Orpheus

[354] Orpheus, einer der ältesten griech. Dichter, der um 1250 v. Chr. gelebt haben soll, dessen Lebensgeschichte aber mit vielen Fabeln ausgeschmückt ist. Nach der gewöhnlichen Erzählung war er ein Sohn der Muse Kalliope und des Apollo oder des thrazischen Stromgottes oder Königs Öagrus, hatte in jungen Jahren weite Reisen gemacht und dabei auch die geheime Weisheit der ägypt. Priester kennen lernen, die er nachher zur Stiftung nützlicher Einrichtungen in Griechenland benutzte, wo er namentlich die Feier der zu Ehren des Bacchus und anderer Götter begangenen Mysterien verbesserte oder zum Theil einführte. Der um die früheste Cultur der Griechen jedenfalls verdiente O. war auch in der Musik sehr geschickt und auf seiner vom Apollo empfangenen Leier, deren sieben Saiten er um zwei vermehrte, spielte und sang er so hinreißend, daß er wilde Thiere damit bezähmte, den Lauf der Flüsse und Winde aufhielt und Bäume und Felsen bewog, ihm nachzufolgen. Er heirathete die Nymphe Eurydice, verlor sie jedoch frühzeitig und begab sich darauf in die Unterwelt, wo er durch sein Spiel sogar den Furien Thränen entlockte und Pluto und Proserpina bewog, der Eurydice zu erlauben, daß sie ihm wieder nach der Oberwelt folge, wenn O. sich nicht früher nach der Geliebten umsehe, als bis er oben wieder angelangt sein werde. Allein O. sah sich früher um und erblickte die Eurydice hinter sich, die sofort für immer verschwand. An dem Zuge der Argonauten soll er im Alter noch Theil genommen und zum Gelingen desselben viel beigetragen, endlich aber in Thrazien einen gewaltsamen Tod gefunden haben. Seine Lehren und Ideen, nach ihm Orphische genannt, hat O. vermuthlich niemals niedergeschrieben, sondern sie pflanzten sich in dichterischer Form durch Überlieferung fort und die ihm zugeschriebenen Hymnen, ein historisches Gedicht vom Zuge der Argonauten und ein Werk von der Natur und den Kräften der Steine wurden später erst verfaßt oder mindestens in die Form gebracht, in der sie sich erhalten haben.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 354.
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