[798] Bewegungswiderstand (Kraftbedarf) der Fahrzeuge. Die Größe der Widerstände zwischen Fahrzeug und Bahn, bez. die Größe der zu ihrer Überwindung erforderlichen bewegenden Kraft läßt sich meist nur mittels Erfahrungszahlen annähernd bestimmen. Durch Steigen oder Fallen der Bahn wird der B. stark modifiziert, ebenso durch Vergrößerung oder Verkleinerung der Fahrgeschwindigkeit.
I. Landfahrzeuge. Die Straßenfahrzeuge (Fuhrwerke). Die Bewegungswiderstände der Schlitten oder Schleifen bestehen im wesentlichen aus der Reibung zwischen den Kufen und der Bahn. Die folgenden Zahlen (Widerstandskoeffizienten) geben an, der wievielte Teil von dem Gewichte des Schlittens samt Ladung auf horizontaler Bahn als B. (Bahnwiderstand) zu rechnen ist:
Die Bewegungswiderstände der Karren (zweiräderig) und Wagen (vierräderig) bestehen zum kleinern Teil aus der Achsenreibung, zum größern Teil aus den Hindernissen, welche die Fahrbahn darbietet, und im Winddruck. Die Summe aller dieser Widerstände sind an beladenen, mittels Zugtieren in Bewegung gesetzten Wagen durch Kraftmesser ermittelt und als Teil der Gesamtlast angegeben worden. Nach Morin ergeben sich die Widerstandskoeffizienten für Räderfuhrwerke auf horizontaler Bahn bei Radfelgenbreite von 100200 mm und Achsendurchmesser von 65 mm, wie die nebenstehende Tabelle angibt.
Eisenbahnfahrzeuge. Bei ihrem B. sind zu unterscheiden: Widerstand auf gerader, horizontaler Strecke, Widerstand in Kurven, Widerstand auf Steigungen. Der Widerstand der Eisenbahnwagen und Tender auf gerader, horizontaler Strecke, bestehend im wesentlichen aus der Achsenreibung, der rollenden Reibung zwischen Rädern und Schienen, aus den durch die Unebenheiten der Bahn (z. B. die Schienenstöße) dargestellten Hindernissen und dem Luftwiderstand, läßt sich mit Einschluß des Kurvenwiderstandes annähernd darstellen durch den Ausdruck W = Q(0,003+0,00002v2), wenn Q die Bruttolast (Ladung und Wagen) in Kilogramm und v die Zugsgeschwindigkeit in Meter für eine Sekunde bedeutet. Für die Lokomotiven kann man denselben Ausdruck gebrauchen, wenn man den 7/6fachen Betrag des Lokomotivgewichts in Rechnung stellt.
Der Gesamtwiderstand der Züge stellt zugleich die Zugkraft der Lokomotive dar, die bei gewöhnlichen Eisenbahnen nur dadurch auf den Zug übertragen wird, daß die gleitende Reibung (Adhäsion) zwischen den Treibrädern und den Schienen mindestens ebenso groß wie die Zugkraft selbst ist. Es muß also ein genügend großer Teil des Lokomotivgewichts als Adhäsionsgewicht auf den Treibrädern lasten, um diese Adhäsion erzeugen zu können. Die Adhäsion beträgt etwa 1/3 des Adhäsionsgewichts, so daß man umgekehrt bei bekannter Zugkraft das Adhäsionsgewicht gleich dem achtfachen Wert derselben findet. Steigt die Bahn, so kommt zu dem Bahnwiderstände (berechnet aus dem Normaldrucke zwischen Fahrzeug und Bahn) noch die der Bahn parallele Kraftkomponente des Gesamtgewichtes von Fahrzeug und Ladung hinzu, fällt die Bahn, so ist sie davon abzuziehen. Bei stark abfallender Bahn kann diese Komponente größer als der Bahnwiderstand werden und dadurch eine bewegende Kraft gegeben sein, die das Fahrzeug abwärts treibt. Man pflegt dann eine Gegenkraft in Wirksamkeit treten zu lassen (Bremsen).
