Federviehställe

[661] Federviehställe. Die Geflügelhaltung auf dem Lande, wenn sie lediglich wirtschaftliche Zwecke verfolgt, erstreckt sich in der Regel auf die verschiedenen Arten von Hühnervögeln: Hühner, Perlhühner, Puten; Wassergeflügel: Enten und Gänse, und die verschiedenen Arten von Tauben. Besondere Stalleinrichtungen werden erfordert, wenn edle Rassen rein gezüchtet werden sollen.

Ställe des Landgeflügels werden häufig für Hühner und Puten gemeinsam angelegt: sie erhalten eine Grundfläche für ein Huhn = 0,12, für eine Pute = 0,3 qm. In kleinen Bauernwirtschaften pflegt man sich mit einem Raum, der auch die nötigen Legekästen enthält, zu begnügen und nimmt die brütenden Glucken in das geheizte Zimmer. Gut angelegte Geflügelställe enthalten außer den Legeställen Brütstuben und, wo Geflügelmastung eingeführt ist, auch wohl einen Maststall. Daneben dient der Hühnerhof zur Bewegung im Freien.

Der Rast- und Legestall wird nicht gern für mehr als 50 Hühner eingerichtet; er liegt häufig im ersten Stockwerk, wenn das Wassergeflügel das Erdgeschoß einnimmt. Den Taubenschlag bringt man dann über den Hühnerstall. Zu der Schlupftür, die den Eingang zum Hühnerstall bildet, führt eine Hühnerleiter In dem Legestall steht das Stangengerüst, auf dem die Hühner ihre Nachtruhe halten. Gewöhnlich wird dies unter etwa 45° oder, etwas Heiler ansteigend, mit einem Abstand der Sitzstangen von 35 bis 40 cm angeordnet. Die Stangen werden nicht rund, sondern entsprechend dem Gliederbau der Zehen mit rechteckigem Querschnitt 5–6 cm breit, 3 cm hoch mit gebrochenen Kanten hergestellt. Da beim Auffliegen alle Hühner oben sitzen wollen, entstehen leicht Kämpfe, zu deren Vermeidung Oettel [1] ein wagerechtes Stangengerüst empfiehlt, wie es in Fig. 1 im Grundriß dargestellt wird. Zu beiden Seiten des 40 cm hohen Gerüstes befinden sich Gänge für Menschen, durch zwei Türen nach außen zugänglich, an einer Langseite drei Schlupftüren für Hühner. An den Langwänden stehen die Legekästen. Viel Nachahmung hat diese Anordnung nicht gefunden, hauptsächlich weil die Hühner unten in kälterer Luftschicht sitzen, auch die Reinigung des Stalles schwieriger ist. – Die Legekästen, auf 50 Hühner 40 Stück, werden gewöhnlich von gehobelten Brettern mit dichtschließenden Fugen, damit sich keine Schlupfwinkel für das Ungeziefer bilden, angefertigt und mit öfter zu erneuerndem Heu oder Stroh versehen. Sie erhalten 35–40 cm Weite, 15 cm Höhe; ihre Aufteilung muß im Halbdunkel derart geschehen, daß die Nester nicht von den Hühnern beschmutzt werden können, am bellen mit Schutzdach. Man kann die Legekästen in mehreren Etagen 40 cm hoch übereinander anordnen, muß dann aber vor den oberen Reihen Stangen anbringen, auf denen die Hennen entlanggehen können, um sich ein Nest aufzusuchen, ohne andre Legerinnen zu Hören. Reinlichkeit, durch die einer Vermehrung des Ungeziefers, der größten Hühnerplage, vorgebeugt wird, ist Haupterfordernis; daher ordnet man die Sitzstaffeln und Nestgerüste gern so an, daß sie leicht zerlegt und die einzelnen Teile außerhalb[661] des Stalles gereinigt werden können. – Ein Stangengerüst, das sich der üblichen Staffelform anschließt, ist in Fig. 2 abgebildet. Der Neigung der Staffel folgend ist eine schräge Fläche von Brettern hergestellt, die, scharf mit nassem Sande beworfen, eine Rutschebene für Kotballen bildet, die in einem untergestellten Trog aufgefangen werden. Unter der Rutschebene stehen in fünf Reihen übereinander lose aufgelegte Fachbretter mit Nestkästen, Das ganze Gerüst ist zerlegbar. – Die Bauart des Stalles muß der Reinlichkeit Vorschub leisten und das Eindringen der Hühnerfeinde, Iltis, Marder und Ratte, verhindern. Massivkonstruktionen und Wölbungen sind daher hölzernen Decken, Wänden und Fußböden vorzuziehen. Der Fußboden, am bellen aus Beton hergestellt, wird täglich mit frischem Sande, dem man wohl etwas Schwefelblüte gegen Ungeziefer beimischt, bestreut und Sand und Kotballen häufig ausgefegt. Türen und Schieber der Schlupflöcher müssen dicht schließen und, wenn möglich, an den Kanten mit Eisenblech beschlagen werden. Die Schlupflöcher macht man 18 cm breit, 24 cm hoch. – Heizung der Legeställe wird meist nicht für notwendig gehalten; sie begünstigt aber das Eierlegen und hilft, die hierin eintretende Winterpause abzukürzen oder ganz verschwinden zu machen. In kleinen Bauernwirtschaften erwärmt man den Hühnerstall dadurch, daß man ihn gegen den Viehstall nur durch einen Lattenverschlag abgrenzt. Wo ein Stall geheizt wird, muß man Oefen von milder, aber nachhaltiger Wirkung, also aus Kacheln oder Ziegelsteinen gesetzte Oefen anwenden. Zur besseren Lüftung im Sommer hängt man gern Türflügel von engmaschigem Drahtgeflecht ein, die wohl der Luft, nicht aber den Eierdieben und Raubtieren freien Durchgang gewähren. – Brutstätte, in denen auch die kleinsten Küchlein in der ersten Zeit gehalten werden, sollen auf 18° C. (14,4° R.) geheizt werden und mäßig hell sein. Reinlichkeit ist hier in noch höherem Maße wie in Legeställen erforderlich. Brutnester sind so einzurichten, daß die Glucken darauf in der ersten Zeit festgehalten werden. Haben sie erst die Eier angebrütet, so kehren sie dorthin stets von selbst zurück. Häufig benutzt man nur einen oben zugebundenen Korb, besser aber besondere Brutkästen nach Fig. 3 von 40 cm Länge und Breite, 80 cm Höhe. In die Karten wird etwas Staubkalk gegen Ungeziefer geschüttet, darauf frischer Rasen gelegt, dessen Feuchtigkeit dem Ausbrüten günstig ist. Darüber kommt das Nest von Stroh. – In dem Brutstatt muß stets frisches Trinkwasser und ein das Staubbad enthaltender Kasten stehen. Dieses benutzen die Glucken, um sich von Ungeziefer zu reinigen. Man mischt deshalb dem Sande etwas Schwefelblüte bei. Um das ausgebrütete Geflügel, namentlich wenn es empfindlich ist, wie junge Puten, sorgfältig aufzuziehen, werden die sogenannten Aufzuchtkästen angewendet. – S.a. Brutapparate.

