Zwirn

[775] Zwirn, 1) (gezwirntes Garn), ein Faden von Wolle, Seide, Flachs u. dgl., welcher aus zwei od. mehren einzelnen Fäden zusammengedreht ist; je nach der Zahl der einzelnen Fäden nennt man ihn zwei-, dreidrähtig etc., zwei-, dreisträngig etc., zwei-, dreifädig etc.; bes. aber 2) ein ungebleichter, gebleichter od. gefärbter solcher Faden von Baumwolle, Flachs od. Hanf, zum Nähen, Spitzenklöppeln, Filetstricken u. dgl. Im Gegensatz zu diesem Z. mit starker Drehung nennt man die in der Weberei gebrauchten, lose od. schlank gedrehten Z-e doublirte od. geschleifte Garne. Es kommt bei dem Z. auf Festigkeit des Fadens, Härte, Glätte, Rundung, Gleichheit, Feinheit u. weiße Bleiche an; ein vollkommen runder u. fester Z. entsteht nur, wenn sämmtliche Fäden Schraubenlinien von gleicher Neigung bilden. Der sogenannte hohlsträngige, meiseldrähtige, masseldrähtige od. gemasseite Z., bei welchem ein Faden gerade liegt, während der andere in weiten Schraubengängen um den ersteren läuft, entsteht, wenn beim Zwirnen nicht alle Fäden gleiche Spannung haben. Man fertigt den Z. häufig in besonderen Zwirnfabriken. Der beste u. feinste Z. ist der holländische u. belgische, dann der englische, sächsische, böhmische, mährische, schlesische u. schleswigsche. Der englische od. vielmehr schottische Z. wird vorzüglich zu Aberdeen, Dundee, Paisley, meist auf Zwirnmühlen verfertigt. Der italienische Z. wird am Gardasee u. in der Gegend von Brescia verfertigt u. ist zum Theil sehr fein; dieser lombardische Z. heißt Lizen- u. Damastzwirn, auch wohl venetianischer Z. In Sachsen liefern mehre Orte guten Z., bes. in der Oberlausitz; man unterscheidet Stock- u. Strähnelzwirn, von letzterem enthält das Pfund 88–936 Strähneln. Man verkauft in Sachsen den Z. gewöhnlich nach Stücken à 4 Strähnen, 1 Strähn zweidrähtiger Z. hält 28, dreidrähtiger 20 Gebinde. In Leipzig hält 1 Stück 6 Strähne à 2 Zaspel, à 20 Gebinde, à 20 Fäden, à 3–4 Ellen. Bei dem böhmischen Z. unterscheidet man Fürsten-, Land- u. Batistnähzwirn; das Stück hat 2 Strähne zu 60 Gebinden od. Windeln, das Gebinde hält bei dem zweidrähtigen Z. 20, bei dem dreidrähtigen 12, bei dem vierdrähtigen 9 Fäden à 24 od. 21 Ellen. Im Allgemeinen unterscheidet man Haus-, Wirthschafts-, Brodir-, Filet-, Fürsten-, Kanten-, Heft-, Ketten-, Klöppel-, Kloster- (äußerst sein gesponnen, dessen sich vorzüglich die Nonnen zur Verfertigung der Kanten bedienen; kam sonst aus Brabant), Matzen-, Netz-, Näh-, Rahm-, Perl-, Zeichen-. Spitzen-, Stickzwirn. Der Leinenzwirn ist meist zwei- od. dreidrähtig; der zu den Litzen der Webergeschirre gebrauchte Z. (Litzen-, Kammzwirn) dagegen drei- bis sechsdrähtig. Die Feinheit bezeichnet man nach Nummern. Der Nähzwirn erhält, damit er beim Nähen nicht rauh wird, oft eine Appretur, indem man ihn mit einer sehr dünnen Auflösung von Arabischem Gummi, Hausenblase u. Pergamentleim in Wasser tränkt u. wieder trocknet. Der Baumwollzwirn ist zwei- bis sechsfädig; er wird zum Verkauf meist gehaspelt; nur den Nähzwirn (Glanzzwirn) wickelt man durch eine Maschine auf kleine Spulen od. in Knäuel. Die Strähne haben meist denselben Haspelumfang (54 englische Zoll) wie das Baumwollengarn u. erhalten die Feinheitsnummer des Ga. us, aus welchem sie verfertigt sind; man verpackt sie in fünfpfündige Packete. Man macht dabei gewöhnlich aus 1 Pfund so viel Schneller als die Garnnummer dividirt durch die Anzahl der Fäden im Z, z.B. zweidrähtiger Z. Nr. 20 hat 10 Schneller auf 1 Pfund. Die Appretur ist wie beim Garn u. umfaßt das Dämpfen, Sengen, Lüftriren. 3) Fehler im Stapelbau der Schafwolle, s.d. S. 74 f.

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 19. Altenburg 1865, S. 775.
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