Parzival

[719] Parzival, ein mittelhochdeutsches Kunstepos, von Wolfram von Eschenbach, dessen Hauptwerk es ist, zwischen 1205–15 gedichtet. Der Inhalt desselben ist folgender: P., Sohn Gamuret's Herren von Anschouwe (Anjou) u. der spanischen Prinzessin Herzeloyde, einer Enkelin Titurels, wird nach des Vaters Tode von seiner Mutter einsam in der Wüste Soltane erzogen; erwachsen läßt er sich zum Ritter schlagen, erlegt den rothen Ritter Ither, König von Cumberland, u. beraubt die Leiche des Harnisches. Nachdem er durch die Besiegung des Königs Clamide von Brandigan die schöne Conwir Amurs, Tochter des Tampenleire, Königs zu Pelrapeire, erworben hat, zieht er aus u. kommt nach Monsalvatsch, dem Schloß des heiligen Graals. Hier war der Erwerb der Krone des Graals durch die Heilung des Königs Amfortas bedingt, doch zieht P. ohne den Preis erworben zu haben von dannen. Seine Muhme Sigune eröffnet ihm erst, welches Glück er verscherzt hat, u. sein Schmerz über diesen Verlust macht ihn irre. Der Einsiedler Trevrizent erzählt ihm die Geschichte vom Graal u. dem Grund der Krankheit des Amfortas u. belehrt ihn über seine Schuld durch die Beraubung des getödteten, ihm verwandten Ither, doch stärkt er ihn in dem Vertrauen auf die Gnade Gottes. P. kommt nun wieder zum Graal, heilt den König Amfortas u. wird König im Graal. Nun kommt seine Gemahlin Conwir Amurs, welche inzwischen zwei Söhne, Lohengrin u. Kardeiz, geboren hat, herbei; Letzteren setzt er zum König von Wales u. Anjou ein, Ersteren nimmt er mit sich. Auch war sein Bruder Fairefiz gekommen, welcher getauft wird u. nun Repanse, Schwester des Amfortas, heirathet, mit welcher er nach Tribalibot (Indien) geht u. Vater des Priesters Johann wird. Der Inhalt der Dichtung ist erwachsen aus der Sage vom heiligen Graal, welche bei ihrem Übergange nach Frankreich im 12. Jahrh. auf südfranzösische Sagenstoffe von den alten Fürsten in Anjou u. auf den großen Sagenkreis von Artus u. der Tafelrunde stieß, sich hier zu einem an mannichfachen poetischen Ideen reichen Ganzen gestaltete u. bereits vor Ablauf des 12. Jahrh. von mehren nordfranzösischen Dichtern ausführlich in epischen Dichtungen verarbeitet wurde. Wolfram stützte sich zunächst auf Chrestiens de Troies (gest. um 1190), von dessen erhaltene Gedichte jedoch nur erst Bruchstücke bekannt geworden sind, u. auf Kyot (Guyot). Wolfram entnahm jedoch diesen altfranzösischen Originalen nur so viel des Stoffes, als er zur Gestaltung seines P-s, sowie des nur in einem Bruchstück erhaltenem (alten) Titurel bedurfte; er stellte sich, alle Dichter des Mittelalters an Tiefe der Auffassung überragend, dabei die hohe Aufgabe, den Heldenkampf der Seele im Bildungs- u. Entwickelungsgange eines höher begabten Menschen zu schildern. Die Handschriften des P. theilen sich in zwei Familien; an der Spitze der einen steht die in St. Gallen aus dem 13. Jahrh., an der anderen die Münchener, welcher sich die Heidelberger anschließt. Ausgaben: zuerst 1477, auch in Müllers Sammlung; von Lachmann, Berlin 1833; neuhochdeutsch von San Marte, Magdeb. 1836; von Simrock mit Titurel, Tüb. 1842, 2 Bde. Die Handschriften des Parcheval li Galois von Chrestiens de Troies bieten manche Verschiedenheiten; über die in Bern berichtet Rochat (Bern 1855); sein Gedicht scheint ziemlich treu in dem französischen Prosaromane (Paris 1530) wiedergegeben zu sein. Ebenfalls auf nordfranzösischer Quelle beruht der altenglische Parcevell, welcher in einer durch Robert Thornton aus Yorkshire um 1440 geschriebenen Handschrift erhalten ist (gedruckt bei Halliwell, The Thornton Romances, 2 Bde., Lond. 1844–48). Die wälische Fassung der Parzivalsage im Mabinogion von Peredur ist erst im 14. Jahrh. u. offenbar unter französischem Einflusse niedergeschrieben. Vgl. San Marte, Parzivalstudien, Halle 1861.[719]

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 12. Altenburg 1861, S. 719-720.
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