Eichhörnchen

[428] Eichhörnchen (Sciurus Cuv.), Gattung der Nagetiere aus der Familie der Eichhörnchen (Sciuridae, s. Nagetiere), sind schlank gebaute Tiere mit langem, meist buschigem, oft zweizeilig behaartem Schwanz, langen, meist mit einem Haarpinsel geschmückten Ohren, langen, gekrümmten Krallen an den fingerartigen Zehen und einem Nagel auf der Daumenwarze. Das gemeine E. (Sciurus vulgaris L. s. Tafel »Nagetiere IV«, Fig. 3), 25 cm lang, mit 20 cm langem, sehr buschigem, zweizeiligem Schwanz, 10 cm hoch, mit langen Ohrpinseln, im Sommer oberseits bräunlichrot, an den Kopfseiten grau gemischt, unterseits weiß, im Winter oberseits braunrot mit Grauweiß gemischt, im hohen Norden häufig weißgrau, bisweilen auch ganz schwarz mit weißem Bauch, auch ganz weiß oder gescheckt, findet sich in ganz Europa, im südlichen Sibirien bis zum Altai und nach Hinterasien in Laub- und Nadelwäldern. Es frißt Samen, besonders von Nadelhölzern, Knospen, junge Triebe, Schwämme, Obst u. dgl., indem es auf den Hinterbeinen sitzt, den Zapfen oder die Nuß mit den Vorderfüßen zum Mund führt und den Schwanz auf den Rücken schlägt. Es jagt aber auch kleine Säugetiere und Vögel und plündert Nester. Wintervorrat sammelt es in Baumhöhlen und Löchern unter Gebüsch und Steinen, auch baut es aus Reisig und Moos ein geschlossenes Nest mit zwei Ausgängen (s. Tafel »Tierwohnungen I«, Fig. 1) in Astwinkeln, bisweilen zwei bis vier, oder macht sich zu kürzerm Aufenthalt ein Krähen-, Elster- oder Raubvogelnest oder eine Höhlung in einem Baumstamm zurecht. Das E. ist ungemein munter, klettert meisterhaft und bewegt sich auch auf dem Boden in großen Sprüngen sehr schnell vorwärts. Im Norden macht es weite Wanderungen über Steppen und Gebirge, um Nahrung zu suchen. Im Winter verläßt es die Nester nur, wenn der Hunger es treibt. Die E. paaren sich im März, und das Weibchen wirft nach vier Wochen 3–7 blinde Junge. Letztere saugen vier Wochen und sind gegen den Herbst fast ausgewachsen. Im Juni hat die Alte bereits zum zweitenmal Junge, und im Herbst schlagen sich oft beide Gehecke zusammen. Die E. werden durch Ausfressen der Holzsaat und der jungen Baumknospen, durch Benagen der Rinde und Stehlen des Obstes schädlich; auch vertilgen sie viele kleine nützliche Singvögel. Ihr Hauptfeind ist der Edelmarder, auch andre Raubtiere und Raubvögel stellen ihnen nach. Die charakteristische Spur des Eichhörnchens mit den langen, gespreizten Zehen zeigt die Abbildung. Über die Felle der E. s. Feh. Die Schwanzhaare dienen zu Malerpinseln, verschiedene Teile des Eichhörnchens werden vom Landvolk als Heilmittel fürs Vieh benutzt. Ihr weißes, zartes, wohlschmeckendes Fleisch wird von Sachkennern überall gern gegessen.

Eichhornspur.
Eichhornspur.

Jung aufgezogen, werden die E. leicht zahm, beißen aber im Alter ganz empfindlich, wenn sie geneckt werden. Das graue E. (S. cinereus L., S. virginianus Brisson), in den Eichen- und Hickorywäldern in Pennsylvanien und in einigen Gegenden am Missouri häufig, ist 30 cm lang, an den obern Teilen rotgrau, an allen untern Teilen weiß, mit schwarz, weiß und rotgrau geringeltem, 26 cm langem Schwanz und liefert Pelzwerk. Das weißohrige E. (S. leucotus L.), in Nordamerika, ist grau oder schwarz, am Bauch weißlich, mit runden,[428] auf beiden Seiten behaarten Ohren. Diese E. richten zuweilen auf Feldern und in Gärten großen Schaden an; in manchen Jahren dringen sie in ungeheuern Scharen nach dem Südosten vor, wobei sie alles auf ihrem Wege verwüsten.

Die Gattung Erd- oder Backenhörnchen (Tamias Illig.) bildet den Übergang zu den Zieseln. Die Tiere haben Backentaschen, kürzere Beine als das E., sind mehr auf den Boden gebannt, haben einen dünn behaarten Schwanz und gewöhnlich scharfe Längsstreifen auf dem kurzen, nicht sehr reichen Pelz. Der Burunduk (sibirisches Backenhörnchen, T. striatus L.) ist 15 cm lang, mit 10 cm langem Schwanz, nicht über 5 cm hoch, hat wenig vorstehende, rundliche Nase, kleine Ohren und ziemlich starke Gliedmaßen, ist gelblich, mit schwarzen Binden auf dem Rücken, unten gräulichweiß, lebt in Wäldern Nordasiens und Osteuropas in Höhlen mit Vorratskammern unter Baumwurzeln und hält einen häufig unterbrochenen Winterschlaf. Es nährt sich von Früchten und Samen, schleppt davon große Quantitäten zusammen und richtet oft großen Schaden an. Sein Pelzwerk findet in China Absatz. – Die Flug- oder Nachthörnchen (Pteromys G. Cuv.) haben zwischen Vorder- und Hintergliedmaßen von der Hand- und Fußwurzel an eine dicht behaarte Flughaut, deren vorderes Ende durch einen knöchernen Sporn an der Handwurzel gestützt wird. Der Schwanz ist behaart, glatt. Der Taguan (P. petaurista F. Cuv.), 60 cm lang und 20 cm hoch, mit 55 cm langem, sehr dickem, buschig behaartem Schwanz, kurzem Hals, verhältnismäßig kleinem Kopf, kurzen, breiten Ohren und großen Augen, oben schwarzgrau, unten schmutzig weißgrau, lebt in Ostindien und Ceylon, weilt bei Tage in hohlen Bäumen, sucht bei Nacht seine Nahrung und macht mit Hilfe der Flatterhaut sehr weite Sprünge. Das gemeine Flattereichhorn (Ljutaga, P. volans L.), 16 cm lang, mit 13 cm langem Schwanz, ist oben fahlbraun, unten weiß, bewohnt Birken- oder gemischte Waldungen im nördlichen Osteuropa und Sibirien, schläft am Tage in hohlen Bäumen, durchfliegt Entfernungen von 20–30 m, frißt Knospen, Sprößlinge, Kätzchen der Birken, im Notfall auch Knospen und junge Triebe der Fichten. Im Herbst bewohnt es gesellig ein einziges großes Nest. Es wird wegen seines Pelzes gejagt.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 428-429.
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