Joachim [3]

[257] Joachim, 1) Joseph, Violinspieler, geb. 28. Juni 1831 zu Kittsee bei Preßburg in Ungarn, wurde auf dem Wiener Konservatorium von Böhm und Mayseder gebildet, kam 1843 nach Leipzig, wo er noch Davids Unterricht genoß, und wurde 1850 als Konzertmeister in Weimar angestellt, von wo er 1854 in gleicher Eigenschaft nach Hannover ging. Nachdem er 1866 von dieser Stelle zurückgetreten, ließ er sich in Berlin nieder, wo er 1869 unter dem Titel eines königlichen Professors zum Direktor der neugegründeten Hochschule für Musik sowie zum Mitgliede der Akademie der Künste ernannt wurde. Joachims bleibendes Verdienst ist die Überwindung des der Schaustellung dienenden Virtuosentums durch die Kunst pietätvoller Interpretation der Meisterwerke. Von seinen Kompositionen haben besonders das »Konzert in ungarischer Weise« (G moll), das zweite Konzert (G dur), die Ouvertüren »Demetrius«, »Hamlet« und »Dem Andenken Kleists« sowie die »Szenen der Marfa« aus Schillers »Demetrius« (für Altsoli und Orchester) Anklang gefunden. Anläßlich seines 50jährigen Künstlerjubiläums wurde eine seinen Namen tragende Stiftung errichtet, aus der unbemittelten Schülern staatlicher oder städtischer [257] Musikschulen Prämien in Gestalt von Streichinstrumenten oder in Geld gewährt werden sollen. Vgl. Moser, Joseph J., ein Lebensbild (2. Aufl., Berl. 1900). – Seine Gattin Amalie, geborne Schneeweiß, Sängerin (Alt), geb. 10. Mai 1839 zu Marburg in Steiermark, gest. 3. Febr. 1899 in Berlin, erhielt ihre musikalische Ausbildung in Wien und sang als A. Weiß am Kärntnertor-Theater daselbst und an der Hofbühne in Hannover. Nach ihrer Verheiratung (1861) wendete sie sich fortan ausschließlich dem Konzert- und dem Oratoriengesange zu, auf welchem Gebiet sie Hervorragendes leistete. 1883 wurde ihre Ehe mit Joseph J. getrennt. Vgl. Plaschke, Amalie J., Blätter der Erinnerung (Berl. 1899).

2) Joseph, schweizer. Volksdichter, geb. 4. April 1835 in Kestenholz (im solothurnischen Buchsgau), gest. daselbst im August 1904, wuchs als Bauer von Beruf auf und trat erst spät als Autodidakt in die Literatur, beteiligte sich bei der Redaktion eines politischen Lokalblattes und veröffentlichte hier 1881 seine erste Bauerngeschichte: »Ein Erntetag«, der eine Reihe meist im Dialekt gehaltener kleiner Volkserzählungen folgte. Hierauf versuchte er sich auch in größern Erzählungen und Bauernromanen: »Glyms auf der Höh'« (Zür. 1885); »Die Geschichten der Schulbase« (Frauens. 1888; 2. Aufl., Basel 1899); »Lonny, die Heimatlose« (Basel 1889, 2. Aufl. 1898); »Die Brüder« (das. 1891, 2 Bde.), seinem Hauptwerk; »Erzwungene Sachen« (das. 1890); »Fünfzig Jahre auf dem Erlenhofe« (das. 1891); »Der Sonnhaldenbauer« (das. 1892); »Der Mieschegghans« (das. 1893); »Die von Froschlach« (das. 1895); »Der Saalhoferbe« (das. 1898); »Der Herrenbauer« (das. 1899); »Wandlungen« (das. 1901); »Nachbarskinder« (das. 1903) sowie den Lustspielen »Der sieghafte Schulmeister« (Aarau 1892) und »In der Kiltstube« (das. 1898). Joachims »Gesammelte Erzählungen« erschienen Zürich 1902 (3 Bde.). Seine Leistungen, ungleich an künstlerischem Wert, zeichnen sich durch treue Wiedergabe von Land und Leuten aus.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 10. Leipzig 1907, S. 257-258.
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