Wittwenfiscus

[306] Wittwenfiscus, ein zur Bestreitung der Wittwengehalte, d.h. der einer Wittwe zukommenden Emolumente, für die Wittwen der daran Theil nehmenden Personen errichtetes Institut. Der Wittwengehalt besteht in der Regel in baarem Gelde (Wittwengeld) u. kommt am häufigsten bei den Wittwen der Staats- u. Kirchendiener vor. Die Wittwen der Souveräne u. auch zuweilen des hohen Adels, u. in manchen Staaten (z.B. in Braunschweig, Hannover etc.) auch die Geistlichen, haben, außer baarem Geld, oft auch Naturalien, Holz, Korn etc. u. einen Wittwensitz (s.d.). Die baaren Wittwengehalte, welche, wenn sie nicht gesetzlich, sondern nur durch Gnade verwilligt sind, auch Wittwenpensionen heißen, bestehen im ersten Fall bei den Staatsdienern meist in einer, nach den Landesgesetzen bestimmten Quote (Tantième) des Gehaltes, welchen der Ehemann der Wittwe bei seinem Tode bezog. Dieselbe erhält zuweilen noch eine Erhöhung, wenn neben der Wittwe noch der Erziehung bedürftige Kinder vorhanden sind; auch erstreckt sich zuweilen die Dauer des jährlichen Wittwengehaltes auf die Zeit auch nach dem Tode der Wittwe, so lange noch Kinder derselben der Erziehung bedürfen, u. wird dadurch zu einer Wittwen- u. Waisenpension. Die W. können sowohl von Privatpersonen unter einander errichtet werden, als auch vom Staate behufs der Wittwengehalte für seine Dienerschaft. In diesem Falle pflegen, außer einem dazu von Staatswegen gegebenen Fond, von den Theilnehmern Beiträge dazu (Wittwensteuer), meist in gewissen Procenten von der Besoldung bestehend, erhoben, auch pflegt häufig die ganze Besoldung jeder Stelle nach dem Tode eines Beamten auf bestimmte Zeit in die Wittwenkasse genommen u. die Stelle von Stellvertretern od. dem Nachfolger so lange unentgeldlich verwaltet zu werden. Meist müssen in diesen Fällen die Staatsdiener, sie mögen Wittwen haben od. nicht, also auch Hagestolze, dazu steuern. Um in nachhaltiger Weise für eine ordentliche Dotirung solcher W. zu sorgen, muß gleich bei Gründung derselben eine Wahrscheinlichkeitsberechnung hinsichtlich der Sterblichkeit zum Grunde gelegt u. darnach die Höhe der Beiträge u. der auszuzahlenden Emolumente berechnet werden. Die W. zahlen ihre Gehalte entweder so, daß die Pensionen nach Verhältniß des Staates der Wittwenkasse u. des Verhältnisses der geschehenen Einzahlungen jährlich vertheilt werden, od. sie zahlen jährlich eine gewisse vorher bestimmte Pension. Weil die Geistlichen, bes. früher, selten zu dem Staatsdienerwittwenfiscus gezogen wurden, so kommen bei diesen häufig besondere Predigerwittwenfiscen vor. Wo aber die Geistlichen in den allgemeinen Staatsdienerwittwenfiscus aufgenommen sind, sind auch diese Predigerwittwenfiscen meist zu dem allgemeinen Fonds geschlagen worden. Einem ähnlichen Zwecke wie die W. dienen die Überlebungsversicherungen, welche neuerdings viele Lebensversicherungsanstalten eingeführt haben u. welche so eingerichtet sind, daß gegen Zahlung jährlicher Prämien zwei verbundene Personen in der Weise ihr Leben versichern können, daß diejenige Person, welche von beiden die andere überlebt, nach dem Tode der zuerst verstorbenen Person entweder ein Capital od. auch eine, lebenslängliche Rente ausgezahlt erhält. Diese Überlebungsversicherungen können dann ebensogut einem Wittwer, als einer Wittwe zu Gute kommen.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 306.
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