[71] Eros, der griech. Gott der Liebe. Homer erwähnt ihn nicht; nach Hesiod ging er am Anfang aller Dinge wie Gäa aus dem Chaos hervor, offenbar als Urprinzip aller Erzeugung. Ähnlich ließ die orphische Lehre E. dem Weltei, das sich aus dem Chaos zusammengeballt hatte, entspringen, und noch andre Spuren aus älterer Zeit lassen seine ursprüngliche kosmogonische Wirksamkeit erkennen. Der spätern Zeit gilt er allgemein als der mehr oder weniger sinnliche Liebesgott und als jüngster der Götter, und zwar meist als Sohn der Aphrodite und des Ares oder Hermes. Ewig Kind, ist er unbesonnen, launisch, doch allmächtig und Göttern wie Menschen unwiderstehlich. Er verschont niemand, selbst die eigne Mutter und Zeus nicht. Er wird geflügelt und mit Fackeln oder Bogen und nie fehlenden Pfeilen bewehrt gedacht. Zugesellt wurde ihm als Bruder Antĕros, die Personifikation der Gegenliebe, als Genossen Pothos (»Sehnsucht«) und Himeros (»Verlangen«); ferner Peitho (»Überredung«). Auch umgab man ihn mit einer Menge ihm gleichartiger Wesen, den Eroten (danach auch bei den Römern Amores und Cupidines). Sein berühmtester Kultus war zu Thespiä in Böotien, wo er seit alten Zeiten in Gestalt eines rohen Steinblocks wahrscheinlich als der alte Naturgott verehrt wurde. Alle vier Jahre wurden hier die Erotien oder Erotidien mit musischen und gymnischen Wettkämpfen bis in die Kaiserzeit begangen. Ebenfalls sehr alt war sein Kult zu Parion am Hellespont. Die in späterer Zeit entstandenen[71] Kulte galten ihm nicht als Gott der Geschlechtsliebe, sondern dem Stifter und Beschützer der Freundschaft und Liebe unter Männern, die in Griechenlands besten Zeiten die Seele der kriegerischen u. gymnastischen Übungen war.
Daher war sein Bild in vielen Gymnasien zwischen Hermes und Herakles aufgestellt, und zu Elis stellte ein Relief E. und Anteros (als Liebe u. Gegenliebe der männlichen Jugend) um die Siegespalme streitend dar; daher war auch die »heilige Schar« der thebanischen Jünglinge dem E. geweiht, und Spartaner und Kreter opferten ihm vor der Schlacht, um sich zu treuem Zusammenhalten zu verbinden. Der römische Amor oder Kupido ist eine bloße Übertragung des griechischen E. und hat nie öffentliche Verehrung genossen.
Über den Mythus von der Liebe des E. und der Psyche s. Psyche.
Die Künstler folgten in der Darstellung des E. den Dichtern, indem sie ihn als schönen, an der Schwelle des Jünglingsalters stehenden Knaben oder auch als anmutiges Kind, meist beflügelt, bildeten. Zu den obengenannten Attributen, Bogen und Pfeilen und der brennenden Fackel, kommt noch die Rose hinzu. Für eins der besten Kunstwerke des ganzen Altertums galt der E. des Praxiteles, den dessen Geliebte Phryne nach Thespiä weihte. Dort befand sich auch ein berühmtes Erzbild von Lysippos. Äußerst zahlreich und mannigfaltig sind die Darstellungen auf Gemmen und Reliefs. Unter den vielen auf uns gekommenen Erosstatuen und -Statuetten des Altertums sind die bedeutendsten: der Torso im Louvre zu Paris und der im Vatikan (dem Praxiteles zugeschrieben, Fig. 1); der sogen. bogenprüfende E. im kapitolinischen Museum zu Rom (Fig. 2; wahrscheinlich nach Lysippos), der noch in andern, z. T. bessern Kopien erhalten ist; ein mit Knöcheln spielender E. im Berliner Museum und die berühmte Marmorgruppe E. und Psyche, sich umarmend und küssend, im kapitolinischen Museum zu Rom (s. Tafel »Bildhauerkunst V«, Fig. 10). Vgl. Jahn, Archäologische Aufsätze (Greifsw. 1845); J. Grimm, Über den Liebesgott (Berl. 1851); Schömann, De Cupidine cosmogonico (Greifsw. 1852); Furtwängler, E. in der Vasenmalerei (Münch. 1875); Birt, De amorum in arte antiqua simulacris (Marburg 1892); Förster, Eros (Bresl. 1893).
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