücksichtigt hier die Wölbung des Zwerchfelles nach oben, bis zur wievielsten Rippe, die Beschaffenheit u. das Gewicht der Leber, den Ductus Arantii, die Nabelschnurgefäße, ob sie geschlossen sind, den Magen u. Darmkanal, hinsichtlich ihres Inhaltes, die Harnblase in gleicher Beziehung. Nachdem die Brusthöhle auf die gewöhnliche Weise geöffnet u. die Lungen in ihrer Lage, hinsichtlich ihrer Farbe u. Ausdehnung nebst der Richtung des linken Luftröhrenastes untersucht worden sind, wird der Herzbeutel uneröffnet von dem Zwerchfell losgetrennt, nebst der Lunge nach rechts gezogen. Man macht die großen Gefäße frei, unterbindet die Aorta hinter dem Botallischen Gang, die obere Hohlader vor ihrer Vereinigung mit der ungepaarten Vene, die untere Hohlader in der Nähe des Herzens, den gemeinschaftlichen Stamm der rechten Kopf- u. Schlüsselbeinarterie nahe dem Bogen der Aorta, mit doppelten Ligaturen u. durchschneidet sie zwischen diesen, wobei auf die Farbe des ausfließenden Blutes zu achten ist. Die Luftröhre unterbindet man einfach, gleich an ihrem Eintritt in die Brusthöhle, u. durchschneidet sie ebenfalls. Die auf diese Weise noch mit Herz u. Brustdrüse vereinigten, von ihren übrigen Verbindungen gelösten Lungen, reinigt man ohne Druck durch sanftes Hin- u. Herbewegen im Wasser u. legt sie dann zwischen ein trockenes Tuch, während man den Hals (s. oben) untersucht. Hierauf betrachtet man die zurückgelegten Brusteingeweide hinsichtlich ihrer äußerlich zu bemerkenden Beschaffenheit, legt sie dann in ihrer Verbindung in ein Gefäß, in welchem wenigstens 12 Zoll hoch reines Wasser befindlich, nach Wildberg in einem 6 Zoll weiten, 12 Zoll hohen cylindrischen Gefäße von starkem weißen Glas, an welchem die Höhe von 3 Pfund Wasser durch eine eingeschliffene Linie bemerkt, u. über dieser eine Scala von zwei, in Linien eingetheilten Zollen befindlich, auf die Oberfläche des Wassers gelegt u. deren Schwimmfähigkeit bemerkt. Es werden hierauf die Lungenvenen u. Arterien doppelt unterbunden, nebst den Bronchien durchschnitten, die von dem Herzen etc. getrennten Lungen genau gewogen u. sowohl ganz als auch in Stücken geschnitten der Schwimmprobe unterworfen. Bei dem Zerschneiden der Lungen ist auf das hierbei hörbare Geräusch (ob es knisternd) u. auf die Farbe u. Menge des austretenden Blutes, sowie auch darauf zu achten, ob aus den unter dem Wasser mit der Hand gedrückten Stücken Luftblasen aufsteigen. Nach beendigter Untersuchung der Lungen wird noch die etwa im Herzbeutel befindliche Quantität von Flüssigkeit, sowie das Herz selbst u. das in demselben enthaltene Blut in Augenschein genommen, auch auf das Offen- od. Geschlossensein des eirunden Loches u. des Botallischen Ganges geachtet. Vgl. A. K. Bock, Gerichtliche S-en des menschlichen Körpers, Lpz. 1831, 2. A. 1845. II. Die pathologische S., deren Aufgabe es ist, krankhafte Veränderungen der Structur innerer Organe, welche als Ursachen od. als Erzeugnisse von im Leben Statt gefundenen Krankheiten anzusehen sind, dem Arzte vor Augen zu legen, wird im Allgemeinen auf dieselbe Weise ausgeführt, wie die gewöhnliche S., doch beschränkt sie sich gewöhnlich auf diejenige Cavität des Körpers, in welcher man, nach Maßgabe der vorausgegangenen Krankheit, Abweichungen von der normalen Beschaffenheit zu finden erwarten kann. Vgl. H. Spitta, Die Leicheneröffnung in Bezug auf Pathologie u. Diagnostik, Stendal 1826. III. Anatomische S., Behufs des Selbstunterrichts od. des Unterrichts Anderer, sie wird ungefähr nach Art der gerichtlichen bewirkt, nur daß man die Theile untersucht, welche gerade zu dem Vortrag passen, vgl. Anatomie 1). IV. Vivisection, s.d. 2) (Her.), die verschiedene Vertheilung der Tincturen im Schilde; 3) in einigen Armeen, wie in der preußischen, Unterabtheilung der Züge (Pelotons), in dieselben abbrechend od. abschwenkend zerfallen; die S. darf nie über sechs u. nie unter vier Rotten stark sein; sie wird in anderen Armeen durch die halben Pelotons od. durch den Marsch aus der Flanke mit Rechtsum u. Linksum, auch wie in der englischen u. sächsischen Armee durch den Marsch zu Vieren u. Sechsen ersetzt; 4) zur Zeit des Directoriums war Paris, Departement der Seine in Paris, in 48 S-en getheilt. Diese S-en od. Viertel hielten ihre Urversammlung; zu einer Generalversammlung mußten alle S-en an gleichem Ort u. zu gleicher Zeit berufen werden. Die S-en bildeten die Bürgerschaft, u. der Kampf derselben 1795 u. 1796 gegen das Directorium wollte so viel sagen, als der Kampf der Nationalgarden gegen die Linientruppen.
Buchempfehlung
Robert ist krank und hält seinen gesunden Bruder für wahnsinnig. Die tragische Geschichte um Geisteskrankheit und Tod entstand 1917 unter dem Titel »Wahn« und trägt autobiografische Züge, die das schwierige Verhältnis Schnitzlers zu seinem Bruder Julius reflektieren. »Einer von uns beiden mußte ins Dunkel.«
74 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.
442 Seiten, 16.80 Euro