Schlettstadt

[862] Schlettstadt, Kreis- und Kantonshauptstadt im deutschen Bezirk Unterelsaß, an der Ill, Knotenpunkt der Eisenbahnen Straßburg-Basel, S.-Markirch und S.-Zabern, 180 m ü. M., hat 2 schöne kath. Kirchen (Münster oder St. Georgskirche und Fideskirche), eine evang. Kirche, Synagoge, Gymnasium, Lehrerinnenseminar, landwirtschaftliche Winterschule, Mädchenwaisenhaus, mehrere ehemalige Klöster, Theater, Amtsgericht, Hauptzollamt, Oberförsterei. berühmte Metallweberei (toiles métalliques), Gerberei, Ziegeleien, Säge- und Lohmühlen, starken Obst- und Weinbau und (1905) mit der Garnison (ein Jägerbataillon Nr. 8 und eine Maschinengewehrabteilung Nr. 10) 9700 meist kath. Einwohner.

Wappen von Schlettstadt.
Wappen von Schlettstadt.

Westlich auf einem Berg die umfangreichen Ruinen der Hohkönigsburg (s. d.). – S., in merowingischer Zeit ein königlicher Meierhof, späterhin eine königliche Pfalz, kam im 11. Jahrh. an das dortige[862] Benediktinerkloster der heil. Fides, dessen Propst auch in der spätern Stadt S. Schultheiß und Rat ernannte, bis der Bischof von Straßburg im 13. Jahrh. das Kloster erwarb. 1216 erhielt S. Mauern und unter Friedrich II. Stadtrecht, war seit Rudolf von Habsburg Reichsstadt und bewahrte später das Archiv des Zehn-Städtebundes. Im 15. Jahrh. begründete hier Agricola eine Gelehrtenschule, die auch Erasmus von Rotterdam besuchte. Die Reformation fand zahlreiche Anhänger, wurde aber gewaltsam unterdrückt. 1632 eroberten die Schweden S. und übergaben es 1634 an Frankreich. Die 1673 geschleiften Festungswerke wurden durch Vauban 1676 wiederhergestellt. 1814 und 1815 belagerten es die Verbündeten vergeblich, dagegen gewannen es 24. Okt. 1870 die Deutschen durch Kapitulation. Seitdem sind die Festungswerke abgetragen worden. Die Stadt ist Geburtsort J. Wimphelings, des Reformators M. Butzer und des Humanisten Beatus Rhenanus (dessen Büchersammlung sich in der Stadtbibliothek befindet). Vgl. Dorlan, Notices historiques sur l'Alsace et principalement sur la ville de Schlestadt (Kolm. 1843); Gény, Die Reichsstadt S. und ihr Anteil an den sozialpolitischen und religiösen Bewegungen 1490 bis 1536 (Freib. i. Br. 1900) und Schlettstadter Stadtrecht (Heidelb. 1902, 2 Hefte); Wolff, Geschichte des Bombardements von S. und Neubreisach im J. 1870 (Berl. 1874); Gény und Knod, Die Bibliothek zu S. (Leipz. 1889).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 17. Leipzig 1909, S. 862-863.
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