Geflügelhofe werden häufig für die ganze Federviehhaltung gemeinsam angeordnet. Besser ist jedoch die Absonderung des Hofes für Wassergeflügel. Die Höfe sollen dem Geflügel Bewegung im Freien gewähren, die für die natürliche Entwicklung unentbehrlich ist, das Verschleppen der Eier und das Verlaufen aber hindern. Auf dem Hof soll, wenn möglich, ein Sandplatz als Staubbad von 0,2–0,3 qm und ein Grasplatz von 10–20 qm für jedes Huhn vorhanden sein. Letztere Größe ist nicht immer zu erreichen, darum gibt man den erwachsenen Hühnern oftmals die Freiheit und benutzt den Hof vorzugsweise für die Aufzucht jungen Geflügels. Der Hof ist mit einer 2–3 m hohen Einfriedigung von Lattenzaun oder Drahtgeflecht von verzinktem Eisendraht zu umschließen; er muß mit frischem Trinkwasser und Gelegenheit zum Baden, für Wassergeflügel mit etwas größerem Wasserbehälter mit flachen Rändern versehen sein. Junges Geflügel, namentlich Puten, sind sehr empfindlich gegen Wind und Wetter. Um ihnen besseren Schutz zu gewähren, ist die Anlage niedriger Schuppen sehr zu empfehlen, die sich nur nach Süden öffnen und den Uebergang von der Brütstube zu dem Hof bilden. – Enten- und Gänseställe müssen stets zu ebener Erde liegen. Ihre Größe beträgt für eine Ente 0,15, für eine Gans 0,25 qm. – Die Legekästen werden in Fig. 4 dargestellt. Die Tiere gelangen durch ein Schlupfloch von der Seite auf das Nest, an das man nach Oeffnen des Deckels leicht herankommen kann. Ställe für Wassergeflügel sind stets ungeheizt. Besondere Einrichtungen zum Ausbrüten sind nicht erforderlich, weil Wasservögel weniger zuverlässig brüten und ihre Eier meist von Puten oder Hennen in der allgemeinen Brütstube ausgebrütet werden.[662]