II. Wasserfahrzeuge (Prahme, Kähne, Boote, Schiffe). Die theoretische Ermittelung der Bewegungswiderstände der Wasserfahrzeuge ist besonders schwierig; trotz langer Bemühungen hat man noch keine allgemein gültige Formel gefunden. Nach der ältern Verdrängungstheorie besteht der Hauptteil des Widerstandes in den der Verdrängung des Wassers entgegenwirkenden Kräften, d. h. in einem Druck, den der vordere Teil eines Schiffes auszuüben hat, um das Wasser zu zerteilen, und in einer Saugwirkung, die der hintere Teil des Schiffes ausüben muß, um das Wasser wieder zusammenzuschließen. Nach der neuern Stromlinientheorie (die davon ihren Namen hat, daß man sich das Wasser in lauter Fäden oder Stromlinien zerlegt denkt) entstehen Widerstände durch Reibung des Wassers am Schiffskörper,[798] durch Wirbelbildung und Wellenbildung. Der Reibungswiderstand ist außer von dem Inhalte der benetzten Schiffsoberfläche auch von ihrer Länge, ihrem Zustand (glatt oder rauh) sowie von der Schiffsgeschwindigkeit abhängig. Bei gut gebauten Schiffen mit glatten Flächen beträgt der Reibungswiderstand stets mindestens die Hälfte des Gesamtwiderstandes. Der Wirbelwiderstand, der eine Wirbelbildung im Kielwasser hervorbringt, beträgt bei gut gebauten Schiffen etwa 810 Proz. des Reibungswiderstandes, bei schlechten Schiffsformen bedeutend mehr. Der Wellenwiderstand wird durch die Oberflächenstörung verursacht. Er hängt im wesentlichen von dem Verhältnis der Länge des Vorder- und Hinterschiffs zu der Geschwindigkeit ab, und zwar in der Weise, daß für jedes Schiff entsprechend seinen Längendimensionen eine Grenze der Geschwindigkeit besteht, über die hinaus ein geringer Zuwachs an Geschwindigkeit von einer unverhältnismäßig starken Zunahme des Wellenwiderstandes begleitet ist.
Die auf der Verdrängungstheorie beruhende Formel von Compaignac, die bei langsamer Bewegung einigermaßen zutreffende Resultate ergibt, stellt den Widerstand dar durch den Ausdruck ζ. Fv2/2gγ wobei F die eingetauchte Fläche des größten Schiffsquerschnittes (Hauptspants) in Quadratmeter, v die Geschwindigkeit des Schiffes in Meter, relativ gegen das Wasser, γ das Gewicht eines Kubikmeters Wassers in Kilogramm, g die Beschleunigung der Schwere, = 9,81, und ζ ein gewisser von der Form des Schiffes abhängiger Koeffizient ist. Hierbei ist zu setzen:
Die Formel von Rankine, der die Stromlinientheorie zu Grunde liegt, setzt den Widerstand in Kilogramm W = 0,202 v2.O, wenn v die Geschwindigkeit in Meter und O die benetzte Schiffsoberfläche in Quadratmeter bedeutet. Diese Formel gilt nur für gut gebaute Seeschiffe. Neuerdings ermittelt man den Widerstand eines zu erbauenden Schiffs nach dem von Froude formulierten Gesetz der korrespondierenden Geschwindigkeiten mit Hilfe eines Modells, dessen Widerstand direkt gemessen wird, indem man es unter Einschaltung eines Dynamometers durch das Wasser zieht. Übrigens ist, sobald ein Schiff im strömenden Wasser fahren soll, zu v die Stromgeschwindigkeit zu addieren oder davon zu subtrahieren, je nachdem das Schiff stromauf oder stromab fährt. Wo merkliches Gefälle vorhanden ist, ist dies in ähnlicher Weise wie bei den Landfahrzeugen zu berücksichtigen. Außerdem vermehrt sich der Widerstand in engen Kanälen, weil das Wasser nicht frei ausweichen kann.
III. Luftschiffe. Über den B. der Luftschiffe sind noch keine genauern Versuche angestellt worden. Man rechnet jedoch gewöhnlich nach der modifizierten Compaignacschen Formel. Beispielsweise setzt Wellner den Widerstand W = π/4d2.ζ.ξ.v2, wobei d den größten Ballondurchmesser in Meter, ζ den Widerstandskoeffizienten einer senkrecht gegen die Luft bewegten Fläche (nach Wellner = 1/2), ξ einen von der Zuschärfung des Ballons abhängigen Koeffizienten (1/10 bis 1/16) und v die Geschwindigkeit in Meter bedeutet, und wobei die Windgeschwindigkeit in derselben Weise zu berücksichtigen ist wie bei den Schiffen die Stromgeschwindigkeit.
Bei allen Landfuhrwerken ist eine bedeutende Kraft erforderlich, um überhaupt eine ganz geringe Bewegung herbeizuführen, während die erforderliche Zugkraft für erhöhte Geschwindigkeiten nur langsam zunimmt. Dagegen werden Wasser- und Luftfahrzeuge schon durch eine minimale Kraft in geringe Bewegung gesetzt; für wachsende Geschwindigkeit nimmt jedoch hier der Bedarf an Zugkraft sehr stark zu.
Vgl. Weisbach-Herrmann, Ingenieur- und Maschinenmechanik, Teil 3, Abt. 2 (2. Aufl., Braunschweig 1880); Rühlmann, Allgemeine Maschinenlehre (2. Aufl., das. 187585); Brix, Über den Widerstand der Fuhrwerke (»Verhandlungen des Vereins für Gewerbefleiß in Preußen«, Bd. 29, Berl. 1850); White, Handbuch für Schiffbau (deutsch, Leipz. 1879); Busley, Die Schiffsmaschine (3. Aufl., Kiel 1891 f.); Wellner, Über die Möglichkeit, der Luftschiffahrt (Brünn 1880); Derval, Étude sur la navigation aérienne (Par. 1889).
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