[579] Eiter (Pus) und Eiterung (Suppuratio). Der sogen. gesunde E. stellt eine gelbliche, geruchlose oder schwach süßlich riechende Flüssigkeit von schwach alkalischer Reaktion dar, die gewöhnlich von rahmähnlicher Konsistenz, unter Umständen aber auch dünnflüssig, wasserähnlich oder breiartig eingedickt ist. Läßt man größere Mengen von E. in einem tiefen Gefäß stehen, so scheidet er sich in eine obere wasserhelle, fast farblose, dünnflüssige Schicht (Eiterserum) und in eine untere, gelb gefärbte, undurchsichtige, zähflüssige, die aus den sogen. Eiterkörperchen besteht. Das Eiterserum ist ähnlich dem Blutserum zusammengesetzt. Die Eiterkörperchen sind kleine, nur mit Hilfe des Mikroskops wahrnehmbare Zellen, die in allen ihren Eigenschaften mit den farblosen Blutkörperchen (s. Blut, S. 80 f.) übereinstimmen und in ganz frischem E. wie die Blutkörperchen amöbenartige, mit dem Mikroskop erkennbare Bewegungen ausführen. Durch Zersetzung beigemengten Blutes oder durch farbstoffbildende Bakterien kann der E. rötliche, blaue und grüne Farbe annehmen. Der E. entsteht bei gewissen Formen der Entzündung durch Ausschwitzung aus den Blutgefäßen; die Eiterkörperchen sind weiße Blutkörperchen (Leukocyten), die durch die entzündlich veränderten Wände der seinen Blutgefäße hindurchwanderten (Diapedesis). Gewöhnlich entsteht Eiterung infolge der Einwirkung bestimmter eitererregender Mikroben, und zwar findet sich meist der Kettenkokkus (Streptococcus), dessen Körnchen kettenförmig, und der Traubenkokkus (Staphylococcus aureus et albus), dessen Kokken traubenförmig aneinander gereiht sind (s. diese Artikel und Abbildungen auf Tafel »Bakterien«); auch andre Mikroben wirken eitererregend, ebenso gewisse chemische Substanzen und sterilisierte Bakterienprodukte. Der E. kann entweder auf freien Oberflächen (z. B. auf wunden Schleimhäuten, frei liegenden Wunden) gebildet werden und dann abfließen, oder er kann in den Geweben entstehen und dieselben diffus infiltrieren (Phlegmone), oder sich in einem durch den Eiterungsprozeß selbst bedingten Hohlraum ansammeln. Im letztern Fall entsteht ein Abszeß (s. d.). Der in den Geweben produzierte E. bricht entweder nach außen durch Einschmelzung der bedeckenden Weichteile durch, oder er muß durch Einschnitt entleert werden. Tritt beides nicht ein, so kann der E. erstens unter Zerfall in seine Fetttröpfchen aufgesaugt werden. Dieser Vorgang kann einer Heilung gleichkommen, wenn nicht die im E. enthaltenen Bakterien lebensfähig bleiben und anderweitige Erkrankungen hervorrufen. Sie können nämlich in andern, gewöhnlich innern Organen, wie Lungen, Herz etc., sich festsetzen und hier eiterige Entzündungen veranlassen. Man redet dann von Eitervergiftung oder Pyämie (s. d.). Werden vorwiegend die flüssigen Bestandteile des Eiters aufgesaugt, so wird er zu einer trocknen, gelblichen, käseähnlichen Masse eingedickt. Das ist besonders der Fall bei Eiterungen tuberkulöser Natur. Langdauernde Eiterungen, wie sie besonders bei tuberkulösen und syphilitischen Knochenentzündungen häufig sind, entziehen dem Körper andauernd große Mengen von Eiweiß, rufen Blutarmut hervor und bedingen sehr häufig die Amyloidentartung der innern Organe.