Mastställe sind kühl und halbdunkel zu halten. Um das Mastgeflügel an der Bewegung zu hindern, wird es in enge Käfige gesperrt und nur zum Stopfen herausgenommen. In größeren gewerblichen Fetthuhnmastanstalten wird die Fütterung auf mechanischem Wege ausgeführt. Die Käfige stehen im Kreise auf karousselartigem, um eine senkrechte Achse drehbarem Gerüst. Jedem Tier wird die durch eine Maschine abgeteilte Futtermenge eingetrichtert und die Zahl der Fütterungen durch ein Zählwerk angezeigt. Nach einmaliger Drehung des Karoussels ist die Fütterung beendet. Eine einfachere Anordnung der Mastkäfige ist in Fig. 5 dargestellt. Die staffelförmig aufgehellten, von gehobelten Brettern gebildeten Käfige werden vorn durch ein breites vorgestecktes Scheit geschlossen. Vor die beiden offen bleibenden Spalte wird ein Tränkgefäß und ein Futternapf gestellt. Der Kot fällt durch Löcher im Boden in untergestellte Gefäße.

Die Fig. 6–10 geben das Beispiel eines ausgeführten Geflügelhauses einer größeren Gutswirtschaft. Das Erdgeschoß (Fig. 6) enthält je einen Stall für 35 Gänse, 60 Enten und zwei nach Süden gelegene Brütstuben mit daranschließenden Schuppen und Laufräumen für junges Geflügel, deren einer mit Wasserbecken für Wassergeflügel. Im ersten Stockwerk (Fig. 7) liegen je zwei Lege- und Raststätte für Hühner und Puten, durch äußere Hühnerleitern zugänglich. Im zweiten Stockwerk (Fig. 8) befindet sich der Taubenschlag für edlere Taubenrassen und im Dach für gewöhnliche Feldflüchter. Fig. 9 zeigt den Querschnitt und Fig. 10 die Ansicht des turmartigen, mitten auf dem Hof stehenden Gebäudes. Die Bauart ist massiv, die Zwischendecken über den beiden unteren Geschossen sind in Beton gestampft.

Wo die Züchtung reiner Rassen beabsichtigt wird, erhalten die Geflügelställe ein andres Gepräge. Es muß dann für jeden Stamm von einem Hahn und vier bis sechs Hennen eine gesonderte Stall- und Hofabteilung vorhanden sein. Man hat solche in der Regel heizbare Ställe wohl um eine runde oder vieleckige Mittelhalle ringförmig angeordnet und mit einem zweiten Ring von Höfen umgeben. Um sie besser warm zu halten, bildet man die Verbindung zwischen der Stallabteilung und dem zugehörigen Laufraum im Freien nur durch eine Schlupftür und betritt sie nur von der im Winter zur gemeinsamen Fütterung dienenden Mittelhalle aus [6]. Literatur: [1] Oettel, Der Hühner- und Geflügelhof, sowohl zum Nutzen als zur Zierde, Weimar 1879. – [2] Baldamus, Illustriertes Handbuch der Federviehzucht, Dresden 1881. – [3] Tiedemann, Ludw. v., Das landwirtschaftliche Bauwesen, Halle a. S. 1898. – [4] Rueff, A. v., Bau und Einrichtungen der Stallungen und Aufenthaltsorte unsrer nutzbaren Haustiere, Stuttgart 1875. – [5] Encyclopédie d'architecture, 1. Jahrg., Nr. 9. – [6] Deutsche Bauzeitung 1905, Nr. 33.

v. Tiedemann.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 2., Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.
Fig. 6., Fig. 7., Fig. 8.
Fig. 9.
Fig. 9.
Fig. 10.
Fig. 10.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 661-663.
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