[752] Lissabon oder Lisboa, die Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Portugal, liegt am rechten Ufer des Tejo, unsern von der Mündung desselben in den atlantischen Ocean in einer wunderbar schönen Gegend und zählt 260,000 Einw.
Den schönsten Anblick gewährt die Stadt von der Seeseite. Mit Einschluß der zu ihr gehörigen Dörfer Junqueira, Belem und Alcantara hat sie an dem 11/4 M. breiten Strome eine Länge von mehr als einer Meile und erhebt sich auf drei größern und mehren kleinern Bergen amphitheatralisch umkränzt von Gärten und Landhäusern, während die wilden, zackigen Gipfel des Gebirges von Cintra den Hintergrund bilden. Das Innere der Stadt ist dagegen unschön, die Straßen sind uneben, eng, finster und unregelmäßig und nur der westl. Theil, Mejo genannt, welcher durch das große Erdbeben am 1. Nov. 1755 fast ganz zerstört wurde, hat mehre schöne Plätze, sowie gerade und regelmäßige Straßen mit gutgebauten Häusern. Am Tejo hin gehen die schönsten Straßen, namentlich die Rua do Oro, da Prata und Augusta. Der Praça do commercio (Handelsplatz) am Ufer des Tejo und Landungsplatz des Hafens, 615 Schritte lang und 550 breit, ist auf drei Seiten von stattlichen Gebäuden eingeschlossen und öffnet sich mit der vierten gegen den Fluß zu. Von dieser Seite zeigt ihn die umstehende Abbildung. In der Mitte desselben steht die bronzene Bildsäule des Königs Joseph I. Auf diesem Platze stand ehemals der königl. Palast. Schöne, breite und gerade Straßen verbinden diesen Platz mit dem Rocio, welcher ein 1800 F. langes und 1400 F. breites Viereck bildet, in welches zehn Straßen münden. Die eine Seite nimmt der Inquisitionspalast ein. Auf diesem Platze wurden einst die berüchtigten Autos da Fé gehalten. Unter den Gebäuden sind auszuzeichnen die königl. Paläste Ajouda in Belem, Bemposta und Necessidades, von denen namentlich der erste eines der herrlichsten Gebäude ist, das Marinearsenal, das Arsenal für die Landarmee, das Haus für die ital. Oper, das schon erwähnte Inquisitionsgebäude; am Handelsplatze die Börse, das Zollhaus, das indische Haus und die königl. Bibliothek. Das schönste nach dem Erdbeben aufgeführte Gebäude ist die sogenannte neue Kirche; bei der Kirche des h. Rochus ist eine von Johann V. erbaute Kapelle mit prachtvollen Mosaikarbeiten; die Kirche zum Herzen Jesu hat eine herrliche Marmorkuppel; die Patriarchalkirche, auf einer Anhöhe liegend, ist inwendig prachtvoll ausgestattet und hat großen Reichthum. Im Ganzen sind in L. gegen 300 Kirchen und Kapellen, unter denen 40 Pfarrkirchen, 64 Klöster und ein protestantisches Bethaus. Eines der bedeutendsten Bauwerke und in seiner Art das schönste in Europa ist die von König Johann V. 1743 erbaute Wasserleitung, welche die Stadt aus einer Entfernung von mehr als zwei Stunden mit Trinkwasser versieht. Sie ist ganz aus Marmor erbaut. Nahe bei der Stadt geht sie auf 35 Bogen über das Thal von Alcantara und der höchste dieser Bogen hat eine Höhe von 230 F. Das Castello dos Mouros, eine kleine Festung auf dem höchsten Hügel L.'s ist ganz verfallen, wogegen der Hafen durch die Forts San Juliao, da Bugio, San Sebastian [752] und San Antonio vollkommen vertheidigt wird. Wissenschaftliche Anstalten sind die 1816 gestiftete Akademie der Wissenschaften, die Akademien der Befestigungskunst, der Artillerie, der Schiffsbaukunst und des Zeichnens, eine Ritterakademie, eine Handlungsschule, vier Collegien für die classischen Sprachen und gemeinnützigen Wissenschaften, mehre Seminare, mehre öffentliche Bibliotheken, unter denen die königl. 80,000 Bände besitzt, ein botanischer Garten, Kunst- und Naturaliensammlungen. Eine großartige Wohlthätigkeitsanstalt ist das St. Jakobshospital, in welchem jährlich an 16,000 Kranke Pflege finden und das Findelhaus, in das jährlich an 1600 Kinder aufgenommen werden. Die Gewerbsthätigkeit der Bewohner L.'s ist sehr gering, man findet kaum die hinreichende Anzahl von Handwerkern und nur einige wenige Fabriken. Großartig ist dagegen noch immer der portug. Handel, dessen Mittelpunkt L. ist. Man rechnet 240 portug. und 130 ausländische, meist engl. Handelshäuser und in den Hafen von L. laufen jährlich über 12,000 Schiffe ein. Der schönen Umgebungen der Stadt wurde schon gedacht, in ihnen findet man 6–7000 Landhäuser, Quintas genannt. An dem Platze, wo der König Emanuel nach der ersten Rückkehr Vasco da Gama's aus Indien 1499 eine Kirche der Geburt Christi und das Hieronymitenkloster stiftete, in welchem sich die herrliche mit weißem Marmor bekleidete Gruft der königl. Familie befindet, liegt das seit 1754 mit Stadtgerechtigkeit versehene Quartier Belem, eigentlich Bethlehem. Bis zum Brande des Schlosses residirte hier die königl. Familie. Das neue Schloß hat eine schöne Aussicht nach dem Hafen und dem Meere. Ein alter im Tejo erbauter Thurm, Torra de Belem, welcher mit Batterien versehen ist, wird jetzt als Staatsgefängniß benutzt. In der Nähe von L. sind noch die Luftschlösser Ramalhao und Queluz: in dem letztern wohnte die königl. Familie, nachdem sie Belem verlassen, bis zur 1807 erfolgten Flucht nach Brasilien.