Padŭa [2]

[302] Padŭa (ital. Padova), Hauptstadt der gleichnamigen ital. Provinz (s. oben), liegt in schöner, gartenähnlicher Ebene, am Bacchiglione, von dem hier der Kanal Piovego zur Brenta führt, an den Eisenbahnlinien Venedig-Mailand, P.-Bologna, P.-Bassano, P.-Montebelluna und den Lokalbahnen P.-Fusina-Venedig, P.-Piove und P.-Bagnoli. Die Stadt hat eine Ringmauer, sieben Tore (zum Teil aus der Renaissancezeit), zahlreiche Brücken (darunter vier antike und eine Kettenbrücke von 1829, die älteste Italiens), hohe Häuser, enge, meist mit Bogengängen versehene Straßen, aber schöne, freie Plätze. Unter den letztern ist der größte die Piazza Vittorio Emanuele, mit 82 Statuen berühmter Männer von P. und einer Halle (Loggia Amulea), mit Statuen von Dante und Giotto. Mittelpunkt von P. ist die Piazza delle Erbe. Auf der Piazza del Santo erhebt sich das eherne Reiterstandbild des venezianischen Condottiere Gattamelata (von Donatello, 1453; s. Tafel »Bildhauerkunst IX«, Fig. 11), auf der Piazza del Carmine das Marmorstandbild Petrarcas (1874). Unter den [302] Kirchen Paduas befinden sich mehrere berühmte Bauten. Der Dom wurde 1551–77 im Hochrenaissancestil ausgeführt, aber erst 1754 beendet; anstoßend das Baptisterium aus dem 12. Jahrh., mit Fresken aus der Schule Giottos. Das hervorragendste kirchliche Bauwerk ist die Kirche Sant' Antonio (»il Santo«); sie wurde 1256–1424 als Grabkirche des heil. Antonius von P. errichtet und ist eine dreischiffige Basilika (115 m lang) mit sieben Kuppeln; sie enthält an der Fassade ein Fresko von Mantegna, im Innern zahlreiche Grabmäler, im linken Kreuzarm die Cappella del Santo, eine Prachtleistung der Renaissance (1500–53), mit Marmorreliefs von Minello, Antonio und Tullio Lombardo, Sansovino u.a., im Presbyterium reiche Erzarbeiten, an dem 1895 erneuerten Hochaltar Bronzereliefs von Donatello und die 3,5 m hohen berühmten Bronzekandelaber von Andrea Riccio (1507) und in der Cappella San Felice (1372) treffliche Fresken von Altichieri und D'Avanzo. Am Domplatze steht die Cappella San Giorgio (1377), gleichfalls mit Fresken von Altichieri und D'Avanzo, und die Scuola del Santo, ein 1430 errichtetes Oratorium, worin Tizian (1511) und seine Schüler 17 Fresken aus der Legende des heil. Antonius ausführten. Außerdem sind zu erwähnen: die Kirche del Carmine, mit der Scuola del Carmine, die Fresken von Tizian enthält; die Kirche Sant' Agostino degli Eremitani (13. Jahrh., 1880 restauriert), mit berühmten Fresken Mantegnas (um 1450); die Kapelle der Madonna dell' Arena, mit hochwichtigen, wohlerhaltenen Fresken Giottos (seit 1303); die Kirche Santa Giustina, eine der großartigsten Kuppelkirchen der Renaissance (1501–32), mit schönen Chorstühlen und einem Altarblatt von Paolo Veronese. Andre öffentliche Gebäude von architektonischer Bedeutung sind: der gotische Palazzo della Ragione, ursprünglich Gerichtsgebäude (1172–1219, nach 1420 erneuert), mit offener Halle, marmorbekleidetem Obergeschoß und dem berühmten Salone, einem 83 m langen, 28 m breiten, 24 m hohen Saal mit astronomischen Fresken aus dem 15. Jahrh. und einem von Donatello gefertigten hölzernen Pferd; der anstoßende Palazzo del Municipio aus dem 16. Jahrh., in neuerer Zeit restauriert; die Loggia del Consiglio, ein treffliches Werk der Frührenaissance (1493–1526) mit der Universitätsbibliothek und einem Standbild Viktor Emanuels II. (von Tabacchi, 1882); die Universität, ein stattlicher Renaissancebau (1493–1552), mit schönem Hof von Sansovino; der Palazzo Giustiniani (1524), das neue Theater; das Kaffeehaus Pedrocchi und zahlreiche Privathäuser mit Portiken, schönen Höfen, Portalen und Fresken des 14.–16. Jahrh. Die Zahl der Bewohner beträgt (1901) 50,085, mit Einschluß des Gemeindegebiets 82,281. Industrie und Handel sind unbedeutend. Die im Mittelalter hochberühmte Universität, angeblich 1222 gegründet, umfaßt eine juristische, philosophische, mathematisch-naturwissenschaftliche und medizinisch-chirurgische Fakultät nebst einer pharmazeutischen und einer Ingenieurschule (1903: 1303 Studierende), ferner eine Bibliothek (123,000 Bände und 2500 Manuskripte) und einen Botanischen Garten (der älteste bestehende). Außerdem hat P. ein königliches Lyzeum und ein Gymnasium, ein bischöfliches Seminar mit Bibliothek (60,000 Bände), ein Technisches Institut und eine Technische Schule, eine Normalschule, eine Ackerbauschule, ein Mädchenkollegium, eine Akademie der Wissenschaften und Künste und das Museo Civico mit einer Gemäldegalerie, Antiquitätensammlung, einem Archiv und einer Bibliothek (70,000 Bände, 1600 Manuskripte). P. ist der Sitz des Präfekten, eines Bischofs und einer Handels- und Gewerbekammer; auch besteht ein Zuchthaus. P. ist der Geburtsort des römischen Geschichtschreibers T. Livius, dem 1903 ein Denkmal errichtet ist, des Malers Mantegna u.a. Auch hatte von der Stadt der französische General Arrighi den Namen »Herzog von P.«

