Willisen

[236] Willisen, 1) Wilhelm von W, geb. 1790 zu Staßfurth im Magdeburgischen, trat 1805 in die preußische Armee ein u. machte als Junker 1806 die Schlacht bei Jena mit. Nach der Auflösung der preußischen Armee studirte er einige Jahre in Halle u. wurde 1809 bei dem Versuche sich der königlich westfälischen Militärpflicht zu entziehen verhaftet. Bald entfloh er jedoch u. eilte nach Wien u. trat in ein österreichisches Freicorps, mit welchem er in Tyrol u. Italien focht. 1811 trat er wieder in preußische Dienste, nahm an den Feldzügen 1813–15 als Hauptmann im Generalstabe Blüchers Theil u. ertheilte später an der Kriegsschule in Berlin den Unterricht der Kriegsgeschichte, auf einem eigenen festgeschlossenen System der Kriegführung fußend. 1831 veröffentlichte er im preußischen Militärwochenblatt Aufsätze über den Polnischen Krieg u. fiel wegen seiner dabei entwickelten politischen Grundsätze in Ungnade. Indeß bald rehabilitirt u. zum Major u. um 1840 zum Oberst ernannt, begleitete er während der nächsten Jahre die Stelle des Generalstabschefs des 5. Armeecorps in Posen u. erhielt 1843 als Generalmajor eine Brigade in Breslau. Ende März 1848 zum Bevollmächtigten für das Großherzogthum Posen ernannt, konnte er weder dem Blutvergießen Einhalt thun, noch sich das Zutrauen der Parteien erwerben u. verletzte namentlich die Deutschen, sowie er die Armee gegen sich hatte. Er ging deshalb nach Paris, darauf nach Italien, um den Feldzug der Österreicher gegen Sardinien von 1848 an Ort u. Stelle zu studiren, u. war Zeuge der Schlacht von Novara u. der Einnahme von Malghera. Als er 1849 bei der großen Beförderung in der preußischen Armee[236] übergangen wurde, forderte er seinen Abschied u. trat nach Rückberufung des Generals von Bonin im April 1850 als Oberbefehlshaber in die schleswig-holsteinische Armee, in welcher er die Niederlage von Idstedt am 25. Juli nicht abzuwenden vermochte (s. Schleswig. Holstein S. 264 f.). Mit der Statthalterschaft wegen Führung des Krieges in Differenz gerathen, nahm er seine Entlassung u. ging nach Schlesien, lebte darauf einige Jahre in Paris u. kehrte dann nach Schlesien zurück. Er schr.: Theorie des großen Krieges, 1840–50, 3 Thle.; Der italienische Feldzug des Jahres 1848, Berl. 1849; Acten u. Bemerkungen über meine Sendung nach dem Großherzogthum Posen im Frühjahr 1848, Kiel 1850. 2) G. Freiherr von W., Bruder des Vor., trat 1815 in die Armee, wurde 1847 Oberst u. ging 1849 im Auftrag des Königs nach Turin, um der dortigen Regierung von dem Kriege gegen Österreich abzurathen, u. von da in das Lager Radetzky's, um denselben von seiner erfolglosen Sendung zu benachrichtigen. 1852 wurde er Generalmajor u. nachher Commandeur der 8. Cavalleriebrigade u. Flügeladjutant des Königs, später General der Cavallerie, Generaladjutant u. Oberstallmeister. 9. Mai 1862 überbrachte er dem Kurfürsten von Hessen das Ultimatum seines Königs wegen der Verfassungswirren im Kurstaate, u. da er einen beleidigenden Empfang bei dem Kurfürsten fand u. derselbe die von seinem König verlangte Genugthuung nicht gab, so wurde deshalb 20. Mai die diplomatische Verbindung zwischen beiden Staaten abgebrochen. Im Jan. 1863 wurde er zum preußischen Gesandten in Turin bestimmt, trat jedoch diesen Posten nicht an, sondern ging Ende Febr. in gleicher Eigenschaft nach Rom. Er starb 24. August 1864 in Genzano bei Rom. Er übersetzte Bauchers Méthode d'équitation ins Deutsche, 4. Aufl. Berl. 1852.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 236-237.
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