[778] Zwitter (Hermaphroditae), 1) Pflanzen u. Thiere, in welchen beide Geschlechtsverhältnisse vollkommen vereint sich vorfinden. Bei den niederen Thierorganismen u. den Pflanzen gibt es vollkommene Z., so besitzen die Blutegel, Regenwürmer, Schnecken in einem Individuum sowohl männliche als weibliche Geschlechtsorgane u. befruchten sich gegenseitig. Bei den höheren Thieren u. dem Menschen kennt man keine vollkommenen Z., denn die Z., welche man beobachtet hat, waren in verschiedenen Stufen in der Entwickelung der Geschlechtsverhältnisse zurückgeblieben, sie zeigten eine Stufenfolge von der vollkommenen Männlichkeit bis zur vollkommenen Weiblichkeit. Man nimmt gewöhnlich drei Klassen an: männliche, geschlechtslose u. weibliche Z. Die männliche u. weibliche Zwitterbildung zeigt wieder mehre Stufen, je nachdem der Geschlechtscharakter mehr od. weniger sich dem entgegengesetzten nähert. Das Dasein der Hoden od. der Eierstöcke, als der wesentlichsten Organe, entscheidet darüber, welchem Geschlechte eine Mißbildung angehört. a) Die männlichen Z. sind viel häufiger beobachtet worden, als die weiblichen. Als die erste Unvollkommenheit in der Entwickelung der Männlichkeit kann man die Männer mit weibischem Sinne u. weibischem Körperbaue ansehen. Sie sind es bald mehr in körperlicher, bald mehr in geistiger Hinsicht. Liebe zum Putz, Ziererei in Wort u. Geberde, weibliche singende Stimme mit glattem Gesichte, Scheu vor ernsten Geschäften u. Anstrengung, Neigung zu weiblichen Arbeiten u. Vergnügungen, nicht selten Schwäche in dem sonst vollständig gebildeten Geschlechtsapparate charakterisiren sie als solche. Bei vielen Individuen dieser Art hat man die Hoden klein u. welk, Impotenz in der Zeugungskraft, wenn auch nicht selten große Lüsternheit im Geschlechtstriebe bemerkt. aa) Zu der ersten Stufe der Z. rechnet man wesentliche Umbildungen; dahin gehört das Zurückbleiben der Hoden in der Bauchhöhle (solche Männer nennt man Cryptorchides). Der Hodensack ist klein u. zusammengefallen, zuweilen sind die übrigen Genitalien, so wie der ganze Körper, vollständig entwickelt. Dann hat die Zeugungskraft nichts verloren, u. es hat vielleicht eine Verengerung des Leistenkanals das Hervortreten derselben verhindert. In anderen Fällen ist auch die Ruthe wenig entwickelt, der Bart fehlt u. es ist überhaupt die Männlichkeit geschwächt. Ferner gehören hierher die Fälle von einer blinden Vertiefung im Mittelfleische, welche einigermaßen einer weiblichen Geschlechtsöffnung gleicht. Sind dabei zugleich die Hoden in der Bauchhöhle zurückgeblieben, so hat man solche Personen wohl in der Kindheit für Mädchen gehalten, bis in der Zeit der Pubertät die Neigung des Geschlechtes sich deutlich offenbarte. Man kann hierher noch die Fälle rechnen, wo die Harnröhre sich nicht an der Spitze der Ruthe, sondern an der unteren Fläche derselben ausmündete. Die Ruthe ist dabei verbildet. Häufig ist auch der Hodensack gespalten, so daß er weiblichen Schamlippen ähnlich sieht, u. die Hoden sind zuweilen, jedoch nicht immer, im Unterleibe zurückgeblieben. Auch Männer von dieser Mißbildung sind noch keineswegs zur Zeugung unfähig. Ein Mann im Württembergischen, Maria Katharina Ulmerin, trug bis zum vierzigsten Jahre weibliche Kleidung u. legte endlich doch männliche Tracht an; dieser Mensch trieb männliche Geschäfte u. fühlte Geschlechtslust gegen Frauenzimmer. bb) In der zweiten Stufe der Mißbildung erreicht die Harnröhre das Glied gar nicht, sondern mündet sich hinter der Wurzel derselben. Das Glied ist daher eine Clitoris u. steht in Hinsicht der Größe in der Mitte zwischen dieser u. einer vollkommenen männlichen Ruthe. In selteneren Fällen öffnet sich dabei die Harnröhre oberhalb der Wurzel des Gliedes. Diese scheinen kaum zur Zwitterbildung zu gehören, sondern mehr in einer Mißbildung der Harnwerkzeuge[778] begründet. Gewöhnlich hat aber die Harnröhre ihre Ausmündung unter der Wurzel des Gliedes, also wie im weiblichen Geschlechte. Die Eichel ist dabei von der Vorhaut häufig ganz bedeckt, wie in der weiblichen Clitoris. Zugleich ist der Hodensack nicht selten getheilt. In dem gespaltenen Hodensacke sind entweder beide Hoden enthalten, od. nur einer, od. gar keiner, wobei dann die Ähnlichkeit mit Schamlippen sehr groß ist. Solche Personen sind sehr häufig ihrem Geschlechte nach verkannt worden, bes. da auch die Brüste weibliche Form annehmen, die Stimme weiblich ist u. der Bart fehlt. Sind die Hoden zurückgeblieben, so ist auch die Erkennung des Geschlechtes durch die Untersuchung der äußeren Organe sehr schwierig, vorzüglich wenn die Harnröhre in eine Grube einmündet, welche mehr od. weniger tief eingeht. In seltenen Fällen ist auch noch bei dieser Bildung Zeugungskraft. Man hat diese Mißbildung mehrmals bei zwei Kindern derselben Familie bemerkt. Wenn auch die Zeugungskraft selten ist, so ist doch die Neigung zu dem weiblichen Geschlechte ziemlich allgemein u. das wichtigste Zeichen zur Erkennung der Männlichkeit. cc) Die dritte Stufe der Annäherung des männlichen Geschlechts an das weibliche besteht darin, daß die Ruthe eine Clitoris ist, die Spalte des Hodensacks sich in eine Scheide verlängert u. die beiden Samenblasen zu einer gemeinschaftlichen Höhle verbunden sind, welche nun eine Art Gebärmutter darstellt, die nur durch dünnere Wandung von einer wirklichen Gebärmutter sich unterscheidet. Häufig findet sich dabei ein unregelmäßiger Monatsfluß aus der Scheide, welcher als ein Übergang von Hämorrhoiden zu wahrer Menstruation betrachtet worden ist. Bei dieser Stufe der Mißbildung fehlt nun die Zeugungskraft immer u. der Geschlechtstrieb ist so wenig deutlich, daß mehre solcher Z. mit Männern verheirathet waren. Nach dem Tode zeigte die Untersuchung die Hoden u. ließ keinen Zweifel darüber, daß hier Ehen zwischen zwei Männern bestanden hatten. b) Geschlechtslose Z. Geht die Umbildung noch weiter, so hört der Charakter eines Geschlechts ganz auf. Es finden sich Organe, welche zwischen Hoden u. Eierstöcken mitten inne stehen, od. auf der einen Seite gleicht der Körper mehr einem Eierstocke, auf der andern Seite mehr einem Hoden, wobei jener gewöhnlich eine Muttertrompete, dieser einen Samenleiter hat. Geht der Samenleiter in die Gebärmutter, so scheint eine Selbstbefruchtung möglich, aber die Zeugungskraft ist gewöhnlich hier so gering entwickelt, daß solche, übrigens nicht häufige Individuen weder den männlichen, noch den weiblichen Antheil an dem Zeugungsgeschäfte auszuüben vermögen. Einige hatten als Männer, einige als Weiber gelebt. c) Weibliche Z. (Androgynen), haben wahre Eierstöcke, nur in der mittleren u. äußeren Region ist eine Vermischung der männlichen u. weiblichen Bildung vorhanden. In der höheren Stufe geht die Scheide in die Harnröhre über, wie beim männlichen Geschlechte die Ausmündung der Samenblase u. Samengänge in die Harnröhre geht. Nach Aufnahme der Scheide tritt die Harnröhre in die Clitoris ein, wodurch diese in den wesentlichen Verhältnissen dem männlichen Gliede gleicht. Es ist auch die Clitoris immer von ansehnlicher Größe. Eine niedere Stufe der Mißbildung ist es, wenn die Harnröhre allein sich durch die Clitoris ausmündet, u. als die niedrigste ist die zu nennen, wenn die Clitoris blos durch monströse; Größe abweicht, wo sie dann häufig zur Befriedigung eines Wollustkitzels gegen andere Weiber gebraucht wird. Merkwürdig ist es, daß, während bei den männlichen Z-n weibliche Stimme u. schwacher Bartwuchs vorkommt, umgekehrt bei den weiblichen Z-n männliche Stimme u. mehr Bart sich zeigte, als man hier erwarten sollte, wo die Weiblichkeit vorherrschend ist. An die weiblichen Z. schließen sich nun die Weiber mit männlichem Körperbau u. männlichem Sinne (Viragines) an. Sie sind zum ernsteren Nachdenken geneigt u. richten ihre Thätigkeit aus dem Kreise der Häuslichkeit heraus auf allgemeine Angelegenheiten eines Volkes od. der Welt, einige machen wohl auch Kriegszüge mit. Sie zeigen Widerwillen gegen weibliche Beschäftigungen u. bes. gegen die weiblichen Gespräche über Liebesverhältnisse, Schwangerschaften etc. Die Stimme ist tief u. männlich, der Körperbau kräftig, die Haltung fest, die Haut nicht so weich, als gewöhnlich beim weiblichen Geschlechte. Am Kinn zeigt sich zuweilen Bartwuchs u. die Katamenien sind selten in Ordnung. Man will auch die inneren Genitalien nicht gehörig ausgebildet gefunden haben. Selten sind sie zur Ehe geneigt u. häufig in dieser unfruchtbar. 2) Ein Geschöpf od. Ding, welches von zweierlei Arten etwas an sich hat, daher bisweilen so v.w. Bastard; 3) ein Ding, welches dem äußeren Anscheine nach von zweideutiger Art ist, daher 4) bisweilen so v.w. Wasserblei u. Reißblei; 5) so v.w. Zinnzwitter; daher Zwittergänge, Zwittergerinnstein, Zwittergeschiebe etc., so v.w. Zinngänge, Zinngerinnstein etc.
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