[119] Klephten. Als die Türken nach und nach das Flachland des griech. Staates unterjocht hatten, scheiterten alle ihre Unternehmungen, auch die Bewohner der Gebirgsgegenden, namentlich die des Olympus, Pelion, Pindus und Agraphagebirgs unter ihre Botmäßigkeit zu bringen. Wie alle Bergbewohner von Natur freiheitsliebend, muthig und ausdauernd, zogen sie sich auf ihre unzugänglichsten Berge und in die unwirthbarsten Schluchten zurück und machten jeden Angriff der Türken auf eine ebenso tapfere als entschiedene Weise zu Schanden. Aber hiermit nicht zufrieden, brachen sie auch häufig aus ihren Gebirgen hervor, überfielen die Türken in den Ebenen und verheerten und plünderten deren Besitzungen. Gewöhnlich wählten sie die [119] Zeit der Ernte zu ihren Überfällen, um sich selbst wieder mit Lebensmitteln, vorzüglich mit Wein, Öl und Getreide zu versorgen, denn ihr Hauptreichthum in den Gebirgen bestand blos in Schafherden. Wegen dieser gefürchteten Raubzüge erhielten sie den Namen Klephten, d.h. Räuber. Die Türken, der unaufhörlichen Beunruhigungen müde, gaben endlich die Hoffnung auf, diese kühnen Räuber zu unterdrücken und versuchten, sich mit ihnen auf einen friedlichen Fuß zu stellen. Sie bewilligten ihnen das Recht, nach eignen Gesetzen in völliger Unabhängigkeit zu leben und beständig zu ihrer Vertheidigung Waffen tragen zu dürfen, doch unter der Bedingung, der Pforte jährlich einen mäßigen Tribut zu entrichten. Ein großer Theil der Klephten wies jede Unterhandlung mit ihrem Erbfeinde entschieden zurück und lebte in gewohnter Weise fort; die andern gingen aber diesen Vertrag ein und errichteten zu ihrem persönlichen Schutze sowol, als auch zur Behauptung der ihnen zugestandenen Gerechtsame eine Art Miliz. Im Gegensatz zu den im Gebirge hausenden Klephten, wurden diese nun Armatolen, d.h. Waffenmänner, oder auch Palikaren, d.h. rüstige Bursche, genannt. Diese Armatolen waren in 17 Hauptmannschaften getheilt, die voneinander unabhängig lebten. Ein Kapitain, der im Hauptorte seines Bezirks seinen Sitz hatte, stand an der Spitze jeder Hauptmannschaft und ihm zur Seite ein Protopalikare, der das Amt eines Secretairs versah, weshalb er auch zur Auszeichnung ein silbernes Schreibzeug im Gürtel trug, und in der Abwesenheit des Hauptmanns dessen Stelle vertrat. Kleidung und Bewaffnung der Armatolen war ganz der der albanes. Soldaten ähnlich. Aber bei dem unabhängigen Sinne und der durch lange Plünderungszüge genährten Luft an Gefahren und Abenteuern auf der einen Seite, und bei dem Stolze und dem despotischen Übermuthe auf der andern konnte es an Reibungen zwischen den Armatolen und Türken nicht fehlen, die sich in blutige Auftritte verwandelten, bei denen gewöhnlich die Türken den Kürzern zogen. So dauerten die Fehden zwischen Beiden fort, bis die Armatolen, entrüstet über die immer mehr überhandnehmenden Ungerechtigkeiten der Paschas, sich wieder in die Gebirge zurückzogen und mit den wilden Klephten verbanden. Fortan lebten sie nun in beständigem Kampfe mit den Türken, behaupteten aber ihre Unabhängigkeit bis zur gänzlichen Befreiung Griechenlands. Die einzelnen Palikarenhausen zogen unstät mit ihren Kapetanos in den Gebirgen umher und hatten nur in einer entlegenen Schlucht oder auf einem unzugänglichen Felsen einen Lieblingsaufenthalt, wo sie sich nach den Abenteuern des Tages sorglos dem Weine und Gesange überließen. Sie waren im Allgemeinen von sanftem Charakter, menschenfreundlich und gastfrei, lebten sehr mäßig, zeichneten sich durch Muth, sowie durch Stärke und Gewandtheit des Körpers aus und in ihren Tugenden standen ihnen ihre Frauen nicht nach. Sie lebten ohne bestimmte Verfassung; Alle wurden von ihren Hauptleuten wie ihres Gleichen behandelt, dennoch ward die Achtung gegen letztere nie aus den Augen gesetzt. Gemeinschaftlich waren die Anstrengungen, die Entbehrungen und die Früchte des Sieges; nur daß die Anführer sich zuerst den Gefahren aussetzten. Tanz, Musik, Rennen, Springen und Diskuswerfen waren ihre Erholungen und auch in diesen Übungen mußten die Kapitanos sich vor den Übrigen auszeichnen. Sie waren große Freunde des Gesangs und ihre Lieder verkünden größten, theils den Ruhm ihrer Vorfahren oder ihrer Waffengenossen. Die Gebeine Derer, welche im Kampfe fielen, wurden als Schmuck auf den Waffen befestigt, und diese waren ihr größter Luxus. So viel Gehässiges auch die Lebensart der Klephten haben mochte, so dürfen sie doch keineswegs mit gemeinen Räubern verwechselt werden. Sie beraubten meist nur ihre Feinde, die Türken und hielten es für eine Pflicht und für ehrenvoll, ihnen so viel als möglich zu schaden. Nur wenn die Noth sie zwang oder wenn Haß und Rache sie anspornte, plünderten sie auch Griechen, besonders Mönche und Priester, welche sie im Verdachte der Verrätherei hatten. Ihnen verdankt Griechenland zum großen Theil seine Wiederherstellung. Schon seit dem ersten Türkenkriege unter der Kaiserin Katharina II. hatten sie die Idee erfaßt, die türk. Macht in Griechenland zu stürzen und ihre Anführer waren später die eifrigsten Glieder des griech. Bundes Hetäria. Durch ihre Unterstützung ward es dem griech. Festlande möglich, sich zu erheben und sie bildeten in dem langen Freiheitskampfe den Kern und den größten Theil der tapfern griech. Scharen, deren Kühnheit und Heldenmuth ganz Europa in Staunen setzten und deren Anführer, wie Markos Bozzaris, Kolokotronis, Sturnari, Tzavella, Guras, Karaiskakis und so viele Andere unsterbliche Lorbeern im Kampfe für das Vaterland errangen. Gegenwärtig bilden die Armatolen einen Theil des neuorganisirten griech. Heeres; allein ein großer Theil der Palikaren hat die Freiheit in den Gebirgen und die alte Lebensweise allen kön. Anerbietungen vorgezogen. Der Befehl des Königs Otto I., die Palikaren, welche sich nicht dem neuen Kriegsdienste unterziehen wollten, zu entwaffnen, konnte nur unvollkommen ausgeführt werden.