Geschichte. Nach der Sage ward P. von dem Trojaner Antenor gegründet. Zur Zeit der Römer hieß es Patavium, war eine Stadt der Veneter, wurde im 2. Jahrh. v. Chr. römisches Munizipium und blieb durch Handel und Gewerbfleiß eine der bedeutendsten oberitalienischen Städte. Nach dem Ende des weströmischen Reiches kam die Stadt unter gotische Herrschaft, wurde von Totilas zerstört, aber von Narses wiederhergestellt und behauptete sich lange Zeit gegen die Langobarden, die P. erst 610 unter König Agilulf einnahmen und verbrannten. Unter der fränkischen und deutschen Herrschaft war die Stadt Hauptort einer Grafschaft und bildete im 12. Jahrh. ihre Verfassung zu munizipaler Selbstregierung aus. Seit dem letzten Viertel dieses Jahrhunderts standen Podestas an ihrer Spitze, und besondere Bedeutung gewannen in dieser Stellung die aus dem Hause Romano, von denen Ezzelino III. 1237–56 eine drückende Tyrannei ausübte. 1256 wurde P. von den Guelfen erobert. Im 14. Jahrh. erhob sich das Haus Carrara an die Spitze der Stadt und behauptete sich, trotz vorübergehender Eingriffe Heinrichs VII., seit der 1318 erfolgten Ernennung Jacopos von Carrara zum Capitano und Signore generale von P. bis 1405 in dieser Herrschaft, die nur kurze Zeit (1329 bis 1337) durch die Unterwerfung der Stadt unter die della Scala unterbrochen war. Franz I. aus diesem Hause, der sich mit Joh. Galeazzo von Mailand gegen Venedig verbunden hatte, wurde, nachdem Galeazzo sich mit dem Feinde gegen ihn verständigt hatte, von den Mailändern gefangen und starb 1393 im Gefängnis. Auch sein Sohn Franz II. wurde von Venedig geschlagen und, nachdem die Venezianer 1405 P. genommen hatten, mit seinen beiden Söhnen 1406 hingerichtet, worauf die Stadt der Republik Venedig untertan blieb. 1509 wurde sie von Maximilian I. vergebens belagert, 1797 von den Franzosen besetzt und im Frieden von Campo Formio an Österreich abgetreten, aber im Preßburger Frieden von 1805 mit dem von Napoleon I. gegründeten Königreich Italien vereinigt. Der erste Pariser Friede vom 30. Mai 1814 brachte P. an Österreich zurück. 1848 fand in P. ein Aufstandsversuch statt, der jedoch im Juni von den österreichischen Truppen unterdrückt ward; infolge davon blieb die Universität bis 1850 geschlossen. Durch den Wiener Frieden vom 3. Okt. 1866 kam P. mit Venetien an das Königreich Italien. Vgl. Gennari, Annali della città di Padova (Bassano 1804, 3 Bde.); Cittadella, Storia della dominazione Carrarese in Padova (Pad. 1842, 2 Bde.); Cappelletti, Storia di Padova (das. 1875, 2 Bde.); L. Volkmann, Padua (Bd. 26 der »Berühmten Kunststätten«, Leipz. 1904).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 15. Leipzig 1908, S. 302-303.
Lizenz:
Faksimiles:
302 | 303
Kategorien:

Buchempfehlung

Lewald, Fanny

Clementine

Clementine

In ihrem ersten Roman ergreift die Autorin das Wort für die jüdische Emanzipation und setzt sich mit dem Thema arrangierter Vernunftehen auseinander. Eine damals weit verbreitete Praxis, der Fanny Lewald selber nur knapp entgehen konnte.

82 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon