Gespenst

1. Es ist nicht all ein Gespenst, was inn der Tochter Kammer gehet.Henisch, 1566, 49; Petri, II, 273.

Die Chinesen sagen: Gespenster wird es immer geben, wo die Dienerschaft sie braucht (oder: damit einverstanden ist). (Cahier, 2103.)


2. Gespenster erscheinen nur den Einfältigen.

Aber auch gescheite Leute haben daran geglaubt. So wird von dem englischen Philosophen Locke erzählt, er habe eine so grosse Furcht vor Gespenstern gehabt, dass er sich nie schlafen gelegt, ohne sich durch eine Art von Beschwörung derselben vor ihrem Besuch gesichert zu haben. (Bresl. Erzähler, 1803, S. 830.) Luther fürchtete zwar die Gespenster so wenig wie den Teufel, aber er glaubte an jene so fest wie an diesen; und wir finden in seinen Werken zerstreut ein vollständiges System über das Verhalten u.s.w. gegen Gespenster. Er beantwortet die Fragen: Warum Gespenster seien? Wie man sich gegen sie bezeugen, z.B. sie anreden solle u.s.w. (Vgl. Saltzmann, S. 312 fg.)


3. Gespenster muss nicht citiren, wer sich nicht selber will vexiren.Körte, 1095; Simrock, 8544.


4. Wer an Gespenster glaubt, wird leicht von ihnen geneckt.


5. Wer sich vor einem Gespenst fürchtet, den darf kein Mensch (Mann) anfassen.Sutor, 168; Lehmann, 447, 33.

Vom Furchtsamen. Die Chinesen behaupten, dass niemand Gespenster mehr fürchte, als wer nicht an Geister glaube. (Cahier, 2115.)


6. Wo das gespenst ist, ist der Teuffel nicht weit von.Gruter, III, 115; Lehmann, II, 882, 311; Simrock, 3543; Körte, 2094.

Und wo der Teufel ist, da fehlt es nicht an Gespenstern; wo aber Aufklärung herrscht, da sind alle beide nicht. Erleuchtete Regierungen dulden diese Unruhestifter auch in ihrem Lande nicht; daher erschien unter dem 18. Febr. 1728 in Hechingen eine Verordnung, die demjenigen 50 Fl. zusicherte, der einen Kobold, einen Werwolf oder ein Gespenst todt oder lebendig dem fürstlichen Oberjägermeister abliefere.

Frz.: Où sont fillettes et bon vin, c'est que là hante le lutin.


*7. Er sieht Gespenster bei hellem Tage.

Und die Gespenster sollen nach H. Heine (Reisebilder, Hamburg 1854, IV, 32) »noch furchtbarer sein, wenn sie den schwarzen Mantel der Nacht abwerfen und sich im hellen Mittagslicht sehen lassen«.


*8. Gespenster citiren.

Veraltete, überlebte, überwundene Einrichtungen, Standpunkte, Gesetze u.s.w. wieder hervorrufen, beleben wollen.


[Zusätze und Ergänzungen]

9. Wer wird sich vor Gespenstern fürchten!

Spricht man zu Zaghaften und solchen, die sich Schlimmes einbilden.


10. Wo das Gespenst ist, da ist der Teufel nicht weit, sagte der Bauer, der, als er den Process verloren hatte, auch die Kosten bezahlen sollte.Wirth, I, 12.


*11. Einem ein Gespenst vnd blaven Dunst machen.Mathesius, Postilla, CCXXXIb.


*12. Er kann Gespenster citiren, aber sie kommen nicht.


Quelle:
Karl Friedrich Wilhelm Wander (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon, Band 1. Leipzig 1867.
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