[718] Zufall (Casus), 1) im gewöhnlichen Leben ein Geschehen od. ein Ereigniß, dessen Ursachen unbekannt sind u. von welchem man dahin gestellt sein läßt, ob es überhaupt bestimmte Ursachen habe. Vieles erscheint daher als zufällig, wovon eine genauere Untersuchung u. eine erweiterte Erkenntniß bestimmte Ursachen nachzuweisen sehr wohl im Stande sein würde; von glücklichen u. unglücklichen Zufällen spricht man dann insofern, als gewisse für zufällig gehaltene Ereignisse eine für den Menschen günstige od. ungünstige Wirkung haben. Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch bezeichnete Z. 2) die Abwesenheit eines ursachlichen Zusammenhangs; das Zufällige ist dann entgegengesetzt dem Nothwendigen als dem durch bestimmte Ursachen Bedingten u. nach bestimmten Gesetzen Erfolgenden, u. dem Absichtlichen, für welches die Causalität in bewußten Gedanken u. Zwecken liegt. Die Entscheidung der Frage, ob es einen Z. in diesem Sinne, einen sogenannten blinden Z. (Casus purus putus) gebe, hängt davon ab, ob für alles Geschehen der Begriff der Ursachlichkeit nothwendig ist, ob also der Satz: keine Veränderung ohne Ursache, streng allgemeine Gültigkeit hat. Der Casualismus, d.h. die Ansicht, daß einzelne Ereignisse od. ganze Reihen derselben zufällig seien, leugnet die allgemeine Gültigkeit des Causalgesetzes, dessen Anerkennung gleichwohl eine unabweisbare Nothwendigkeit für das Denken u. das einzige Mittel ist in die Erscheinungen u. Ereignisse einen gesetzmäßigen Zusammenhang zu bringen. Für das wissenschaftliche Denken hat daher der Begriff des Z-s niemals eine absolute, sondern immer nur eine relative Bedeutung; in diesem Sinne kann man[718] zufällig das Zusammentreffen einzelner Punkte aus mehren Reihen des Geschehens nennen, zwischen welchen kein unmittelbarer ursachlicher Zusammenhang stattfindet, wie wenn z.B. zwei aus verschiedenen Kanonen abgeschossene Kugeln zufällig zusammenprallen. In diesem nur relativen Sinne spricht man auch von zufälligen Eigenschaften eines Dinges, zufälligen Merkmalen eines Begriffs (Accidenzien) im Gegensatze zu den wesentlichen, als welchen, welche ihnen möglicherweise auch fehlen können, obwohl bei jedem individuellen Dinge, welches dergleichen zufällige Eigenschaften habe, dieselben ihre ganz bestimmten Ursachen haben.